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]]>Melchior Meyr, geboren den 28. Juni 1810 in dem Dorfe Ehringen bei Nördlingen im schwäbischen Riesgau, Sohn eines wohlhabenden und für Bildung empfänglichen Landmanns, besuchte die Schule in Nördlingen, die Gymnasien in Ansbach und Augsburg, und studirte, früh vom juristischen Fache zu philosophischen und literarhistorischen Studien übergehend, in Heidelberg und München. Gedichte, die er in der Handschrift an Goethe sandte, trugen ihm einen der letzten Briefe des Dichterfürsten mit einem ermuthigenden Worte ein. In Rückert's Nähe verlebte er ein Jahr zu Erlangen. Vom Kronprinzen Max mit Unterstützung zu einer Reise nach Norddeutschland ausgestattet, kam er 1840 nach Berlin, zu jener Zeit, als die Berufung von Schelling, Rückert und Cornelius ein neues Geistesleben verhieß. Er blieb daselbst, für den Unterhalt auf seine Feder angewiesen, im Umgang mit den Genannten, vornehmlich auch mit Lachmann und Kopisch. Im Anfang der fünfziger Jahre, als König Max sich mit Dichtern und Gelehrten umgab, kehrte Meyr nach München zurück und bezog einige Jahre einen Gehalt aus der Cabinetscasse, vermied aber die ihm winkende Anstellung im Staatsdienst oder an der Hochschule, da ihm, dem Unverheirateten, sein Schriftstellerhonorar neben den Erträgnissen eines kleinen Capitals und einer Rente der Schillerstiftung genügte, um in voller Unabhängigkeit seinen philosophischen und dichterischen Arbeiten leben zu können, aus denen ihn am 22. April 1871 der Tod hinwegnahm.
Es würde eine psychologisch interessante Aufgabe sein, bei einer ausführlichen Charakteristik dieses trefflichen Mannes im Einzelnen zu schildern, wie die zwei Seelen, die in seiner Brust wohnten, sich durch eine lange Schriftstellerlaufbahn mit einander vertragen, sich gestört, überhaupt auf ienander eingewirkt haben, wie der Dichter dem Philosophen Flügel gab, um sich über die Abgründe schwer zugänglicher Probleme hinwegzuschwingen, während der Denker häufig den Schritt des Dichters vorsichtig mäßigte und ihn da zu verweilen zwang, wo ein rascherer Fortgang
Unter den Handwerkern ist der Schneider von Alters her eine humoristische Figur gewesen; die Thatsache ist unleugbar und nicht schwer zu erklären. Die sitzende Lebensart und die Beschäftigung mit der Nadel sind nicht geeignet, die Gliedmaßen imponirend auszubilden und dem Körper jene Derbheit und Schlagkraft zu geben, die in rohern Zeiten vor allem Respect einflößen. Die verhältnißmäßige Feinheit und Friedlichkeit der Arbeit begünstigt die Reflexion, und wenn der Mangel an tüchtiger Bewegung eine Schwächung des Leibes zur Folge hat, so pflegt der Schneider sich auch gewöhnlich noch „des Gedankens Blässe anzukränkeln.“ Das Metier weis't ihn endlich darauf hin, seiner Erscheinung etwas Zierliches zu geben und sich selbst den höhergestellten Persönlichkeiten, die er durch sein Talent standesmäßig auszustaffiren hat, nach Möglichkeit anzunähern. In Folge von alledem wird der Schneider in der Regel eine schmächtige, bläßliche, reizbare, nette und putzige Figur mit einer überwiegenden Tendenz zur Vornehmheit in Haltung und Benehmen. Wie leicht er damit der komischen Nemesis verfällt, sieht man. Seine Reizbarkeit und seine Meinung von sich selbst verwickeln ihn in
Die Wirklichkeit hat stets für eine gute Zahl rühmlicher Ausnahmen gesorgt; aber die Ausnahme bestätigt nur die Regel, und so ist der Schneider als solcher für den Humor im Leben und in der Kunst ein Typus geworden und hat die Sprache mit charakterisirenden Ausdrücken bereichert. Wenn in einer Erzählung ein Schneider auftritt, so denken wir uns nothwendig eine Figur, die der oben gegebenen Schilderung entspricht. Hätte der Poet nun die Absicht, durch einen Vertreter dieses Handwerks gewaltige Thaten thun zu lassen, so müßte er seine Fähigkeit dazu ganz besonders nachweisen. Der Hufschmied kann ohne Weiteres ein halbes Dutzend Schneider in die Flucht schlagen; wenn aber ein Schneider ein halbes Dutzend Hufschmiede niederstreckte, so wäre das eine That, über deren
Auf dem Dorfe erleidet dieses Verhältniß eine naturgemäße Abänderung. Der Schneider ist hier zugleich Besitzer einer kleinen Oekonomie und legt die Nadel vielfach weg, um den Pflug, die Sense, den Dreschflegel in die Hand zu nehmen. Dies erhält ihn frischer und läßt zwischen den Gestalten seiner Nachbarn und der seinigen keinen allzu großen Unterschied aufkommen. Dennoch äußert das Metier auch hier seine Einwirkung, und zumal auf dem jungen Schneider pflegt im Punkte des Muthes und der Körperstärke für die andern Bursche eine levis notae macula zu sitzen. Der Name bezeichnet weder einen Goliath noch einen David, und wenn der Träger desselben dem alten Vorurtheil nicht mit Geduld oder guter Laune begegnen will, so muß er es für seine Person durch Thaten entkräften. Es kommt nun auch wirklich vor, daß zu irgend einem gefährlich scheinenden Unternehmen just ein Schneider sich meldet, der den Verdacht der Feigheit von sich abwälzen will; sein Entschluß erweckt aber bei den Uebrigen stets eine gewisse Verwunderung, und unter Umständen Heiterkeit.
Ein Dorf, das im mittlern Riese gelegen ist, besaß in seinem Hauptschneider — neben ihm existirte noch ein geringerer für die geringeren Leute — eine der ehrenvollsten Ausnahmen, die je das Metier zierten. Balthasar Eber war nicht nur der Starken einer im Orte, sondern geradezu der Stärkste selber, groß, von
Balthasar Eber war zweimal verheirathet und begrub die zweite Frau noch in den Dreißigen seines Lebens. Die erste war durch Sanftheit und Gutmüthigkeit fast ein Engel zu nennen, zartgebaut, hübsch und von Herzen fromm; die andere, von derber Constitution und selbstsüchtiger Gemüthsart, nöthigte den Mann zuweilen, ihr die Faust zu weisen, und einmal, seine Oberherrlichkeit thatkräftig festzustellen, wurde aber als tüchtiges Hausweib von ihm nicht weniger betrauert, als die Gute. Jede hatte ihm einen Sohn geschenkt. Der ältere, Tobias, war das Abbild der Mutter, der jüngere, nach dem Großvater Kasper genannt, ließ Vater und Mutter gleichmäßig erkennen.
