Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0)
Fraktur
Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
]]>Ottilie Wildermuth wurde am 22. Februar 1817 zu Rottenburg a. N. geboren, als ältestes Kind des Criminalraths Rooschüz, der im Jahre darauf als Oberamtsrichter nach Marbach versetzt wurde. Sie genoß dort außer dem Unterricht in der Volksschule nur die wohlthuende Einwirkung ihres geistig regsamen und durch gastlichen Verkehr belebten Elternhauses und vermählte sich im September 1843 mit Professor Wildermuth, Lehrer der Mathematik und der neueren Sprachen am Gymnasium zu Tübingen. Erst im Jahre 1847, nachdem sie nie daran gedacht hatte, für die Öffentlichkeit zu schreiben, wurde sie durch einen Scherz ihres Mannes veranlaßt, in einer Skizze das Leben der Kleinstadt zu schildern; dieser von ihrem Bruder ohne Nennung des Namens an das „Morgenblatt“ eingesandte Versuch fand so freundliche Aufnahme, daß sie ihr Talent, heiter und anspruchslos zu erzählen, nun eifriger ausbildete und ihren Namen bald in weiteren Kreisen, vorzüglich unter der Frauenwelt, bekannt und beliebt machte. Eine Gesammtausgabe ihrer Schriften erschien bei A. Kröner in 8 Bänden, im Jahre 1862, außerdem eine Reihe ansprechender Jugendschriften („Aus der Kinderwelt“, „Aus Schloß und Hütte“,
Ottilie Wildermuth hat mit glücklichem Tavt nie den Boden verlassen, auf welchen das Talent der Frauen mit seltenen Ausnahmen angewiesen ist: Heimath und Familie. Innerhalb dieses beschränkten Kreises aber, in der Sphäre ihrer eigenen Erlebnisse und Beobachtungen, hat sie eine Reihe
Mitten im Dorf stand des Schultheißen Haus, an den rothen Jalousieläden und dem zweistöckigen Bau zu unterscheiden von den Bauernhäusern, auch wenn der Herr Schultheiß nicht gerade sein Pfeifchen unter dem Fenster dampfte. Er war nicht eben, was man einen Herren Schultheiß nennt, er stammte vom Dorf und war in seiner Jugend hinter dem Dungwagen einhergeschritten, so gut wie Einer, aber er liebte jetzt mit den Herrn der Oberamtsstadt auf vertrautem Fuß zu stehen, sein selbstgezogener Wein und die Strauben und Küchlein der Frau Schultheißin standen in gutem Geruch.
Neben des Schultheißen Haus stand ein sehr anspruchsloses Bauernhaus, einstöckig, mit getheilter Thüre, dessen stattliche Scheune, in der der Dreschertrakt noch bis Lichtmeß tönte, allein beurkundete, daß es einem „rechten“, das heißt, vermöglichen Mann gehörte. Hinter dem Hause lag ein Gärtchen mit Salat und Krautsetzlingen bepflanzt, auch mit etlichen Sonnenblumen
Des Schultheißen einziger Sohn hieß Georg, ein aufgeweckter Bursch, aber ein durchtriebener Schelm und so übermüthig und muthwillig, wie nur je der Sohn eines Machthabers, zumal, wenn er der einzige ist. Wenn ihn die Würde seines Vaters auch nicht vor gelegentlichen Prügeln sicherte, so wäre er ohne diese Würde gewiß schon lang todtgeschlagen worden, denn alle Streiche, die Simson vor Zeiten den Philistern gespielt, sind nichts gegen die Possen, die er, wenn ihn seine tolle Laune ankam, an Freunden und Feinden verübte.
Was war nur das für eine Geschichte, als er an einem stillen Nachmittag, wo die Leute auf dem Felde waren, sämtliche Schweine losließ und von dem oberen Boden aus der blutigen Schlacht zusah, die es absetzte, bis jeder Eigenthümer die seinigen wieder aufgefunden hatte!
