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Fraktur
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Mir traͤumt, ich floͤg' gar bange
Weit in die Welt hinaus,
Zu Straßburg durch alle Gaſſen,
Bis vor Feinsliebchens Haus.
Feinsliebchen iſt betruͤbt,
Als ich ſo flieg' und weint':
Wer dich ſo fliegen lehrt,
Das iſt der boͤſe Feind.
Feinsliebchen, was hilft hier luͤgen,
Da du doch alles weißt:
Wer mich ſo fliegen lehrt,
Das iſt der boͤſe Geiſt.
Feinsliebchen weint und ſchreiet,
Daß ich am Schrei erwacht,
Gefangen auf der Wacht.
Und morgens muß ich hangen,
Feinslieb mich nicht mehr ruft,
Wohl morgen als ein Vogel
Schwank' ich in freyer Luft.
Jezt weht der Wind! Das wird herrlich ſeyn!
Die Schnur iſt gar entſetzlich lange.
Soll ich ſpringen?
Spring!
Mir wird bange.
Der Drache fliegt in den Himmel hinein
Und ſtoͤrt die Engel im Geſange.
Aber die Voͤgel die pfeifen heut laut!
Sie ſpringen herum im Gras und im Kraut
Sie fliegen hinaus in alle Weit!
Naͤrrchen! Drum iſt es Sonntag heut.
Ey! ey! das iſt ein praͤchtig Ding!
Das iſt halt nichts, als ein Schmetterling.
O Vater! wenn er mir's fing!
Siehſt du den Reiher dort oben, Weib!
Blau wie der Himmel ſein Fluͤgel,
Licht und Luft iſt der ſtolze Leib,
Ihm deucht die Erde ein Huͤgel.
Sieh an! ſo bodenlos und ohne Zuͤgel,
Iſt einſt das Wagſtuͤck mir gelungen, Weib!
Werd' ich auch angeſtaunt dort oben ſchweben.
Dies waͤr bey Gott! mein lezter Zeitvertreib,
Halt's mit den Blumen, die im niedern Thale leben.
Die Muͤcke darf zum Himmel ſich erheben,
Frey ſchwebt ſie auf und tanzt im Sonnenſtrahl,
Der Menſch nur ſoll gebannt in's niedre Thal
Mit Moos und Schwamm an Stein und Erde kleben?
Hum! ich probir's einmal!
Auf, ihr traͤge Arme! plumpe Fuͤße!
Wandelt euch in leichte, luft'ge Schwingen!
Ja ſchon fuͤhl' ich's, es wird gelingen! —
Vogelleben! wie biſt du ſo ſuͤße!
Mann! du machſt mir wahrlich bange!
So was gehoͤrt in das Narrenhaus!
Weh! o Weh! ich bemerk' es ſchon lange,
Er ſieht immer mehr wie ein Vogel aus.
Da ein Veilchen! dort ein Schluͤſſelbluͤmchen!
Blumen! Blumen!
Seht ihr den Reiher dort oben?
Wie! ein Reiher? ich glaubte ihr ſeyd's, drum kam ich
heraus, haͤtt ich das gewußt, hum!
Nachbar! ihr werdet nicht lange mehr ſchwatzen, ein
paar Kunſtgriffe noch — — und — —
Die Fluͤgel ſind fertig — aber ob ſie fliegen? Gott
ſegne euch das Fliegen! Mich hat's noch keinen Augen-
blick geluͤſtet. Ich mag das Springen nicht, wie koͤnnt' ich
gar wohl das Fliegen wuͤnſchen. Mir wird's ſchwindelig,
und weh! wenn der Peruͤckenmacher, wißt ihr, der duͤrre
Kerl, mit ſeinen Rockfluͤgeln um meine Hausecke hinum-
fliegt, und der Barbier eben ſo flugfertig ihm entgegen
ſtuͤrzt. Die Kerls brechen noch Hals und Bein, und anders
wird's euch auch nicht ergehen.
O Schmid! wie ſchwazt ihr!
Ja! wie ſchwazt ihr! wie ſchwazt ihr! Das iſt ſtets
eure Antwort, was anders hoͤrt man euch nie ſagen.
Mit euch uͤber eine ſolche Sache zu ſprechen, iſt
Thorheit.
Und doch ſeyd ihr ſtets der erſte, der davon anfaͤngt.