Tobias ist im Ries kein gewöhnlicher Name. Der Schneidersohn hatte ihn von einem nahen Verwandten seiner Mutter, der im „Württembergischen“ ansässig war, woselbst er zu den „Frommen“ gehörte. Dieser wackere Mann besuchte die Familie auch nach dem Tode seiner Base jährlich ein paarmal und arbeitete, nachdem die Bekehrung des alten Schneiders und seiner zweiten Ehe-
Tobias lernte von dem Vater das Handwerk und wurde ein Schneider im reinsten Sinne des Worts.
Wer die Menschen kennt, der weiß, daß man eigentlich nur auffallend gutmüthig zu sein braucht, um den Geist der Bosheit gegen sich in Bewegung zu setzen. Ist der Gutmüthige noch selbstgefällig und empfindlich, dann ist das Maß der Anziehungskraft voll, und es scheint, als ob Niemand ein anderes Geschäft hätte, als
Als er herangewachsen war und mit den ledigen Burschen ins Wirthshaus und auf die Gasse ging, wurde dasselbe Stückchen, nur in einer andern Tonart, weiter gespielt. Es waren ja meist die nämlichen Menschen, die ihn als Buben geplagt und erfahren hatten, wie sehr er sich dazu eigne, und wie trefflich man an ihm den Uebermuth, der ein Opfer haben muß, auslassen könne. Lange hielt er an sich oder antwortete mit Entgegnungsversuchen, womit er's nach seiner Meinung den unverschämten Menschen tüchtig hinausgab, die aber im
Er hatte die Kraft, diesem Entschluß, äußerlich wenigstens, nachzuleben. Er setzte dem hie und da wiederkehrenden Gestichel ein ruhiges Gesicht oder ein stilles Achselzucken entgegen, bis es endlich ganz aufhörte. Erneuerte Attaken, die an fernere Gelegenheiten anknüpften, suchte er mit Repliken abzuweisen, die er bei Andern wirksam gesehen hatte, und den stärksten gelang es nur, ihm jenes schmerzliche Lächeln abzunöthigen, wodurch verletzte Seelen einen Theil ihrer innern Bewegungen verrathen. Denn die Verletzlichkeit selbst konnte er freilich nicht ablegen; — immer mußte es ihn verdrießen, daß er, der durch Feinheit und guten Charakter offenbar weit über den groben Burschen stand, von diesen sich begegnen lassen sollte, als ob er tief unter ihnen stände. — Aber konnte er sich nicht auf andere Weise helfen? Konnte er die Menschen nicht in seinen Gedanken heruntermachen und ihnen die Titel geben, die ihnen gebührten? Ja, konnte er sie hier nicht auch thatsächlich behandeln, wie sie's verdienten? — Er machte denn zuletzt, wie es mancher ehrliche Deutsche thut, eine Faust
Die Natur mit ihrem sichern Takt findet in allen Verhältnissen die entsprechende Arznei für die Wunden des Lebens, und so lernte auch unser Freund die Mängel
Die Geduld, die zur Durchführung derselben immerhin erforderlich war, hatte er indeß nicht nur unter den Leuten, sondern auch zu Hause nöthig, und da zeitweis mehr als draußen. Sein Vater mochte ihn nicht. Einem Mann, den Keiner zu vexiren wagte und der, wenn's darauf ankam, eher Unrecht thun als leiden konnte, diesem mußte es natürlich sehr fatal sein, einen Sohn zu haben, der von Andern Kränkungen hinnahm. Wie komm' ich zu diesem Menschen? fragte er sich manchmal im Unmuth über irgend einen ihm zugegangenen Bericht. Die Antwort, daß er eben der Mutter nachschlage, lag freilich nahe; aber er sagte dann: Was sich für ein Weib schickt, das ist für einen Mann eine Schande. Sich so etwas gefallen lassen! Aus dem wird nie etwas, nicht einmal ein rechter Schneider! Wenn
Eine Entschädigung gewährte dem Schneider doch auch die wirkliche Welt — in dem Wohlwollen des schönen Geschlechts. Der hübsche, feine Mensch mit der geraden, zierlich kleinen Nase, wie es im Dorf keine zweite gab, hatte den Beifall der Mädchen; und das Unrecht, das man ihm anthat, flößte den guten Seelen keine Geringschätzung, sondern ein gewisses Mitgefühl ein, das dem, der es erregt, stets nützlich zu werden pflegt. Sie lächelten zwar gelegentlich auch über ihn, aber mit Freundlichkeit und mit einem Blick, als ob sie an dem Angefochtenen gar viel Gutes wüßten, wo
Auch zu Hause hatte er einen Rückhalt an einem weiblichen Wesen — an der ältern Verwandten, die dem Vater die Wirthschaft führte. Diese, die ehemalige Schusterin Walpurg, war froh, als arme Witwe ein solches Unterkommen gefunden zu haben, und hütete sich wohl, den alten Schneider durch Widerspruch zu erzürnen. Sie erfreute aber den jungen Vetter im Geheimen durch gute Reden und gute Bissen, die sie ihm zusteckte; und wenn's der Alte nach ihrer Meinung gar zu arg machte, so wagte sie auch, ihn bescheiden inständig zur Nachsicht zu ermahnen und ihm die unläugbare Thatsache vorzuhalten, daß Tobias — kein böser Mensch sei.
Bei der Gunst, welche dieser bei den Schönen des
Eine indeß richtete ihr Absehen länger auf ihn und hatte von seiner Kaltsinnigkeit auch zu leiden, weil er ihr besonders anständig war und ein Anderer, der sie hätte trösten können, ausblieb. Es war die Tochter
Unter solchen Erfahrungen und Beziehungen wurde Tobias vierundzwanzig Jahre alt. Trotz dem höhern Streben, das in ihm lag, war er stets im väterlichen Hause geblieben. Auf die Wanderung hatte er sich nicht begeben, weil der Vater ihn nicht entbehren konnte, und in die Reihen der Landesvertheidiger war er nicht eingetreten, weil er sich freigespielt hatte. Nun handelte es sich aber darum, an das Scheiden aus dem bisherigen Verbande gleichwohl zu denken: er mußte die Frage der künftigen Existenz ins Auge fassen. Das
Die Alternative war vor ihn gestellt; und indem er sie reiflich erwog, ging in seinem Innern eine gewisse Veränderung vor.