Und wie er's angegriffen hatte, der Frau Müllerin ihre Staatshaube mit den handfesten Rosenknospen und
Liesbeth, seines Nachbars Kind, hatte nicht am wenigsten von seinem Mutwillen zu leiden, und doch trugen die Streiche, die er ihr spielte, stets ein gewisses chevalereskes Gepräge, freilich Chevalerie in ihren rohesten Uranfängen. Es war ein altes Familienfest bei Schultheißens, das heißt, das große Schwein wurde geschlachtet, Liesbeth blieb zufällig unter der Hausthüre stehen; willst ums Würste singen? rief ihr Georg herüber. Liesbeth trat beleidigt zurück, das sollte man ihr nicht nachsagen, das war Sache der Bettelkinder. Wie sie aber Abends sich an die Kunkel setzen wollte, war ihr schönes, rothseidenes Band gestohlen und die Kunkel dafür mit Bratwürsten umwunden. Als sie erstmals ihr
Die Kinder wuchsen zu Leuten heran, Georg als ein stämmiger, etwas untersetzter Bursch mit offenen, frischem Gesicht, Liesbeth als ein feines, sauberes Mädchen, schlank von Wuchs und gar pünktlich und sorgsam in ihrem Anzug, der aber in keiner Linie die Kleiderordnung einer rechten Bäuerin überschritt. Wie die meisten Dorfkinder war sie sehr früh in alle materiellen Interessen des Lebens eingeweiht worden und wußte den Werth des Besitzes als Kind schon gar wohl zu schätzen. Das Pfarrtöchterlein, deren Elternhaus nie leer von Gästen wurde, erzählte ihr einmal vergnügt: Denk nur, wir haben sechs Onkel — Und mir hend
Georg dagegen war ein sorgloser, leichtsinniger Bursch, dem Alles, was theuer war, am besten gefiel und am besten schmeckte, rasch, hitzig und unbedacht, ein „Schußbartle“ nach dem Volksausdruck, und gescheidte Leute meinten, er und Liesbeth paßten nimmermehr zusammen, sie seien gar zu zweierlei; noch gescheidtere fanden das eben gut: Die können einander helfen; was er verthut, das kann sie hereinhausen.
In Wahrheit konnten die Zwei nicht von einander lassen, wie oft sie sich auch gegenseitig erzürnten. Georg verhöhnte Liesbeth, wo er konnte, wegen ihrer Sparsamkeit: einmal lud er ein Dutzend junge Bursche und Mädchen in ihrem Namen zum Karz (Spinnstube) ein. Liesbeth spann eben im Mondlicht wie das Waldfräulein, aber nicht aus Romantik, sondern um Öl zu sparen, da polterten ihre ungeahnten Gäste herein und lachten hell auf, als nicht einmal Licht in der Stube war; Georg kam hintendrein und klärte den Spaß auf, Liesbeth aber mußte, wohl oder übel, Licht anzünden und Apfelküchlein backen.
Ein andermal kamen drei alte Weiber aus dem Armenhaus und bedankten sich gar schön bei ihr für Speck und Fleisch, das sie ihnen geschickt hatte. Liesbeth wußte nicht, wie ihr geschah, sie führte als einzige Tochter den Haushalt des verwitweten Vaters und hatte die bestandsgestattete Rauchkammer ins Dorf. Man behauptete aber, sie lasse den Vater, wenn er Kraut esse, nur riechen am Speck, und habe so den ganzen Winter an einer Speckseite; wie würde sie nun Bettelweibern Speck und Fleisch schicken! Töricht erschrocken sah sie in der Rauchkammer nach — da war freilich eine bedeutende Lücke; — das hatte kein andrer Mensch, als der Georg gethan! nehmen konnte sie den Weibern das Fleisch nicht wieder, und so mußte sie mit sauersüßem Gesicht den Dank für ihre unfreiwillige Großmuth hinnehmen.
Der Georg aber sollte es büßen, und als er nach einer Weile mit pfiffigem Lachen über den Zaun herüberblickte, da sagte sie ihm in geläufigem und lichtvollem Vortrag die Wahrheit umsonst über sein faules und nichtsnutziges Leben und verhieß ihm ganz und gar keine lockende Zukunft.
Sonntag drauf wollte Georg auch trotzen, er schloß sich an des Adlerwirths Sohn an und zog an der Liesbeth Haus vorüber, andern Mädchen nach. Liesbeth war nicht vor dem Halt nicht am Fenster zu sehen, daheim aber fuhr sie herum wie unsinnig, und als Georg spät am Abend nach Hause kam, da
Georg wurde zum Soldaten ausgehoben und gab nicht zu, daß sein Vater ihn loskaufte; Liesbeth hatte einmal gesagt, als ein schmucker Gardist durchs Dorf ging: Da muß man doch Respect haben. Nun soll sie auch vor mir Respect lernen, dachte er und ließ sich nicht abhalten, wie auch die Leute meinten, so ein heiß-
Liesbeth hatte allerdings Respect, als er in der feinen Uniform, die er sich aus eigenem Beutel angeschafft, zum erstenmal am Sonntag einen Besuch machte, sie sprach im Gärtchen lange mit ihm und gestattete, daß er sich zu ihr auf die Hausbank setzte, aber doch war diese Militärzeit eine qualvolle für sie, weil sie beständig von Eifersucht verzehrt war. Wenn ihr Georg einen Gruß sagen ließ, so war ihre Antwort: Dem wird es ernst sein mit Grüßen, man weiß ja, wie die Soldaten mit den Stadtmägden herumscharmuzen, wird auch Eine haben, die ihm am Sonntag den Dreibätzner in den Sack giebt! Durch ähnliche Suggestivfragen suchte auch Georg muthmaßliche Treulosigkeiten seiner Geliebten zu erfahren; — wenn er dann heim kam, so hatte er den halben Tag zu thun, bis er sein Schätzchen versöhnte, die wegen allerlei eingebildeter Unthaten seinerseits mit ihm trutzte. War das gelungen und sie begleitete ihn Abends auf dem Rückweg zur Stadt, so fing sie schon
Georg beschloß, diesem Elend ein Ende zu machen, aber wie? Ans Heirathen konnte er noch nicht denken, und sie gehen lassen, das war vollends unmöglich; wenn ich ganz gewiß wüßt', daß kein Andrer sie kriegt, so wollt' ich sie meinetweg mein Lebtag nimmer angucken, sagte er den Kameraden.