Weh! ihr vertretet die ſchoͤnſten Blumen.
Jetzt ſinkt der Reiher, ſeht! wie ein fallender Stern.
Schon wieder vom Fliegen und immer vom Fliegen!
Es iſt wahr, an den Voͤgeln laͤßt das Fliegen nicht uͤbel.
Doch, euch geſagt, bin ich der Meinung, daß es unter ih-
nen nur ſo eine dumme Mode ſey. Sie haben ja zwei
Beine, warum denn fliegen? Es iſt ſo eine Art reuten,
fahren — ein Luxus, den die Vornehmen unter ihnen ein-
gefuͤhrt, die Adler, die Falken, die Habichte. Man kann
es daraus auch klar ſehen, daß das gemeine Federvieh, die
Enten, die Gaͤnſe und die Huͤhner nicht fliegen. Nachbar!
laßt das Ding bleiben, hoͤchſtens wuͤrdet ihr ein plumper
Hirſchkaͤfer.
Ich ſpreche hieruͤber mit euch nicht.
Hum! ha! ha! ihr brachtet nichts, ihr bringet nichts
heraus und ſtudirt ſchon Jahre lang und wurdet ein Narr
daruͤber, das iſt's!
Ich fliege, ſag ich euch, ihr aber koͤnnt ein Wurm
Geruhig an der Erde kleben bleiben!
Der Wetterwolke gleich heb auf mich, wilder Sturm!
Mich bodenlos in's blaue All zu treiben!
Da muͤßtet ihr euch dem Teufel nur verſchreiben.
Die Red', Gevatter! iſt ſo uͤbel nicht.
Doch fliegt ihr nur bis euch der Teufel die Fluͤgel bricht.
Ihr habt die Schuld, daß er ſo ſuͤndlich ſpricht.
Vergißmeinnicht!
Denkt! dem Gevatter iſt es mit ſeinem Fliegen voͤllig
Ernſt, da gieng er ſo eben ganz zornig hinein, weil ich ihm
ſagte: es komme nie was bei der Sache heraus.
Laßt ihn machen! erfindet er's, ſo iſt es eine ſchoͤne
viel hat er doch nicht.
Und findet er's nicht? — —
So hat er die Zeit, beym Himmel! nicht uͤbel an-
gewandt.
So!
Jetzt ſieht er die Voͤgel, die Schmetterlinge, luſtig im
Blauen fliegen, jetzt treibt, jetzt wogt alles im Mai, und
da treibt's ihn hinaus, er war von jeher kein gemeiner
Menſch.
Er war immer tiefſinnig und nachdenklich, und ein
verdammter Brauskopf.
Ja! der Fruͤhling iſt doch ein ſonderbarer Kerl, ein
Kerl wie der Wein, und koͤnnt einen in's Narrenhaus
bringen.
Seht da! ſeht da! Dichter Blumenſtengel, wie er da
ſteht! ganz verzuͤckt! was gilt's, der meint, er ſey eine
Blume? Geh ich hinter dieſen Roſenbuſch um den Blu-
menſtengel zu belauſchen.
Ha! wie iſt mir doch zu Muthe
Jetzt in dieſen Fruͤhlingszeiten!
Fuͤhl' ich nicht in meinem Blute
Wunderbares Sehnen, Streiten,
Duften, Singen, Gruͤnen, Bluͤh'n,
Himmel golden, purpurn, blau.
Roſen, Lilien auf der Au.
Aber auf in ferne Weiten
Treibts mich wie den Bluͤthenſtamm,
Zweige meine Arme breiten
Sich gen Himmel wunderſam.
Meine Fuͤße nimmer ſchreiten,
Wurzeln in die warme Erde,
Und nun iſt's nicht zu beſtreiten,
Daß ich ſelbſt zur Blume werde.
Gott willkommen, mein Vielgeliebter! wollt ihr des
ſchoͤnen Abends genießen, der Duͤfte von Blumen und
Kraͤutern — — aber — — wie ſeht ihr aus! Himmel!
Ja! und wie iſt mir!
Ihr ſeht ganz wunderbar aus, gruͤn, gelb, und kommt
mir vor, wie — eine Sonnenblume.
Ja! und ſo iſt mir!
Und wie iſt es euch denn, Vielgeliebter?
Weh! o weh! daß ihr nicht fuͤhlen
Koͤnnet, was wir Blumen fuͤhlen!