Erfahrene wissen, daß die poetischen Träume recht schön sind für die Jugend, daß aber nach und nach eine Zeit herankommt, wo sie weniger befriedigend erscheinen und sehr an Werth verlieren, während etwas Reelles, das man bisher für unannehmlich, ja in stolzen Momenten für unwürdig gehalten hatte, ein freundlicheres Ansehen bekommt und im Preise steigt. Das wirkliche Leben tritt mit den Idealen des Herzens in Kampf, und dieser endet in der Regel damit, daß die ätherischen Mächte weichen müssen und der große Begriff der Versorgung das Feld behauptet. Wenn dies feinerzogenen und zartgesinnten Stadtkindern begegnet, um wie viel mehr dem Dorfsohn, dem praktischeres Wesen angeboren ist und der nur ausnahmsweise städtischer Idealität etwas näher treten kann. Tobias hatte sich freilich
Als er sechs Wochen ins fünfundzwanzigste Jahr ging, sah es aus, als ob just das geschehen sollte, was von Allem das Unwahrscheinlichste gewesen war. Seine Gutmüthigkeit hatte dem Schneider einen Streich gespielt. Bei einem Geschäftsbesuch, den er im Hause des Webers machte, hatte Sibylle die Wünsche ihres Herzens wieder so deutlich merken lassen und ihn dabei mit ihrem halb männlichen Gesicht so weiblich verlangend angesehen, daß er, geschmeichelt und gerührt, den Blick viel freundlicher erwiderte, als er's je für möglich gehalten hätte. Ihre Hoffnungen wurden dadurch ungemein belebt und traten im Lauf des Gesprächs in einer Anspielung hervor, die Niemand mißverstehen konnte. Ein zufällig Anwesender theilte seine Vermuthung bei der nächsten Gelegenheit dem alten Eber mit, und dieser fand die Sache nicht
Die Sache war: der Alte hatte recht mit seiner Ironie. Sibylle war gegenwärtig ohne Mitbewerberinnen; denn Tobias hätte zwar in früherer Zeit Andere haben können, dermalen aber war Jede, die er der Sibylle hätte vorziehen müssen, versehen, und diese die einzig Mögliche. Der Gedanke, durch die Heirath der Zuchtruthe des Alten zu entgehen und sein eigener Herr zu werden, hatte unvermerkt auf die Gestalt des Mädchens eine modificirende Einwirkung geübt. Die hohe Schulter war niedriger, so niedrig geworden, daß man sie von der
Da geschah es, daß die bisherige Pfarrmagd ihren Dienst verließ und an ihre Stelle ein Mädchen kam, die, aus dem benachbarten Kesselthal gebürtig, das letzte Jahr in Ulm gedient hatte und der Pfarrerin von dort recommandirt worden war. Tobias, der dem geistlichen Herrn einen ausgebesserten Rock heimzutragen hatte, sah sie, sprach sie — und kam als ein Verwandelter nach Hause.
Barbara, rieserisch Bäbe, war aus einem protestantischen Dorfe jenes Thals, das von bewaldeten Anhöhen eingeschlossen, von der kleinen, mühlentreibenden Kessel durchströmt ist, und dessen Bewohner, obwohl sie einzelne Ausdrücke und Manieren für sich haben, im Ganzen von den Riesern wenig unterschieden sind. Das Kind unbemittelter Eltern, hatte sie früh dienen müssen, aber gute Häuser gefunden und als regsames Mädchen endlich in der Stadt ihre Geschicklichkeit vervollkommnet. Bei dem Ruf in das Dorf war ihre Neigung zum Landleben wieder erwacht, und sie gab ihr nach — vielleicht getrieben von dem Geschick, das eben hier eine Lebenswendung für sie bereit hatte.
Das Mädchen gehörte zu den glücklichen Geschöpfen, die mit Gesundheit und Tüchtigkeit an Leib und Seele eine gewinnende natürliche Anmuth verbinden. Stattlich, wohlgebaut und von gedrungenen Formen, in ihrem Benehmen sicher und ruhig, flößte sie auf den ersten Anblick Vertrauen ein. Der Kopf war mehr rund als oval, die Stirn nicht sehr hoch, weil die urkräftigen, dunkeln Haare etwas tiefer als gewöhnlich heruntergingen. Mit dunkelbraunen Augen und einem Gesicht, dessen frisches Roth sich ins Bräunliche verlief, war sie, was man auch im Ries „a schwarzbrauns Deandel“ zu nennen und sehr zu schätzen pflegt.
Die Anmuth in ihrem Wesen beruhte in angeborner Gutmütigkeit und einer natürlichen Schlauheit, die sie in ihren verschiedenen Dienstverhältnissen ausgebildet hatte. Sie half gern, nahm sich gern der Bedrängten an, erreichte aber auch gern selber ihre Zwecke, die wesentlich praktisch waren und am Ende darauf hinausgingen, in einem guten Dienst bei stetigem Fleiß das bisher ersparte Sümmchen Jahr für Jahr zu vermehren, um endlich, wenn's Gottes Wille wäre, einen braven Mann damit glücklich zu machen. Vergnügten Sinnes von Natur, wurde sie leicht heiter und zeigte beim Lachen hinter frischen, sinnlich behaglichen Lippen schöne mittelgroße Zähne. Wenn sie Eines leiden mochte, sah sie es mit unverhohlenem Wohlwollen und einer Art von mütterlichem Ausdruck an; hatte sie aber entschiedenes Gefallen an Jemand und wollte sie selber
Ich glaube durch diese naturgetreue Schilderung unsern Tobias gerechtfertigt zu haben, wenn er aus dem Pfarrhaus mit Empfindungen heimging, die ihm durchaus neu waren, die er aber sogleich als die „rechte Liebe“ erkannte und mit freudigem Schreck als langersehntes Glück begrüßte, trotzdem daß ein lebhaftes Beben ihn auch schon das damit verbundene Verhängnißvolle ahnen ließ. Zu seiner Bezauberung mochte das dunkle Gefühl beigetragen haben, daß dieses Mädchen eben an sich hatte, was ihm fehlte, daß er ihr sich anvertrauen und an ihr eine Ergänzung finden konnte. Die Bäbe gab sich allerdings nicht viel mit Einbildungen und Erwägungen ab. Sie war von denen, die wissen, was sie wollen; und was ihr recht und gut schien, das führte sie mit geräuschloser Festigkeit aus, ohne sich durch den Gedanken, was wohl andere Leute dazu sagen möchten, allzu viel beunruhigen zu lassen. Ihre Fassung zu verlieren, lag nicht in ihrem Wesen, vielmehr konnte sie im Nothfall entschlossen auftreten und kräftig ihre Rechte wahren. Von alledem erhielt der junge Schneider eine Ahnung, als er sie in Abwesenheit der Pfarrleute vor sich stehen sah und nach den ersten Fragen und Antworten in ein kleines Gespräch mit ihr kam. Er freute sich ihrer Statur, ihrer schönen Rundheit und ihrer theilnehmenden Reden. Als aber der nette Bursch, das gute, feine, an ihr mit offenbarem Wohlgefallen hängende
Die ersten Stunden nach der Zusammenkunft vergingen dem erregbaren Herzen in einem förmlichen Rausche. Als die Wogen der Gefühle zu sinken begannen, fing er an zu überlegen — und erkannte klar das Aengstliche seiner Lage. Sibylle erschien ihm jetzt fatal, ja, sofern sie ihn zum Mann begehrte, recht eigentlich anmaßend. Wie konnte er eine solche Person heirathen — er, den die Bäbe angelächelt hatte, die Bäbe, die Schönste, die er je gesehen, die in ihrem städtischen Kleid etwas Vornehmes hatte und aussah wie ein Frauenzimmer? Aber die Sibylle wollte der Vater und hatte, wie es schien, seinen Kopf darauf gesetzt; und die Bäbe, das wußte er aus dem kurzen Gespräch, hatte nur noch eine Mutter und einen Stiefvater, die sich kaum selber durchbringen konnten, und von ihnen so gut wie nichts zu hoffen. Die städtische Tracht, in seinen Augen ein Vorzug, war dem Alten zuwider; denn dieser war ein ganzer Bauernschneider, fand nur die Rieser Tracht schön, legte selber die kurzen Lederhosen nie ab, und hatte auch dem Sohn lange tuchene nicht früher gestattet, als bis der junge Schuster des Dorfs ihm darin vorangegangen war. Das gab einen bösen Handel, wenn er diesem Mann sagte, er wolle nicht Sibylle, sondern die Pfarrmagd! Aber es
Fürs Erste konnte er freilich Ruhe haben. Er brauchte ja dem Alten nichts zu sagen, konnte sein Glück für sich behalten und mit der Sibylle die Sache hinziehen, sich durch Ausreden helfen! — Unterdessen fiel etwas vor; ihm oder der Bäbe stand unverhofft ein Glück an, und Alles machte sich endlich von selber — wer wußte das? — Er wollte die schöne Pfarrmagd vor der Hand im Stillen lieben, ganz im Geheimen, so daß Niemand etwas davon wußte, als sie Beide. Aber dazu mußte er natürlich vor Allem erfahren, ob denn sie auch wirklich ihn mochte. —
Zwei Begegnungen, zwei kurze Unterhaltungen ohne Zeugen, die ihm sein gutes Glück bescherte, gaben ihm in dieser Hinsicht Gewißheit. In der ersten redete er von gleichgültigen Dingen, aber seine Augen sprachen mit einer Deutlichkeit, daß die Bäbe seinen ganzen Zustand erkannte. Es sah ordentlich komisch aus, wie er sie anguckte, als ob er gar nicht genug bekommen könnte; aber die Bäbe fand das nicht komisch, sondern diese Liebe rührte ihr Herz, und zum erstenmal zuckte auch in ihr der holde Blitz auf, der uns bezeugt, daß wir fortan nicht mehr uns selbst, sondern demjenigen angehören, der uns angehört.