Er freute sich unbändig auf die Kirchweih; Liesbeth war noch immer seine Tänzerin gewesen, so konnte sie ihm diesmal, wo er Soldat war, nicht fehlen; da wollt er ihr einmal so recht in Güte sein Herz ausleeren.
Die Ballregeln auf dem Dorfe sind sehr einfach, und die zierlichen, goldeingelegten Büchlein am Gürtel, auf denen unsre jungen Damen ihre versagten Touren rühren, sind für Bauernmädchen ein entbehrliches Ge-
Georg hatte über die Kirchweih Urlaub genommen und war, um schneller nach Hause zu kommen, auf einem Wägelein 'nausgefahren; unglücklicher Weise war Schuhmachers Gustel, ein sauberes Mädchen vom Dorf, die in der Stadt diente, auch am selben Tag den gleichen Weg gegangen, und Georg in seiner Gutmüthigkeit hatte sie aufsitzen lassen. Das beleidigte Liesbeth, die es natürlich für Verabredung hielt, tödlich, und als Georg im schönsten Wichs sie zum Tanz laden wollte, gab sie ihm schnippigen Bescheid und ging mit ihrem Vetter Kaspar in ganz ungewöhnlichem Staat.
Georg kam ohne Tänzerin und setzte sich in eine Ecke des Saales mit seinem Wein, man hörte kein Wort von ihm, als den Ruf an die Kellnerin: Kätherle, noch einen Schoppen Fünfzehner! Liesbeth sah anfangs spöttisch zu ihm herüber, aber sie erschrak vor seinen wilden Blicken und sprach lauter und lebhafter, als ihre Art war, mit ihrem Tänzer. Eben als sie mit Kaspar
Liesbeth saß allein daheim und machte Umschläge um ihre Stirn, voll Zornes, wie sie glaubte, über den wüsten Georg, der sie so gezeichnet. Aber seltsam, eigentlich war sie viel besser aufgelegt, als vor dem Tanz, wo sie so schön geschmückt mit dem Kaspar ausgezogen war. Freilich trug sie ein blutig Liebeszeichen an der Stirn, aber ein Liebeszeichen war es doch, Georg hatte mit keiner Andern getanzt und die Schuhmachers Gustel nicht einmal angesehen! und ihr, ihr allein hatte er den Fuß gestellt, alle andern Paare waren ihm gleich, die hatte er ungehindert springen lassen. Aber doch sann sie darüber nach, wie sie ihm das recht vergelten könne.
Da hörte sie ein gewaltiges Rütteln und einen heftigen Stoß an die verschloßne Hausthür, und ehe sie
Todtbleich mit bebenden Lippen versprach es Liesbeth, Georg forderte auch noch ein Ehepfand, sie gab ihm den silbernen Trauring der seligen Mutter. Kaum hatte ihn Georg am Finger, so stolperte der Vater auf dem Gang draußen, Georg stieg eilig durch das Fenster hinaus. Ist denn noch jemand dagewesen? fragte der Vater. — Des Schulzen Relling (Kater) war in die Stube geschlichen, sagte Liesbeth, ich hab' ihn aus dem Fenster hinaus gejagt. Sie ging in ihre Kammer und legte sich zu Bett, wie an allen Gliedern zerbrochen und von Fieberfrost geschüttelt, und doch murmelte sie vor dem Einschlafen in sich hinein: Und so ist's doch noch Keinem
Das war die Verlobung.
Es fiel Georg sehr schwer, wieder zum Militär zurückzugehen, wenn er auch seiner gewaltsam geworbenen Braut jetzt sicherer war als zuvor. Da starb unerwartet Liesbeth's Vater, und man fand es natürlich, daß Georg sich vom Militärdienst losmache und die Waise heirathe, die auf die förmliche Werbung des Schultheißen ihre Einwilligung gab. Ein feierlicher Handstreich wurde gehalten, bei dem mit der auf dem Dorf gewöhnlichen Offenheit die gegenseitige Mitgabe von Georges Vater und Liesbeth's Vormund in Gegenwart des Brautpaares besprochen wurde. Georg bekam sein Heirathgut in bares Geld, Liesbeth hatte ihr Vatererbe in Vieh und Gütern, beide Parteien vereinigten sich in Güte, und es herrschte zwangloses Vergnügen an der Verlobungstafel. Dem Georg war Alles recht, er war seelenvergnügt und mit der ganzen Welt versöhnt, dem Kaspar trank er ein mal um das andre zu. Am Abend ging er noch mit Liesbeth in das Bauerngut, das zu ihrem künftigen Besitz gehörte; er betrachtete sie freudetrunken, wie sie in der netten schwarzen Kleidung, in dem Häubchen, dessen breite Bänder ihr feines Gesichtchen einschlössen, an seiner Seite auch
Nach vier Wochen war die Hochzeit, und allen Leuten schien es bedenklich, daß während der Trauung ein schweres Ungewitter ausbrach, so heftig, daß der Donner fast die Worte des Pfarrers übertönte. Georg nahm das nicht so schwer: wenn wir wetterscheu wären, so hätten wir einander gar nicht genommen, gelt, Schatz? rief er nachher lachend der Liesbeth zu.