Unbeſchreiblich Hoffen, Sehnen,
Breitet aus die zarten Zweige
Blauen Aether zu umfangen,
Leiden, fuͤhlen, ſinnig blicken,
Duften, bluͤhen, ſtummes Singen —
Doch ihr verſteht nicht's von all' den Dingen.
Ich merke, daß euch die Verwandlung ſehr angreift.
Aber, Vortrefflichſter! ich bitte, riecht einmal: denn
nun glaub' ich entwickelt ſich der Duft oder die Sehnſucht.
Euet Geruch iſt noch ſehr unbeſtimmt, und faſt der einer
Tulpe.
Aber dieſer garſtige Kaͤfer! wie er auf mich zufliegt!
Ich bitt euch, bleibt ruhig, ſonſt reiß't ihr die zarten
Wurzeln aus: denn ihr muͤßt denken, daß ihr noch nicht ganz
Blume ſeyd.
Da habt ihr Recht, Vortrefflichſter! Doch ſtehe ich ſchon
ziemlich lange. Geht und ſagt meiner Geliebten, daß ich
eine Blume ſey.
Aber wie? wenn ich euch in dieſen hoͤlzernen Topf ver-
ſezte, da koͤnntet ihr zu eurer Geliebten getragen werden,
ſie wuͤrde euch vor der großen Sonnenhitze bewahren, ſie
wuͤrde eurer mit ſorgſamen Haͤnden pflegen, und ihr wuͤrdet
ihr allein all' eure Duͤfte ſenden.
O Allerſuͤßeſter! dafuͤr werd' ich euch noch als Blume
dankbar ſeyn.
Wohlan! ſo laßt euch kunſtgerecht in dieſen Topf ver-
ſetzen.
Mit deinem ewigen Fluͤgelmachen
Verdirbſt du wahrlich die beſten Stunden,
Und am End' iſt doch nichts gefunden.
Deiner Thorheit muß ich lachen.
Nachbar! ich bitt' euch, laßt die Sachen!
Daraus wird in Ewigkeit nichts —
Seyd ihr am hoͤchſten, was gilt's, ſo bricht's,
Wißt ihr, Nachbar, wie geſtern der Drache?
Freund! ihr verſteht nichts von der Sache.
Wißt ihr, Nachbar, was ich mache?
Gold, Freundchen! mit dem fliegt man weit,
Den Stein der Weiſen find' ich wahrſcheinlich noch heut;
Dann koͤnnt ihr in den Luͤften ſchnaufen,
Koͤnnt Sonnenſchein und Mondſchein ſaufen,
Als Adler oder Papagey
Durchfliegen aller Himmel Himmel.
Das iſt mir einerlei!
Ihr bleibt bei all' dem mager wie mein Schimmel.
Im Strahl der Sonne,
Im Schein des Mondes, in der Stern' Gefunkel,
Da ſuch' mein Gold ich, ſel'ge Wonne!
Wird's rings auf Erden dunkel,
Werf' ich um mich mein ſeltſames Gefieder,
Und ſchwing' mich uͤber meiner Graͤber Huͤgel,
Ein Luftgeſpenſt auf kuͤhnem Fluͤgel
Singend ein Lied aus dunkeln Luͤften nieder.
Bei ſolchen Reden zittern mir die Glieder.
O ſchwache Blume du! wie ſprichſt du wieder?
Da blick' hinaus und ſieh mich frey und froͤhlich ſchweben,
Den Luͤften, den Sternen gegeben —
Es liegt die Welt, wie klein zu meinen Fuͤßen.
Sie breiten wohl die Arme nach mir aus,
Die Maͤnnlein da, erſtaunt ob meinem Flug,
Doch bleiben feſt ſie, jenen haͤlt ein Haus,
Den eine Scheune, den ein Ochs, ein Pflug,
Ich aber werfe meinen lezten Heller
Mich zu erleichtern ſtolz auf ſie hinab,
Und fliege himmelauf noch ſchneller.
Mir aber, bitt ich! grab' vorerſt mein Grab.
Laßt es euch nicht Angſt ſeyn, liebe Frau! er findet's
nicht!
Und mit dem lezten Heller iſts auch nicht
ſo richtig, der iſt, glaub' ich, ſchon lang weggeworfen. Die
Vorhaͤnge von den Bettſtellen weg, alles fort! nur noch ein
Stuhl.