Das Zweitemal grüßte er schon munterer und sprach sie vertrauter an. Da sie gar so gut und freundlich
Der Bund war geschlossen — der Schneider im höchsten Aufschwung der Freude. Als er wieder heimkam und in die Stube trat, mußte er sich ordentlich Gewalt anthun, um die Lust, die ihn durchwogte und ihm wie Feuer aus dem Backen ging, nicht so auffällig werden zu lassen, daß zuletzt der Alte etwas merkte und ihn
Da trat plötzlich ein Ereigniß ein, das ihn aus dem Paradies, in welchem er sich und die Welt vergessen hatte, gewaltsam herausriß, indem es von ihm eine Entscheidung und, statt holder und beglückender Vorstellungen, eine That verlangte.
Der Weber hatte außer der Sibylle noch zwei Kinder, einen Sohn, der Soldat war, eine jüngere Tochter, die noch in die Schule ging. Dem Sohn war natürlich die Sölde zugedacht, und da er im letzten Dienstjahre stand, so hätte er sie um so früher übernommen, als er dadurch auch den Wünschen des nicht mehr ganz rüstigen und etwas bequemen Vaters entgegenkam. Da traf eines Tages die Meldung ein, daß er in der Garnison an einer dort grassirenden Seuche plötzlich gestorben sei. Durch diesen Todesfall war der Stand der Dinge mit Einemmal verändert; und nachdem eine Woche in aufrichtiger Trauer und Theilnahme verflossen war, konnten die Betheiligten nicht umhin, ihn zu betrachten und ihre Entschließungen darnach einzurichten.
Sibylle war jetzt nicht nur eine bessere Partie, sondern hatte auch Aussicht, Hauserbin zu werden, und eine solche hat für den Bauern stets einen eigenthümlichen Werth, indem sie das Herumsuchen nach einem Anwesen überflüssig macht und als der Vogel, der im Neste bleibt, auch bei der Theilung am besten wegzukommen pflegt. Bei der Gesinnung des Alten hatte es alle Wahrscheinlichkeit, daß er die Sölde an die ältere Tochter abgab, sofern sich ein Mann fand, der ihm besonders erwünscht sein mußte.
Diesen Umstand erwogen vor Allen Sibylle und der alte Schneider. Das Mädchen behielt ihre Gedanken für sich und besorgte ruhig ihre Geschäfte, indem sie annahm, daß sich der Tobias nun schon bald selber einstellen werde. Der alte Schneider, für den der Handel nachgerade ernsthaft zu werden anfing, wollte nichts versäumen, ihn so bald als möglich zur Entscheidung zu bringen.
Eines Tages, als er sich mit dem Sohn allein in der Stube sah, faßte er diesen ins Auge und sagte: Nun, wie stehst du mit der Sibylle? Hast du mit ihr gesprochen? Tobias, der bei der unerwarteten Frage ziemlich „verhofft“ war, entgegnete mit angenommenem Ernst: Noch nicht. In der Zeit, hab' ich gedacht, wird sich's doch nicht schicken — — In der Zeit, fiel der Alte ein, schickt sich's grad, daß du mit dem Mädchen die Sach' richtig machst. Wenn jetzt Einer kommt und ist der Mann darnach, dann giebt ihm der Weber das Haus; das wissen Andere so gut wie ich, und drum sorg' ich, wer jetzt nicht bald vorwärts macht, der hat das Nachsehen. — Nun, wagte Tobias einzuwenden, gar so arg würd' ich mich dann auch nicht kränken! — Der Alte sah ihn befremdet an, und Tobias, dem die Liebe den Muth zu einer Art von Widerspruch gab, fuhr fort: Ich muß dir sagen, Vater, die Sibylle — ich weiß nicht — aber sie gefällt mir nicht. — Das sind Redensarten, entgegnete der Alte, indem er die Stirn runzelte. Und ganz ernsthaft setzte er hinzu:
Das Befremden des Alten war bei diesen Worten in einem Grade gestiegen, daß er den Sohn braunern Gesichts mit großen Augen ansah und ihn unterbrechend rief: Was sind das für Einfäll'? Steckt dir von deinem Doten noch was im Kopf? Die Sibylle ist brav, ist geschickt und fleißig bei der Arbeit, und ich hab' in meinem Leben gar Manche gesehen, die lang' nicht so schön gewesen ist und doch einen Mann gekriegt und gut mit ihm gehaus't hat. Willst du etwa gar heikel sein und den Vornehmen spielen und aus dummem Stolz dein Glück verpassen? Oder — hast du vielleicht eine Andere? — Tobias erröthete bei dieser Frage, rief aber schnell mit so tiefer Empfindung: Ach, wie sollt' ich zu einer Andern kommen! daß der Vater bei der geringen Meinung, die er überhaupt von seinen Fähigkeiten hatte, die Röthe falsch deutete und spöttisch erwiderte: Ja, das möcht' ich auch wissen! Ernsthaft setzte er hinzu: Also laß diese Späß' jetzt und mach vorwärts! Du weißt, lang Streiten ist meine Sach' nicht. Ich hoff', ich hör' die Woch' noch, daß du im Reinen bist! — Aber so
Die Sache stand schlimm für Tobias. Der Vater hatte einen festen Beschluß gefaßt und ihm, obwohl er jetzt noch gar nichts wußte, schon eine Miene gezeigt, die ihn erschreckte; was war erst von ihm zu erwarten, wenn er die Wahrheit erfuhr? — Das mußte Jeder einsehen: diese ihm jetzt zu sagen, war unmöglich! Eben so unmöglich war es aber, seinen Willen zu thun und die Sibylle zu heirathen. Und was konnte sonst geschehen?