Als sie am Altar sich die Hände reichten, suchte Liesbeth die ihrige obenhin zu bringen, das gilt auf dem Land für ein Zeichen, daß man die Oberhand in der Ehe behalte. Georg hatte nicht daran gedacht, als er aber bei Liesbeth die Absicht merkte, so legte er die seine obenauf, und bald wäre es zu förmlichem Ringen gekommen, wenn nicht ein ernster Blick des Pfarrers Einhalt gethan hätte. Die Stimmen der Zeugen konnten sich nicht darüber vereinen, welche Hand oben geblieben sei.
Liesbeth nahm den Regenschirm nicht an, den man ihr am Ausgang aus der Kirche bot. Aber daß Die ihr schön's Kleid nicht dauert im Regen, weinte eine der Brautjungfern. — 's bedeutet ja Reichthum, wenn's der Braut in Kranz regnet, sagte der Andre. — Ja so, dann glaub' ich's, sprach die Erste lachend.
Georg war glückselig beim Nachhausekommen. So, jetzt mußt mich erst haben! rief er neckisch seiner Braut zu und wirbelte mit ihr in improvisiertem Walzer um den Hochzeitstisch; er war wieder gut Freund mit aller Welt und warf den Musikanten Geld zu wie Heu. Liesbeth war stiller, ob aber Eines von Beiden auch nur einen Augenblick die heilige Bedeutung des Tages erwogen, glaube ich kaum.
Der Hochzeittag verlief ohne weitere Störung, als daß Liesbeth hier und da scharfe Blicke zur Seite warf, wenn ihr schien, daß Georg mit den Brautjungfern zu freundlich thue. Georg ward immer seliger, eine Seligkeit, an der freilich der Wein auch Antheil hatte, er versicherte Liesbeth: Guck, i bin a guter Kerle, der ällerbest' Kerle bin i, mit der Liebe, da kann mer mie um en Finger ‚rum wickeln. Die Braut aber antwortete wenig auf diese tröstliche Verheißung.
Ich weiß nicht, ob es einen Unterschied macht im ehelichen Leben, wenn die Frau den Mann einführt in
Ob es Liesbeth mit der Liebe versucht hat, die laut Georg's Verheißung solche Wunderdinge an ihm thun konnte, weiß man nicht. Sie las zwar, wie es bei ihrem Vater der Brauch gewesen, jeden Tag einen Morgen- und einen Abendsegen, in denen gar oft von Liebe die Rede war, mit diesem Leben hielt sie aber ihre Christenpflicht vollkommen erfüllt und lebte dazwischen nach eignem Gutdünken. Veränderlichkeit konnte Georg ihr nicht vorwerfen, denn sie konnte ihn als Weib nicht mehr plagen mit Eifersucht und griffigen Reden, denn sie als Braut gethan hatte.