O ihr kennt ihn nicht! ihr kennt nicht ſeine Leiden-
ſchaft! alles, alles verſucht er!
Seit einigen Naͤchten geht er immer auf ſeinem Kirch-
hofe draußen herum, er hat gar keine Ruhe mehr. Und
ſchlaͤft er auch einmal ermattet ein, ſo muß es ihm immer
im Traume ſeyn, als floͤge er.
Alle Morgen ſagt er: „heute, Weib! bin ich im Traume
geflogen, und es wird, es muß noch zur Wirklichkeit wer-
den.“ Geſtern morgen ſagte er: „O dieſe Nacht! wie
ren eine Menge Leute, unter die miſchte ich mich, und
gieng als hinter ihnen her. Ploͤtzlich aber ſchlug ich einem
Herrn von hinten auf die Schulter, er ſchaute herum und
— huſch! flog ich in der blauen Luft von dannen. Da ſa-
hen alle Leute mir nach und ſchrien und ſtaunten, und
wußten nicht wie das geſchah.“
Heute Morgen aber ſprach er: dieſe Nacht flog ich mit
einem Todtengerippe dem Monde zu.
Seht! das verraͤth doch boͤſes Blut und — ihr muͤßt
mich nicht auslachen — mit ihm treibt doch zuletzt noch der
Teufel ſein Spiel.
Hum!
Setzt euch Nachbar!
Und ihr?
O laͤg' ich im Grabe!
Steht feſt! ſteht feſt! ihr ſeyd aber auch verdammt
ſchwer! Kaum reichen meine Kraͤfte zu, euch in die Woh-
nung eurer Geliebten, der ſchoͤnen Elsbeth, zu bringen.
Ach! das macht das Wurzelfaſſen
Streben in der Erde Gruͤnde,
Daß auch ſie mich Blume finde,
Sagt mir, bin ich noch erblaſſet?
Fuͤhl' zwar noch dies ſingend Leben,
Heiße Innbrunſt nach dem Waſſer,
Ihr zu bluͤh'n zum ew'gen Ruhme
Fuͤhl' ich nie gefuͤhltes Streben —
Riech' ich noch wie eine Blume?
O ſagt's!
O! das iſt ein verdammter Streich — ihr wurdet eine
Tabacksſtaude.
Weh! weh! gemeines Gewaͤchs!
Bleibt ruhig, ich ſcherzte nur — ihr wurdet ein Zu-
ckerrohr.
Luxuspflanze!
Nein! hoͤrt's! ihr ſeyd eine vollkommene Sonnenblume,
euer Kopf, die herrliche Knospe, hat ſich gar lieblich ent-
faltet. Aber bewegt euch nicht, ſonſt geht alles verloren.
Nur ſtille! nur duldſam wie die Blumen! Da! huͤbſch
links gegen die untergehende Sonne unverwandt geſchaut:
denn ſo machen es die rechten Sonnenblumen.
Bin ich denn keine rechte? —
Ruhig!
Will ihn bald zum Verſtand bringen.
Verruchter Kerl! weh!
Halt Sonnenblume! Halt Sonnenblume!
Welch entſetzlich Geſchrey!
Weh! weh! ſeht da! ach meine Sonnenblume — — —
Da ſpringt ſie!
Die ſchoͤnſte Blume, die ich euch bringen wollte, iſt,
als ich im Begriff war, ſie euch in das Zimmer zu tragen,
mir aus dem Topfe entſprungen.
Der Dichter Blumenſtengel?
Eben der.
O laßt den laufen!
Liebſt du mich nun.
Ob ich dich liebe? Frage!
Nun ſind wir gaͤnzlich ja einander gleich.
Ich habe dich, ich hab' mein Himmelreich,
Und ſchlaf' von dir umarmt ſuͤß bis zum juͤngſten Tage.
Siehſt du die Bluͤmlein dort auf deiner Grabesſtaͤtte?
Die hab' ich dir gepflanzt, mit Thraͤnen oft benetzt.
Drum ruht' ich auch ſo ſuͤß in meinem Bette!
O Liebe! komm' in meine Arme jezt!
Nichts kann uns trennen, eng und feſt umfangen
Vom Grabeshuͤgel, einem Herzen warm,
Laß uns nun wonnig ſchlummern Arm in Arm;
So Leben endlich wir im Tod erlangen!