Nach einiger Ueberlegung erhielt das erbangte Gesicht des Guten einen getrösteteren Ausdruck. Es war ihm ein schon früher erwogenes Mittel eingefallen. Ging's nicht mit der Wahrheit, so ging's mit dem Schein. Konnte er dem Alten nicht wirklich folgen, so konnt' er sich doch anstellen, als ob — und das beschloß er. Er wollt' es klug machen und in Bezug auf den Fortgang der Bewerbung Hindernisse erfinden, die ihn eben nicht zum Zwecke gelangen ließen; so hoffte er wenigstens für die nächsten Tage Frieden und zum Ausdenken von Rettungsgedanken Zeit zu gewinnen.
Obwohl er den Webersleuten rechtzeitig condolirt hatte, sprach er jetzt doch wieder bei ihnen ein und drückte mit ernstem Gesicht und würdiger Haltung sein Bedauern aus über das Unglück, das sie betroffen, indem er die gewöhnlichen Trostgründe anfügte, die man auf dem Lande zu wiederholen nicht müde wird. Der alte
Heimgekehrt und vom Vater befragt, erzählte er, wo er gewesen, fügte jedoch hinzu, die Leute wären noch so traurig, daß es ihm jetzt nicht möglich gewesen sei, ihnen mit einem Heirathsantrag zu kommen. Er habe indessen gesehen, wie es stände, und die Sache habe wirklich keine Eile. Bei der Sibylle werde ihm Keiner den Weg verlegen, das wisse er nun genau. — Der Alte war beruhigt und prägte ihm nur noch ein, die nächste passende Gelegenheit ja nicht zu versäumen. —
Tobias lächelte schlau für sich hin. Er fühlte zum erstenmal den Reiz, den es hat, einen Despoten, der auf seine Herrschaft lossündigt, durch List zu bekämpfen und ihn tüchtig anzuführen. — Was einmal gegangen war, konnte öfter gehen. Auch sollte ihm schon wieder etwas Neues einfallen, womit der Alte wieder zufrieden war; unterdessen wurde die Sibylle, die ihm schon diesmal nicht mehr so eifrig geschienen
In dem süßen Bewußtsein, für seine Liebe etwas gethan zu haben, wollte er sich nun auch durch ihr Anschauen belohnen. Er wußte, daß die Bäbe heute in der Dämmerung Milch holen mußte, und fand sich rechtzeitig in dem Gäßchen ein, durch das der Weg zur Verkäuferin führte. Und richtig, sie kam daher mit dem leeren Gefäß, und schon von Weitem, als sie ihn erkannte, blinkten ihm ihre holden Augen entgegen! Nachdem sie sich vorsichtig nur wie Bekannte, nicht wie Liebende, gegrüßt, blieb Tobias doch um so muthiger bei ihr stehen, als er in der von Gartenhecken eingeschlossenen Gasse Niemand gewahrte. Und nun sahen sie sich wenigstens an wie Liebende, und Seligkeit füllte das Herz des Schneiders. Was war das, mit der Sibylle verglichen, für ein Mädchen! Wie schaute sie her, wie glänzte ihr Gesicht, wie lachte sie ihn an! — Ach, ihr nur die Backen zu streicheln, muß ja besser schmecken, als Zucker! Ihr nur die Hand zu drücken, muß ein Glück sein für Kaiser und Könige! Und dieses Mädchen, das ihn liebte, sollte er nicht zum Weibe haben? Er sollte die „Wilde“ nehmen und die Schöne einem Andern lassen? Nein, dies geschah — dies litt er nicht, und wenn er in Stücke zerrissen würde!
Das Pärchen wurde in ein Gespräch verwickelt,
Es war das letzte reine Glück, welches unserm Paar das Schicksal gönnte. Der Mann, der die Gasse heraufkam, war jener Bekannte des alten Schneiders, der ihm schon seine Beobachtung wegen der Sibylle mitgetheilt hatte. Den jungen Schneider so vertraulich bei der Pfarrmagd stehen zu sehen, fiel ihm auf; und so unbefangen die Bäbe an ihm vorüberging, so merkte der alte Praktikus doch aus einem gewissen Leuchten des Gesichts, daß es keine gewöhnliche Ansprache ge-
Als Tobias am andern Morgen in die Stube trat, bemerkte er in dem Gesicht des Alten einen Ernst, und zumal in den hängenden Lippen eine Strenge, die ihm sehr verdächtig vorkam. Augenblicklich fielen ihm seine begangenen Sünden ein, und er harrte mit Bangigkeit auf die erste Rede. Sie kam schneller und schlimmer, als er gedacht. Mit der Miene des Anklägers fragte der Alte barsch: Was hast du denn des Abends um Betläuten mit der Pfarrmagd zu reden? — Tobias fuhr zusammen und erblaßte. Ich? brachte er endlich mit Mühe hervor. — Ja du! entgegnete der Vater. Von dir ist die Sprach'! — Nun, erwiderte der Gute, der sich einigermaßen gesammelt hatte, wie man eben in eine Ansprach' kommt mit einander. Ich hab' gefragt, wo sie hinginge, und sie hat gesagt: ins Wirthshaus; und wie eine Red' die andere giebt —. — Der Alte, der aus dieser Erklärung und der ganzen schuldbewußten Haltung des Burschen gesehen, daß die hübsche Pfarrmagd ihm nicht gleichgültig sei, fiel ihm ins Wort und versetzte: Los' (höre), wir wollen Deutsch mit einander reden. Du hast mir versprochen, daß du's mit der Sibylle so bald als möglich richtig machen willst; — ist's so oder nicht? — Ja, erwiderte der Ueberführte mechanisch. — Du hast nichts gethan in der Sach'! Dafür muß ich hören, daß du mit der Pfarrmagd vertraut discurirst, und daß sie aussieht, als ob du ihr,
Tobias fühlte sich tief niedergeschlagen, oder, besser zu reden, vernichtet. Das letzte Mittel, wodurch er die Sache glaubte hinziehen zu können, bis irgend eine rettende Wendung eintrat, war ihm genommen. Er mußte sich entscheiden, mußte entschlossen mit der Farbe
Nach und nach legte sich der Sturm seiner Aufregung. Er begann wieder zu nähen und suchte in accurater Arbeit die Qualen seines Innern zu vergessen. Als er so mit stillgefaßtem Duldergesicht dasaß, kam die Walpurg von der Küche herein und sah ihn von der Seite an. Sie wußte nichts von der Bäbe, kannte aber den Plan mit der Sibylle und hatte als erfahrenes Weib ihre Gedanken. Mitleidig sagte sie: Ja, ja, Tobias, ich glaub' schon, daß du nicht dran willst! Die Schönst' ist sie freilich nicht, die Sibylle; aber du mußt halt ein Aug' zudrücken. In der Eh' geht's manchmal gar curios, und es hat schon Manchem Eine nachher besser gefallen als vorher. Dir kann's wohl auch so gehen! — Tobias starrte sie an; 's mag sein, erwiderte er und nähte weiter.