Niemand hat je gehört, daß das Ehepaar einmal einerlei Meinung gehabt hätte. Liesbeth hatte die Stube gelassen, wie sie zu des Vaters Zeiten gewesen war: im Hintergrund der gewaltige Kachelofen mit dem württembergischen Wappen, an den Wänden festgenagelt die hölzerne Bank, davor ein weiß gefegter Tisch mit Fußbänkchen, eine Wanduhr in langem Gehäuse, ein Milchkasten, ein kleiner Spiegel, der alle Köpfe zu spitzen Chinesenköpfen verzog, an Gemälden: das über Jesum ergangene Bluturtheil, eine Darstellung des jüngsten Tages und ein Doctor Luther, dazu zwei hölzerne Stühle mit künstlich verwundenen Schlangenrücken, das war die
Georg konnte tüchtig schaffen, wenn's ihn ankam, aber des Schulzen Sohn hatte gearbeitet, was er wollte und wann er wollte, von dem Bauern aber erwartete sein Weib, die selbst bei keiner Arbeit zurückstand, daß er Alles und zu jeder Zeit arbeite. Liesbeth hatte den eigenthümlichen Erbhaß gegen Dienstboten, der sich je und je bei Frauen aller Stünde findet und das Unglück mancher Haushaltung ist. Nach ihrer Ansicht waren alle Dienstboten ein Diebsvolk, alle Taglöhner „faule Freßsäcke “, so sollte so viel wie möglich allein gearbeitet werden. Nach Georg's Geschmack war das nicht, bei ihm war morgen auch ein Tag, Liesbeth hatte aber ein unerreichtes Talent, ihm am Feierabend oder Nachts Alles aufzuzählen, was hätte geschehen sollen und nicht geschehen sei, und das ist eben keine wesentliche Beförderung der Gemüthsruhe. Dadurch, daß Liesbeth be-
Grob kann ich sein und das rechtschaffen, hatte er Liesbeth einmal versichert, aber trutzen, das kann ich nicht. Trutzen konnte dagegen Liesbeth meisterlich und mit seltener Ausdauer; sie übte diese Kunst reichlich: kein Wunder, wenn Georg auch Gebrauch von der seinigen machte und grob wurde und das rechtschaffen. Liesbeth kam sich die bravste und die unglücklichste Frau von der Welt vor, wenn sie den ganzen Tag sich's hatte sauer werden lassen, und der Mann, der gethan hatte, was er mochte, noch am Abend ins Wirthshaus ging. Georg trank, wie man zu sagen pflegt, keinen „bösen Wein“, er kam als der „best Kerle“ vom Adler heim, aber sie verstand es, ihn mit spitzigen Reden am Ende in eine wahre Berserkerwut zu bringen; dann tobte er wohl wie rasend, warf Schüsseln und Teller klirrend zu Boden, daß Liesbeth zitternd und regungslos in der Ecke saß, aber nie, im heftigsten Zorne nie, hat er Hand an sie gelegt, obwohl die Mißhandlung eines Weibes nach Dorfgesetzen für kein großes Vergehen gilt.
So konnte es im Dorf nicht verborgen bleiben, daß das Glück des Paares nicht groß sei; wehe aber Denen, die sich irgendwie einmischen wollten. Georg duldete nicht die leiseste Anspielung auf sein böses Weib,
Trotz dieser jeweiligen Zärtlichkeit sank aber doch das Glück des jungen Hausstandes zusammen, noch eh es recht aufgebaut war, und zu derselben Zeit wankte auch des Schultheißen Haus und that einen großen Fall. Es war von dem Tode seines Weibes an, die kurz nach Georges Hochzeit starb, rasch mit ihm abwärts gegangen. Er hatte gern den Herrn gespielt, ein Haus gemacht, was auf dem Land manchmal noch mehr kostet, als in der Stadt, wo viel mit dem Schein abgemacht wird, und wollte immer für reicher gelten, als er war, was das sicherste Mittel ist, immer ärmer zu werden. Als der Schaden entdeckt wurde, war seine
Einen solchen Fall mit Gleichmuth oder gar mit Großmuth zu tragen, wäre auf dem Dorf, wo der Besitz die ganze Lebensstellung des Menschen bedingt, fast zu viel verlangt. Liesbeth wollte ihrem Mann nicht eben dies Unglück zum Vorwurf machen, aber es sollte ihn nach ihrer Ansicht fleißiger, sparsamer, demüthiger machen; Georg aber aus falscher Scham wollte jetzt gerade zeigen, daß er doch noch der Mann sei, und nahm jeden Tadel Liesbeth's als Vorwurf wegen seines Vaters Mißgeschick auf. Du bist die Bäuerin, sagte er, wenn sie ihm seine Verschwendung und Faulheit vorhielt, mich geht dein Sach nichts an, ich bin nur so ein Lumpenbube.
Mehr als Alles aber wurde Liesbeth von einer maßlosen Eifersucht verzehrt, zu der ihr der Mann in Wahrheit nie Grund gab; ihm waren andere Weiber gleichgültig; wenn er mit ihnen scherzte, so war es seinem Weib zum Trotz, oder um sie zu reizen. Sie aber stand oft noch um Mitternacht von ihrem Lager auf und schlich sich vor das Fenster des Wirthshauses, um zu spähen, ob er der Wirthin oder Kellnerin nicht schön thue; er, um Auftritte im Ort zu vermeiden, suchte immer lieber sein Vergnügen auswärts.