Mitternacht ſchrie die Wacht,
Nun laßt euch erproben, ihr lieben Schwingen!
Zwar ſtuͤrmiſch und wild iſt die Nacht,
Der Mond fliegt am Himmel dahin,
Es fliegen die Wolken, die Sterne —
Auf! auf! in die heilige Ferne!
Halt Menſchlein! halt! umſonſt iſt dein Bemuͤhn!
Nie tragen dich die ſelbſtgemachten Schwingen.
Verſchreib' dich mir, dem Meiſter aller Kunſt,
Und thu' ein Werk ſo wuͤrdig meiner Gunſt,
Dann koͤnnt' ein ſolches Wagſtuͤck dir gelingen.
Fort, Nachtgeſpenſt aus eitlem Hoͤllendunſt!
Ja! ja! ich war von Sinnen — —
Aufgeſtrebt! auf! nun muß es oder nimmer!
Auf Sturmwind! fuͤhr' mich dahin!
Empfangt mich, ihr Wolken, ihr Sterne,
Du Mondlicht! — —
Weh! ich ſinke — —
Wohlan! euch ruf' ich an, ihr Gelſter der Nacht,
Euch, denen all' die Opfer ich gebracht,
Dir ruf' ich, der du zu helfen verſprachſt,
Teufel, erſchein!
Geloͤst ſoll dir das große Raͤthſel ſeyn,
Wirſt blindlings du nach meinem Willen leben.
Koͤnig der Nacht! dir ſey ich ganz gegeben!
Bey Gerippen, Leichen, Schlangen,
In des alten Sees Tiefen
Lauſch' verborgen ich ſchon lange,
Bleicher Geiſt geheimer Maͤchte,
Daß ich meine Opfer fange.
Und die hier voruͤber liefen
All' noch faßte meine Rechte,
Niederziehend in die Tiefen.
Leb' ich doch ſchon lange Jahre
Da in dieſem Kloſter neben,
Doch noch nie hab' ich gewahret
Dieſen See als jezt ſo eben.
Seht! dort ſeh' ich's aufwaͤrts ſtreben.
Muß im Nachen naͤher fahren:
Denn da muß es Fiſche geben.
Fort zur Hoͤlle, ſuͤndlich Leben.
Ey ein See! daß dich der Teufel!
Hab' ich den doch nie geſehen!
Da giebt's Enten ohne Zweifel,
Muß hier auf die Lauer ſtehen —
Still! dort ſchwimmen! naͤher ſchnelle!
Wart du ſollſt mir nicht entgehen!
Suͤndlich Leben, fort zur Hoͤlle!
Kam auf unbekannte Wege,
Hoͤrt' kein Huͤfthorn mehr erklingen! —
Daß allhier ein See gelegen
Hoͤrt ich nie, der ſoll bald ſchwinden:
Denn hier iſt die ſchoͤnſte Stelle
Fuͤr ein Luſtſchloß, ſo zu finden.
Suͤndlich Leben, fort zur Hoͤlle!
Ey! ein blauer See! wie ſtille!
Der iſt lieblich anzuſchauen!
Will allhier ein Huͤttchen bauen.
Aber ſehet, dort im Blauen
Schwimmt ein Roͤslein auf der Welle;
Will es fiſchen, darf ich trauen?
Suͤndlich Leben, fort zur Hoͤlle!
Ihr liebt die Dichter doch, geſteht es frey?
Dichter und Gaͤrtner, das iſt ja einerley!
Am Abend ſtreutet ihr die zarten Saamen,
Es ſchien die warme Morgenſonn' darauf,
Da giengen ſie, die ſuͤßen Lieder, auf.
Die nennen meinen ſo wie euren Namen.
Ja wohl! es giebt kein lieblicher Gedicht,
Als eine Blume, die ein gutes Maͤdchen bricht.
Hieher die Roſen! hieher die Narciſſen!
Vor allen Blumen moͤcht' ich die nicht miſſen.
Doch ſcheinen ſie im Bluͤhen ſchon entlaubt.
Ihr Leben iſt ein ſtetes Verbluͤh'n —
Iſt Liebe.
Aber die Roſen, ſeht an,
Die ſind doch beliebt bey Jedermann!
Warum?