Er hatte einen elenden Tag, unser Schneider; aber das Elend, die andauernde Gesunkenheit seines Wesens, machte ihn müde, und er schlief besser, als man's hätte denken sollen. Frühmorgens erwachend, fühlte er sich erfrischter, gestärkter, und als er im Schein der Morgensonne die Situation überdachte, kam sie ihm schon viel weniger desperat vor; ja, zuletzt begann sogar schüchtern, aber süß, die Hoffnung sich wieder zu regen. Er freute sich, daß er seinem Vater noch acht Tage Zeit abge-
Für sich war er entschlossen. Das Gesicht der Bäbe, wie er es zuletzt gesehen, glänzte wieder so wunderschön vor seiner Seele — von ihr zu lassen konnte ihm nicht einen Augenblick in Gedanken kommen! Er wollte das auch seinem Vater sagen, wenn's Noth that — nur jetzt nicht. Jetzt wollte er eben warten und das Glück der achttägigen Frist auch wirklich benützen. Er wollte sinnen und denken, wie er möglicherweise am besten und leichtesten zu seinem Zwecke und zunächst um die Sibylle herumkomme.
Zwei Tage sann er nach, und kein Gedanke bot sich ihm dar, welcher brauchbar gewesen wäre. Endlich hatte er einen Einfall — augenscheinlich den besten, den er haben konnte, und den er auch ohne Weiteres ins Werk setzen mußte. Er wollte mit der Bäbe eine Zwiesprach halten, ihr wollte er Alles entdecken, wie es stand — und sie sollte ihm rathen, was nun zu thun sei. — Dieser Gedanke mehrte das Vertrauen, das ihn wieder zu beleben angefangen hatte, mit Einemmal um das Doppelte. Die Bäbe, die in verschiedenen Diensten herumgekommen, die sogar in Ulm gewesen war, die überhaupt aussah, als ob sie durch Nichts in Verlegenheit gebracht werden könnte — sie mußte eine Auskunft wissen.
Er überlegte, an welchem Tag, zu welcher Tageszeit er sie sprechen könne, ohne daß es Jemand sah und sie störte, und kam endlich mit sich überein, sie für den nächsten Sonntag Abends zu sich in seinen Garten einzuladen. Sonntag Abends war der Alte regelmäßig im Wirthshaus, der Kasper trieb sich mit seinen Kameraden herum, und die Walpurg benützte sehr häufig die Gelegenheit, mit einer Bäuerin, die einige hundert Schritte weiter ihren Hof hatte, auf der Hausbank zu schwätzen. Der Garten ging, wie die meisten dörflichen, aufs Feld hinaus, hatte eine Hecke und neben alten Obstbäumen eine zu dichtem Buschwerk verwilderte Laube, hinter der man sich wohl verbergen konnte, falls auch Eines auf dem Feldweg vorbeiging, das über die Hecke sah. Gegen die Gasse schützte das eigne Haus und der Stadel des Nachbars, nebst einer kurzen, aber hohen Mauer, die beide verband. Es war freilich hier nicht vollkommen sicher, möglicherweise konnte man sie doch sehen — aber das mußte eben riskirt werden! — Den Eingang konnte die Bäbe vom Feld aus durch ein zerrissenes Eck der Hecke nehmen, das man glücklicherweise noch nicht ausgebessert hatte; und sie mußte eben so gescheidt sein und nur hineingehen, wenn Niemand um den Weg war!
Als er sich das Alles ausgedacht hatte und lebhaft vorstellte, wie's gut ging, war er ordentlich erheitert. Er wollte sich um Nichts kümmern, bis er mit der Bäbe gesprochen hatte; denn am Ende — wurde es anders
Tobias hatte zunächst die Einladung zu machen. Diese ging nicht wohl ohne eine vorläufige Aufklärung der Bäbe über den Stand der Dinge, also nicht ohne ein kleines Gespräch bei irgend einer Begegnung, und das war jetzt in keiner Art rathsam. In der Noth, in welche ihn diese Frage verstrickte, hatte er eine Idee, auf die bis jetzt noch kein Liebender im Dorf gerathen war: er setzte sich in seiner Kammer hin, schrieb mit Bleistift nieder, was er der Geliebten zu sagen hatte, ging dieser in der Abendstunde zu Gefallen und drückte ihr im Vorbeigehen nach leichtem Gruß das Briefchen in die Hand. Die Bäbe nahm es, ohne überrascht zu sein und ohne sich etwas merken zu lassen. So gut wußte sie sich in allen Verhältnissen zu benehmen.
Wie sie zu Hause das Schreiben las, gerieth sie doch in große Aufregung. Solche Gefahr drohte ihrer Liebe? Der Tobias sollte gezwungen werden, eine Andere zu heirathen? Und die Sibylle, die letzte von den Mädchen im Dorfe, — diese Sibylle sollte den lieben Menschen haben? Da wollte sie doch auch ein Wort
Daß Tobias ihr geschrieben und sie zu einer geheimen Unterredung einlud, freute sie herzinnig. Sie hatte schon vernommen, daß er nicht gerade der Herzhafteste sei und sich aus Gutmüthigkeit Manches gefallen lasse, was Andere zum Beißen und Kratzen brächte: um so mehr schmeichelte ihr die Entschlossenheit, um ihretwillen etwas zu wagen und dem Vater sich entgegenzustellen. Die Gefahr, das treue Herz zu verlieren, machte ihr ihn nochmal so theuer — und als sie am andern Tag wieder an ihm vorüberging, sagte sie nach dem lauten, gewöhnlichklingenden Gutentag, mit gedämpft entschlossener Stimme: ich komm'!
Dies war am Samstag. Der Sonntag brach herrlich an und versprach das schönste Juniwetter. Am Freitag hatte nicht nur „a kloes Regale“ die Wünsche der Landleute erfüllt, sondern ein echter Landregen, der Abends begann und die Nacht durch währte, sie übertroffen. Nachdem am Samstag bei aufgeklärtem Himmel die Trocknung begonnen hatte, war am Sonntag von den Wirkungen des Ergusses nichts mehr übrig als die Staublosigkeit und die allgemeine Frische der Natur. Die Vögel sangen mit Jubel, und die Landleute grüßten sich mit jenen halbfeierlichen, tiefzufriedenen Mienen, die ihnen am heiligen Tage eigen sind, wenn die Sonne
Tobias war in guter, ja heiterer Stimmung. Das allgemeine Vergnügen der Natur und der Menschen wirkte magisch auf ihn, und eine Hoffnung belebte sein Herz, die zur förmlichen Zuversicht wurde. Des Abends ging Alles nach Wunsch. Man aß früher als gewöhnlich, und Kasper eilte sogleich hinweg. Als die Walpurg mit dem Geschirr in die Küche gegangen war, sah der Alte den Erstgeborenen mit einem eigenen Lächeln an und sagte: Nun, gehst du nicht auch ins Wirthshaus? — Tobias, die Frage verstehend, zeigte sich der Situation gerecht und erwiderte mit einem täuschend schlauen Ausdruck: Vorderhand nicht; ich hab' erst noch ein Geschäft abzumachen. Der Vater, der nichts Anderes denken konnte, als daß er sich bei dem Weber das Jawort holen wollte, meinte mit freundlichem Gesicht: So so! Nach einer Pause setzte er hinzu: Nun, ich wünsch' viel Glück, und verließ behaglich das Haus. Die Walpurg folgte ihm, nachdem sie noch den Kühen etwas aufgesteckt hatte, wenige Minuten später — und Tobias war allein.