Natürlich ging es unter diesen Umständen mehr und mehr rückwärts mit dem Besitzstand, was auch
Einmal schien es doch, als ob Georg sich fassen wolle; er blieb ein paar Abende daheim, bekümmerte sich mehr um die Feldarbeit und rüstete sich, am nächsten Markttage Frucht in die Stadt zu führen, weil sie eben hoch im Preise war. Liesbeth sah es nie gern, wenn er in die Stadt ging, doch wußte sie, daß ihr Widerspruch nichts ändere, daher begnügte sie sich nur mit Anspielungen, wie viel von dem Geld wohl unterwegs in Wirthshäusern bleibe und was für schöne Jungfern er unterwegs werde aufsitzen lassen. Er erwiderte nichts und machte sich fertig. Vor dem Abfahren ging er noch hinauf, Liesbeth hatte sich hinter den Küchenladen gestellt, um ihn gehen zu sehen, aber als er kam, rumorte sie in der Küche, als wäre sie in vollster Arbeit. Georg ging hinein und bot ihr die Hand zum Abschied; das war lange nicht geschehen, und Liesbeth sah ihn erstaunt, fast traurig an, eine seltsame Bewegung zuckte durch sein trotziges Gesicht. B'hüt die Gott, ich komm bald wieder, sagte er. — Ja, wenn's g'wiß ist, sagte Liesbeth halb im Scherz, wenn d'um Elfe noch nicht da bist, will ich eben in den Chausseegräben nach
Georg kam am Abend nicht zurück, auch nicht am folgenden Tag. Liesbeth's Bruder ging in die Stadt, um nach ihm zu fragen. Er hatte seinen Dinkel verkauft, Wagen und Pferde aber im Wirthshaus zurückgelassen, nebst einem Brief an sein Weib. Niemand wußte, wohin er gegangen.
Der Bruder brachte Liesbeth diese Kunde und den Brief, sie zitterte so, daß sie ihn nicht öffnen konnte, er mußte ihr ihn vorlesen; Georg war immer gut in der Feder gewesen. Der Brief lautete:
Ich gehe fort in die weite Welt, vielleicht wirst Du nichts mehr von mir hören. Verzeih Dir's Gott, daß Du mich so hinaustreibst, denn es ist von Deinetwegen, daß ich fort muß und kann's nimmer aushalten daheim. Es ist mir wohl bewußt, daß ich meinerseits auch den Fehler gemacht habe, aber das weiß Gott, daß ich Dir hätte Alles zu lieb thun können, wenn Du mich mit Liebe behandelt hättest. Ich will mich jetzt allein in der Welt fortbringen, daß ich mir nicht mehr von meinem Weib darf das Essen vorwerfen lassen. Keinen Andern kannst Du nicht nehmen, denn wir sind doch noch Mann und Weib, und ich glaub's auch, daß
Als Liesbeth den Brief gehört und begriffen hatte, daß ihr Mann nicht wiederkomme, warf sie sich wie sinnlos auf die Erde und schrie zum Verzweifeln. Verwandte und Nachbarinnen sammelten sich, um sie zu trösten, der geeignetste Trost schien ihnen eben die Schlechtigkeit ihres Mannes: sei doch froh, daß er fort ist, dein Gut wär ja voll hin gewesen bei dem Verthuner. Endlich stand Liesbeth auf, und sie, die bis dahin nie geklagt, brach nun in eine Flut von Klagen und Schmähungen über ihren Mann los, daß selbst die beredtesten unter seinen Feinden dagegen verstummten. So, jetzt hab' ich euch meine Meinung gesagt, schloß sie, ihr alle aber haltet's Maul über ihn, meine Sache ist's allein, er hat Keinem nichts zu leide gethan, als mir.
Liesbeth suchte vergeblich von dem Wirth ihres Mannes Aufenthalt zu erfahren, er gab vor, ihn selbst nicht zu wissen. Ihr Bruder bestand darauf, eine Scheidungsklage einzuleiten, sie weigerte sich lange und ließ es erst geschehen, als sie hörte, daß sich Georg dann persönlich stellen müsse. Er wurde in den Zeitungen aufgerufen, sich zu Bereinigung der Sache per-
Drei Tage vor dem festgesetzten Termin saß Liesbeth in ihrer Kammer, es war Nacht und gar still, Liesbeth blieb immer lange auf, sie hatte gar wenig Schlaf in den letzten Monaten. Da hörte sie das Bellen eines Hundes, den Ton kannte sie, es war der Sultan, Georges getreuer Hund. Das Haus war verschlossen, aber das Fenster noch offen, bei dem warmen Wetter, in tödtlichem Schreck sah sie Georges Kopf am Fenster, im Augenblick darauf hatte er selbst sich herein geschwungen.