Weil ſie fuͤr alle freudig gluͤh'n,
Gleichguͤltig ihnen, wer ſie bricht.
Die Roſen ſind Frauen —
Und die lieben nicht.
Wie kam er doch ſo ganz zerſtoͤrt nach Haus!
Bleich, abgemattet, ſchrecklich ſah er aus;
Gleich einem Vogel, den ein Sturm verſchlug,
Und ihn in einer Nacht vom Suͤd- zum Nordpol trug.
Lang ſtund er ſtill, antwortend keinen Fragen,
Doch endlich ſprang er auf, und fiel mir um den Leib,
Und ſprach mit Thraͤnen: ſterbe, gutes Weib!
Da brach ich aus in Schluchzen und in Klagen. —
Doch fuͤhl' ich's tief, ja ſuͤß iſt mir der Tod,
Seit er mir jenen Kuß der ew'gen Brautnacht bot.
Liebe Mutter! was ſprachet ihr da?
Ich ſprach nichts.
O liebe Mutter! laßt ihn bey ſeinen Todten, kommt
zu uns zu dieſen Blumen! Seht nur, wie ſie duften, wie
ſie bluͤhen! es iſt eine Freude, ſie anzuſehen!
Dieſe Roſe, ſeht nur Mutter! die hab' ich euch gepfluͤckt.
Dieſen Stern, Gaͤrtner! geb' ich euch, den Rosmarin —
will ich fuͤr mich behalten.
Kommt, laßt es euch nicht bange ſeyn, Mutter! Seht
nur die Blumen an, und ihr muͤßt euch freuen! — Vater
will nichts von Blumen. — —
Wo iſt euer Mann?
Vier Tage lang war er nicht mehr zu ſehen. Nachbarn
erzaͤhlten, daß ſie ihn einmal im fernen Walde geſehen am
ſchwarzen See ſitzend. Einige, ſo ihm nicht wohl wollen,
fluͤſtern einander zu, daß ſie geſehen haͤtten, wie er naͤcht-
lich, vom Kirchhofe aus, uͤber die Berge hingeflogen ſey,
und daß ihn dieß der boͤſe Feind gelehrt.
Geſtern in der Nacht, ich lag in Thraͤnen auf meinem
mit langem, bleichen Angeſicht, zerſtoͤrt, die Haare wild
unter einander geworfen. Der Mond ſchien durch das kleine
Fenſter. Lieber Mann! ſprach ich; er aber gab keiner Rede
Antwort, als waͤr' es ſein bleicher Schatten. Mit hohler
Stimme, lang und langſam ſprach er endlich: „Sterbe, gu-
tes Weib!“ und mit dieſen Worten druͤckte er mir einen
Kuß auf die Lippen, kalt, daß ich ihn noch fuͤhle.
Die Glocke ſchlug Mitternacht, und ich ſah ihn nicht
mehr.
Dieſen Morgen fand ich, daß er fern dort an jener
Ecke zwey Graͤber gegraben.
Wer ſtarb?
Niemand!
Seltſam! doch iſt er blos von Sinnen.
Ich lag im Traum in einem Bett voll Blumen,
Doch keine Sonne ſchien, ich war der Sonnenſtrahl.
Ich wandelte mit dir durch ein gar finſter Thal,
Da ſtunden ſtatt der Sterne ob uns Blumen.
Blumen! o Blumen! die heilen jeden Schmerz!
Drum druͤckt man ſo ein Kind gern an das wunde Herz.
Der Stern, den ich euch gab, iſt abgefallen, ſeht!
Er iſt erloſchen, weil die Sonn' zu nah' ihm ſteht.
Einziehen mit euch durch dieſe ſtille Pforte?
Weh! duͤrft' ich, weh! der Hoͤlle ſchwarzer Waͤchter
Peitſcht mitleid'slos am Eingang mich zuruͤck.
Ein ſollt ihr zieh'n in Lieb', durch mich geleitet,
Ich aber, blutbeſpruͤtzt, den ſchwarzen Geiſt zur Seite,
Schweif' heimatlos im weiten Reich der Luft. —
Es war mein Wille! — und es ſoll geſchehen!
Koͤnig der Nacht! dir ſey was ich gelobet!
Und wer? — — wer blieb mir noch im weiten Raum der
Welt?
Eltern? da ſchlummern ſie, ringsum die Freunde,
Zwei blieben noch — — die forderte die Hoͤlle!