In der Einsamkeit überkam ihn ein wundersames Gefühl. Es begann in ihm zu beben, erst leise, dann stärker; aber dieses Beben hatte etwas Süßes, das Bangen vor dem Unternehmen war gepaart mit der Lust der Heimlichkeit und mit dem Reiz der lieblichen Erwartung. Er hätte ordentlich noch länger so dasitzen
Mit leisem Gruße, kurz Athem holend, stellte sie sich zu ihm. Die Bewegung, in die das Wagniß am noch hellen Tag auch ihr Gemüth versetzt hatte, gab ihr eine feinere Röthe und ließ ihr ganzes Wesen ätherischer erscheinen — Tobias war von ihrer Schönheit ordentlich geblendet. Sie reichte ihm zärtlich lächelnd die Hand, er drückte sie, die Augen Beider erglänzten — halb zog sie ihn, halb sank er hin — und auf einmal hingen sie im ersten, brennenden Liebeskusse zusammen. Ach, so ein Kuß, im Augenblick des innigsten Verlangens gegeben und empfangen, ist sicher das höchste Glück, das den Sterblichen auf Erden vergönnt ist, und wenn auch nur von der Dauer eines Blitzes, dennoch werth, daß Alles dafür gewagt und Alles dafür erduldet werde! —
Tobias, die Geliebte betrachtend, die im hübschen Sonntagskleide wunderbar vor der grünen Laube stand, rief in tiefgefühltem Flüsterton: O Bäbe, wie kann man
Tobias kehrte zurück. Es ist nichts, sagte er zu der Bäbe. Auch auf dem Feld ist Niemand — wir können ganz außer Sorge sein. — Erheitert schaute das Mädchen den Wackern an, der bei erneuter Röthe des Gesichts und entsprechendem Selbstgefühl wegen bewiesener Geistesgegenwart ein stattlicheres Ansehen erlangt hatte. Sie freute sich, daß er der Gefahr so beherzt entgegengegangen war um sie zu beruhigen, und belohnte ihn mit einem Blick voll Erkenntlichkeit. Dann fragte sie: Du bist so gut, Tobias; — hast du mich denn wirklich so gern? — Wie kannst du nur so fragen, rief Tobias. Ins Feuer thät' ich gehen für dich, wenn's nöthig wär'! Umbringen ließ' ich mich — auf der Stell'! — Nun, entgegnete die Bäbe, so weit wird's nicht kommen! Lächelnd ließ sie ihren Blick auf ihm ruhen. Sie sah, daß er viel versprach, aber sie sah auch, daß er's aus Liebe und aus ganz ehrlichem Herzen that. Sie fühlte, daß er ihr gehörte, und gab sich schweigend der Lust dieser Empfindung hin. Nach einer kleinen Weile rief sie kindlich erfreut und empordeutend: Ei sieh! — Eine Grasmücke hatte auf dem nächsten
Der Abend war köstlich. Die ungewöhnlich klare Luft hatte von den Strahlen der tiefstehenden Sonne einen goldenen Ton erhalten, der ihr Blau lichter und wärmer erscheinen ließ, und die grünen Bäume hoben sich in reinster Frische davon ab. Es war Alles verschönt und wahrhaft verklärt. Die Blumen von dem kleinen Beet hinter dem Hause leuchteten aus dem Schatten mit auffallendem Schein; sogar das Unkraut im Winkel sah fett und behaglich her, und den Nesseln schien es wohl in ihrer stachelgeschützten Haut zu sein.
Die Bäbe fühlte sich so glücklich, daß sie das ernste Gespräch, um dessentwillen sie gekommen war, nicht sogleich beginnen, sondern lieber noch den Augenblick genießen wollte. Sie sah umher und sagte zu Tobias: Wie schön ist's jetzt im Garten! Sieh nur, so hell ist mir der Himmel nie vorgekommen, wie heut, und so schön hab' ich die Vögel noch nie singen hören, mein' ich. Jetzt horch nur! — Tobias horchte ein wenig, sah aber hauptsächlich dem Mädchen ins Gesicht und
Tobias war ernsthaft geworden. Die Mahnung hatte ihn mit einem Ruck aus dem heitern Gebiete der Phantasie in die wirkliche Welt versetzt, wo man sich nicht so frei und schön bewegen kann, sondern vor Hindernissen steht, die aus dem Wege geräumt sein wollen. Bedeutsam nickend, sagte er: 's ist wahr! — Die Bäbe begann: Du hast mir geschrieben, daß du die Sibylle heirathen sollst und nicht weißt, wie du's anfangen sollst, um von ihr am besten loszukommen. Nun sag mir vor Allem Eins: hast du mit ihr, eh' du mich kennen gelernt hast, vom Heirathen gesprochen? — Nein! versetzte Tobias, froh, diese Antwort geben zu können. — Auch mit ihrem Vater nicht? — Nein, wiederholte er. Ich hab' wohl gesehen, daß sie mich gern hätt' und sich vielleicht auch einbildet, ich wolle sie; aber gered't ist nichts worden in der Sach'! — Nun, das ist gut, sagte die Bäbe. Wir haben's also nur mit dem Vater zu thun! — Ja, versetzte Tobias;
Tobias hatte betroffen gehorcht und sah nun sehr betreten vor sich hin. Um ein solches Gespräch mit seinem Vater zu vermeiden, hatte er ja gerade an sie geschrieben und von ihr einen Rath gewünscht — und jetzt war das der Vorschlag, den sie machte? Nun, den hätte er sich auch wohl selber machen können und nicht nöthig gehabt, deßwegen an sie zu schreiben und mit ihr im Garten zusammenzukommen! — Er hatte gedacht, sie wüßte eben ein Mittel, wo er mit seinem
Kleinlaut fragte er: Ist das der Rath, den du mir giebst? — Ja, versetzte die Bäbe; und ich weiß keinen gescheidteren. Das ist der gerade Weg, und der ist immer der beste. Frisch gewagt und gesagt, wie die Sach' ist, und wenn's nicht gleich durchgeht, wie zu vermuthen ist, dann Stand gehalten! — Tobias nickte bedenklich. Diesem Mann so was sagen, erwiderte er, — meinem Vater! — Grad weil's dein Vater ist, versetzte das Mädchen, mußt du vor allen Dingen mit ihm den Versuch machen und ihm die Ehr' anthun! — Ja, entgegnete der Bursche mit einem kuriosen Lächeln, dann wird aber er mir auch die Ehr' anthun — fürcht' ich! —
Die Bäbe verstand diese ironischen Worte nur halb; in der Meinung, Tobias befürchte nur heftigen Widerspruch und Schimpfreden, fuhr sie fort: Nun, den ersten Zorn mußt du eben aushalten. Du hast ja vorhin gesagt, daß du etwas wagen wolltest für mich — oder hab' ich nicht recht gehört? — Ja, erwiderte Tobias, das hab' ich schon gesagt! — Und ganz im Ernst und in bester Meinung hatte er's gesagt. Er wollte etwas, er wollte Alles wagen für die Bäbe; aber es mußte etwas Außerordentliches, Unaussprechliches sein, und besonders etwas, das weit vom väterlichen Hause weg vor sich ging. So etwas, hoffte er, würde die
Ja, begann er nach einer Pause aufs Neue, wagen will ich etwas, ganz natürlich, und recht gern will ich's thun; aber — Er hielt wieder time. — Die Bäbe wurde ungeduldig. Mit einem Ton, der ihre Empfindung verrieth, bemerkte sie: Es scheint, du willst just das wagen, was Niemand von dir verlangt; das, was man verlangt und was nöthig ist, aber gerade nicht! — Nicht so, erwiderte Tobias; aber siehst du, Bäbe, vor meinen Vater hintreten, nach Allem, was jetzt geschehen ist, und nachdem er glaubt, ich sei mit seinem Plan einverstanden — Er stellte sich vor, wie er das machen sollte, dachte sich das Gesicht des Vaters, seine ersten Reden und Antworten — und es war ihm, als ob's eben nicht ginge. Er stand rathlos da.