Liesbeth stieß einen durchdringenden Schrei aus, so daß der nebenanwohnende Bruder eiligst herüber kam; er fand sie zitternd und bleich, wie sie die Hände vor sich ausstreckte und immer schrie: Bring mich nicht um, bring mich nicht um! Georg aber stand ruhig am Fenster und sagte: Was ist das für ein G'schrei, ich hab' ja nur fragen wollen, ob's Der da, auf Liesbeth deutend, ernst sei mit dem Scheiden. Liesbeth schwieg, der Schwager aber hub an und hielt dem Georg sein Sündenregister vor, so bündig und nachdrücklich, daß dieser nicht viel darauf erwidern konnte. Er that es auch nicht, nur als der Schwager zu Ende war, rief Georg zu Liesbeth hinüber: Dich frag' ich, du willst dich scheiden lassen? du? Er schritt auf sie zu, sie schrie aber wieder: Er bringt mich noch um! Endlich aber sagte sie trotzig: Du hast angefangen mit dem Scheiden, wo
Nach drei Tagen war Liesbeth vor Oberamtsgericht beschieden, sie machte sich früh am Tage auf, das Körbchen am Arm, ohne das eine Bäuerin nie über Feld geht, wenn auch die Zeiten längs vorüber sind, wo „eine Schmierale“ für den Beamten darin lag. Wer sie seit ihrem Hochzeitsmorgen nicht mehr gesehen, hätte sie kaum mehr gekannt: schlaflose Nächte, kummervolle Tage und ein friedloses Gemüth hatten tiefe Furchen in dem noch jungen Gesicht gezogen; doch aber war sie mit ihrer aufrechten Haltung, ihrem sauberen, wohlgeordneten Anzug noch eine stattliche Bauersfrau zu nennen; sie sprach mit niemand, und ihr Gesicht verrieth keine Art von Bewegung, wie sie so geradeaus in stetem Schritt ihres Weges ging. Noch war sie nicht weit gegangen, als sie hinter sich fragen hörte: Wo 'naus so früh? Die Stimme war ihr nur zu wohl bekannt, sie brauchte sich nicht umzusehen, zumal da auch der Sultan an ihr in die Höhe sprang. — Nach Senzheim, erwiederte sie kurz. — Ist's auch erlaubt, daß man mitgeht? frug Georg, der sie eingeholt hatte. — Der Weg ist breit, ich hab' ihn nicht im B'stand (gepachtet), sagte sie kurz angebunden. So gingen sie des Wegs zusammen, sie hüben und Georg drüben, aber wie das so ging, vor Verlauf einer Viertelstunde wandelten sie
Sie kamen an einen kleinen Bach am Weg, der vom Regen hoch angeschwollen war, Liesbeth wollte Schuh und Strümpfe ausziehen; — ach, was braucht's den Umstand, sagte Georg, nahm sie auf die Arme und trug sie hinüber.
So kamen sie zur Oberamtsstadt, betraten miteinander das Gerichtsgebäude und setzten sich nebeneinander auf die eine Bank in dem Parteienzimmer. Liesbeth wurde auf einmal sehr blaß. Was hast? fragte Georg, ist dir's weh? — Der Schlaf ist mir, glaub' ich, in Magen gefallen, sagte sie halblaut. Georg sprang ins nahegelegene Bäckerhaus und holte alten Wein und Wecken, was sie wieder zu Kräften brachte.
Sie hatten lang zu warten, endlich rief der Oberamtsrichter den Amtsdiener: Ist die Elisabeth Walter draußen, deren Scheidungsklage anhängig ist, und hat sich der Ehmann eingestellt? — Draußen ist kein streitiges Ehpaar, Herr Oberamtsrichter, zwei Leute sitzen in großer „Liberität“ beisammen, wird wohl ein Brautpaar sein, das Sporteln zahlen will.
Zu großem Erstaunen des Dieners fand sich doch, daß das einträchtige Paar die streitigen Eheleute waren, und wer die beredte Schilderung der Liesbeth über das Elend ihres Ehestandes und die Unthaten ihres Mannes anhörte, konnte auch daran nicht zweifeln. Georg konnte nicht viel widersprechen, es war Alles wahr, nur einmal meinte er, wenn man „falsch“
Vergebens suchte sie Georg durch Winke und Blicke zu bedeuten, daß das ja nur der Form wegen nöthig sei, sie konnte sich durchaus nicht dazu verstehen. Da nun beide Ehegatten auf der Scheidung bestanden, so konnte nach unsern Gesetzen der Scheidungsprozeß nicht voran gehen, und der Richter entließ sie mit einer nachdrücklichen Ermahnung zur Versöhnung, die ihm bei dem unverkennbaren Interesse Beider für einander nicht unmöglich schien.
Da Liesbeth sich lang nicht entschließen konnte, ihrerseits auf dem Zusammenleben zu bestehen und Georg eben so wenig sie als den sogenannten schuldigen Teil ins Gefängniß gehen lassen wollte, so zog sich der Prozeß noch lange hinaus. Gar manchmal wanderten die Zwei noch zusammen vor Amt, und immer trug Georg die Liesbeth über den Bach, trug ihr den Korb, bog die Zweige auseinander, die hätten ihr Gesicht streifen können, und hütete sie vor jeder Gefahr, die ihr etwa auf dem Weg begegnen konnte, und staunend und kopfschüttelnd sahen die Leute vom Dorf dem seltsamen Paar nach.