Und ich, ich bin ihr Werkzeug! — —
Sarg iſt auf Sarg gethuͤrmt, Geripp' ſteht auf Gerippe,
Euch all' hab' ich zur Ruh gebracht, und ich,
Als haͤtte rings der Erde weiter Grund
Fuͤr mich nicht Raum mehr, angefuͤllt mit Leichen,
Als waͤr's hier oben ringsum ſtumm und leer —
Und haͤtten ſie, indeß ich traͤumend ſchweifte,
Den Freudenſaal da unten voll gefuͤllt, —
Als haͤtte mich die Erde, eine Leiche,
Im grimmen Haſſe wieder ausgeworfen,
So iſt's mir, ſo!
Die Hoͤlle ruft: ich komme!
Weh! weh! weh! dreimal weh! daß ich dich geboren!!
Gewaltſam abgepfluͤckt liegſt nun hier unten du,
Stundeſt ein Stern in wolkenloſer Ruh,
Warſt eine Blume, die dem Gaͤrtner ſich vertraut,
Der, wenn ſchon alles ruht, noch liebend nach ihr ſchaut.
Hoͤr's, Elfe, die im mondgewebten Kleide
Dahin flog einſt, ein Bild von Liebesſcherz und Freude,
Als in dem dunklen Schooß ein ſtilles Meer bewahrt,
Hoͤr's, Heil'genbild! hoͤr's, liebevolle Braut!
Denkſt du noch mein? — wohl dir! hoͤr'ſt keiner Klage Laut.
Alle Blumen wollten zu dir, all' brach ich ab,
Mag ihrer nicht am fremden Orte warten!
Will keinen andern Garten,
Geliebte! als dein Grab! —
Hier liegen ſie nebeneinander, er hat ihre Graͤber ſelbſt
gegraben.
Hier liegt die Frau und dort die Tochter.
Mir traͤumt' ich flog' gar bange,
Weit in die Welt hinaus,
Zu Straßburg durch alle Gaſſen,
Bis vor Feinsliebchens Haus.
Tralirala! Tralirala!
Ach! der arme Mann! er war doch nicht ſo ſchlimm,
und das gute Weib!
Nun fliegt er ja! ſo geht's!
Ich konnte es nicht mit anſehen, nein! als ſie ihn die
Leiter hinauffuͤhrten, da wandte ich das Geſicht!
Aber er war doch ein Verbrecher, er hat Frau und Kind
erſtochen.
Feinsliebchen iſt betruͤbt,
Als ich ſo flieg und weint:
Wer dich ſo fliegen lehrt,
Das iſt der boͤſe Feind.
Tralirumla! Tralirumla!
Warum hat er ſich aber auch alsbald ſelbſt der Gerech-
tigkeit ausgeliefert? Noch alles haͤtte er vertuſchen koͤnnen.
Er habe Frau und Kind aus Liebe ermordet, ſprach er vor
dem Gericht. Wahnſinn! —
Feinsliebchen weint und ſchreit,
Daß ich am Schrei erwacht';
Da lieg ich ach in Augsburg,
Gefangen auf der Wacht.
Tralirumla! Tralirumla!
Die Hand hat er mir noch gedruͤckt und hat geſprochen:
Freund Schmid! ſagt allen, daß es mein Wille, und daß ich's
bei geſundem Verſtande gethan; auch daß ich oft geſehn, daß
endlich Alles ſo enden muͤſſe. Er wollte noch was ſagen, da
ſchlugen ſie die Trommeln. O mein Nachbar! mein lieber
Nachbar!
Ja, ein ſchoͤner Kerl! fort! fort von dieſen Graͤbern!
Ein Kerl? Mein Freund, ſag' ich, war er, kein Kerl
und kein Verbrecher! und tauſend Kerl, ſag' ich euch, ſtan-
den da, und ſahen an den Galgen hinauf, — alle haͤtten mit
mehr Recht als der vom Galgen herunter ſehen ſollen.
Meint er die Geſetze?
Wie er will!
Gerichtsdiener! fuͤhrt ihn ab! Durchſucht ſein Haus,
es iſt ein Goldmacher und Falſchmuͤnzer.
Und morgen muß ich hangen,
Feinslieb mich nicht mehr ruft,
Wohl morgen als ein Vogel
Schwank ich in freier Luft.