Es kam endlich doch zur Scheidung, die Geschwister Liesbeth's hatten Alles gethan, sie zu fördern, und Georg
Als sie vom letzten Gang vom Sitz des Gerichtshofs, wo die Scheidung vollzogen worden war, zusammen heimkehrten, sagte Liesbeth spitzig: So, jetzt kannst nehmen, wen du willst. — Erst nicht, sagte Georg, ich bin der schuldig Theil, ich darf nicht heirathen, ohne deine Erlaubniß. — Ich heb' dich nicht, schnauzte sie mit glutrothem Gesicht. — Du darfst heirathen, wenn 'd willst, sagte Georg, aber, indem er sich mit geballten Fäusten vor sie hinstellte: guck, todt schlag' ich dich, maustodt, wenn 'd einen Andern nimmst. Schweigend zogen sie miteinander nach Haus, bis sie sich trennten vor Liesbeth's Hausthür.
Georg hatte nichts von seinem Weibe anzusprechen, er hatte nicht viel beigebracht und noch weniger etwas errungen. Er hatte immer besonders gut mit Pferden umgehen können und verdingte sich nun als Kutscher zu einer Herrschaft in der Stadt. Eh er ging, nahm Liesbeth, die karge Liesbeth, drei Wochen die Näherin ins Haus und ließ ihn mit Weißzeug neu ausstaffieren. In der Nacht nahm er noch Abschied von ihr, und sein
Georg war fort, und bald erfuhr man, er sei mit seinem Herrn nach Frankfurt. Liesbeth, die einigemal heimlich vor seiner Abreise in der Stadt gewesen war, hatte das zum voraus schon gewußt, sie hatte auch erfahren, daß der Herr außer seinem Kutscher noch einen jungen Burschen zur Bedienung mitnehme. Durch allerlei Schleichwege, befreundete Mägde u. dgl. wußte sie dessen Bekanntschaft zu machen, und sie versprach ihm jährlich ein reiches Geschenk, wenn er ihr immer von Zeit zu Zeit Nachricht über den Georg gebe, über Alles, was er thue, und besonders wenn er weibliche Bekanntschaften mache; nur die bestimmte Zusicherung, die ihr der Junge darüber gab, konnte sie etwas beruhigen.
Dem Georg fiel das Heirathen nicht ein, obwohl ihn Liesbeth mit rastloser Angst bewachte oder bewachen ließ. So oft er in die Gegend kam, kehrte er bei ihr ein und brachte alle Zeit, die er von seinem Dienst abwesend sein konnte, bei ihr zu. Gewöhnlich sprang ihm der Sultan voran, und wenn Liesbeth den bellen hörte, kehrte sie vom dringendsten Feldgeschäft um und ging nach Hause. Die Nachbarn behaupteten, ihr Kamin rauche nur dann recht, wenn der Georg da sei, sonst steige das ganze Jahr nur so ein dünnes Schwänzle in die Höh.
Georg hatte sehr einträgliche Dienste, und das Dorf erstaunte über die reichen Geschenke, die feinen
So ging das lange Jahre fort. Georg hatte keinen Grund zur Eifersucht, Liesbeth bekümmerte sich um keinen Mann, die ihrige aber blieb rastlos wach. Der Fall kam freilich auch vor, daß Georg dienstlos war, und Ersparnisse konnte er jetzt noch so wenig machen, als vor Zeiten. Dann nahm er seine Zuflucht zu Liesbeth, als ob sich das von selbst verstände, und sie wohnten zusammen, arbeiteten zusammen und stritten sich zusammen, wie in den alten Tagen, bis Georg wieder eine Stelle fand.
Einmal, nach einer längeren Abwesenheit Georges, in tiefer Nacht hörte Liesbeth vor ihrer Thür das klägliche Winseln eines Hundes, sie sprang aus dem Bette und öffnete: es war der Sultan. Sie dachte an Geschichten, wo Hunde Hülfe zu Todten oder Verwundeten geholt, und zündete die Laterne an, um zu sehen, ob der Hund nicht auf eine Fährte leite, aber er blieb da und hatte, wie's schien, keinen Willen, als ins Haus zu kommen; er legte sich oben ruhig vor Liesbeth's Bett nieder, während er sonst in lustigem Aufhüpfen
Mein Mann ist gestorben, sagte Liesbeth am andern Morgen zum Bruder. — Ach, was bildst dir ein, sagte der. — Und ich weiß gewiß, daß er todt ist, versicherte sie und rüstete ihre Trauerkleider.
Nach vierzehn Tagen erst kam der Todtenschein des Kutschers, der im Ausland gestorben war. Das Wenige, was er hinterlassen, hatte er seinem Weibe vermacht. Liesbeth hat von der Zeit an nie mehr helle und farbige Kleider getragen. Sie war noch wohlerhalten und hatte ihr Besitzthum durch Fleiß und Sparsamkeit wieder sehr gehoben daß es ihr jetzt noch nicht an Freiern gefehlt hätte. Aber sie sahen bald, daß da nichts zu hoffen war. Sie verkaufte ihre Güter und zog sich in die Hinterstube ihres Hauses zurück. Sie ist sehr alt geworden. Der Sultan blieb bis zu seinem Ende ihr einziger Gefährte, nachher blieb sie ganz allein.