Die Bäbe fühlte sich ernstlich gekränkt. Sie verzog den schönen Mund und sagte mit dem Nachdruck eines verletzten Herzens: Nun, ich seh' schon, daß du trotz deiner schönen Reden nichts für mich thun willst, daß du mir nur was vorgemacht hast, und daß es mit deiner Lieb' zu mir nichts ist. Ich bin recht dumm gewesen, daß ich geglaubt hab', du hättest mich so gern, wie ich dich! Jetzt seh' ich, wie's steht, und jetzt will ich schnell gehen, eh' man uns hier bei einander sieht und ich mit dir in's Geschrei komm' wegen nichts und wieder nichts! Sie drehte sich, um fortzugehen; Tobias
Das Mädchen war begütigt, und aus dem dunkelbraunen Auge ging ein Strahl auf ihn, der Lieb' und Lob ausdrückte. Das lass' ich mir gefallen, rief sie freundlich. Und sieh, das ist auch bei weitem das Beste, was wir thun können! Man sucht oft etwas in der Ferne und hat's ganz in der Nähe. Ich sag' dir, Tobias: reden, aushalten, und auf seinem Sinn bleiben — das führt zum Ziel. — Nun, versetzte Tobias mit Ergebung, in Gott's Namen! — Aber — du hast ja vorhin gesagt, du wüßtest noch etwas! Möchtest du mir nicht vorher auch noch sagen — ? — Nein, rief die Bäbe mit Nachdruck. Es wäre sündhaft, wenn wir etwas Anderes thäten, eh' du mit deinem Vater gesprochen hast, und eh' wir's mit ihm versucht haben. Wenn's da nicht geht, und wenn Alles nicht hilft, dann ist's immer noch Zeit! — Tobias machte ein Gesicht, das zu sagen schien: Alles gut; aber man könnte doch auch das andere Mittel vorher noch überlegen! — Die Bäbe, die seine Gedanken errieth, fuhr fort: Wenn man zu etwas kommen will in der Welt, muß man sich resolviren können und frischweg thun, was man sich vorgenommen hat. Dann setzt man dem Andern was in den
Tobias hatte hoch aufgehorcht und fand diesen Gedanken sehr schön. Lebhaft erwiderte er: Ja, das ist wahr! — Das Mädchen, den Erfolg ihrer Rede bemerkend, fuhr fort: Und wenn's dann bekannt wird — denn verschwiegen bleibt nichts in der Welt! — daß dein Vater dich zur Sibylle hat zwingen wollen, und hat gemeint, es ging' ganz leicht, weil du eben so gutmüthig bist und gern nachgiebst — hat aber seinen Mann in dir gefunden und selber die Segel streichen müssen —
Nun, fuhr die Bäbe fort, und was ist's denn, was du dafür thun sollst? Eine Zunge hast du und reden kannst du, also hast du nichts mehr nöthig als ein bischen Kurasche. Kann dich dein Vater denn nöthigen, ein Mädchen zu heirathen, die du nicht magst? Wie sollt' er's denn anfangen? Kann er dich in die Kirch' schleppen und dich zwingen, Ja zu sagen? — Tobias zuckte die Achsel und sagte: Das wär' eine neue Manier! Das wird er wohl nicht versuchen! — Ein Einsehen wird er haben, versetzte das Mädchen, still wird er sein, wenn er sieht, was bei dir die Glocke geschlagen hat! Wer sich zu Klei' macht, den fressen die Schwein'; aber wer die Zähne weis't, dem geht man aus dem Weg!
Der Schneider, von der Wahrheit dieser Worte getroffen, war entzündet bis zur ausbrechenden Flamme. Ja, rief er mit einer Art von Entrüstung über sich selbst, du hast Recht! Ich bin ein Narr gewesen, daß ich mir so viel aus dem Mann gemacht und mich vor ihm gefürchtet hab' wie ein kleines Kind! Was kann er denn anfangen mit mir? Wenn er mir was zu Leid thut, so
Plötzlich hielt er inne. Wie durch einen Zauberspruch gelähmt, weiß wie Kreide stand er da und starrte mit halboffenem Munde nach rechts, als ob er dort etwas Entsetzliches erblickte. Die Bäbe sah erschreckt auf ihn; sie meinte, es hätte ihn der Schlag getroffen, und wollte ihn halten. Da rief neben dem Busch eine Stimme voll Grimm und Hohn: So! Das willst du thun? und der alte Schneider trat hervor und heftete seinen Blick auf den Unglücklichen.
Es war kein Ungefähr, das ihn hieher geführt. Kasper hatte in der Alltagsjuppe den Tabak vergessen gehabt, den er in Gesellschaft zweier Kameraden heimlich zu rauchen pflegte; auf dem Weg nach Hause sah
Wie er dastand vor Tobias, hätte er auch einem Andern, der sich gegen ihr vergangen, schrecklich erscheinen können. In dunklem Gewand, die Pelzkappe auf die Stirn gedrückt, die Augenbrauen zusammengezogen und starrend, die Nasenflügel in Bewegung, die Lippen auf einander gepreßt, das ganze Gesicht in dem unheimlichen Schein zurückgehaltener Wuth glänzend, schien er ein böser Geist zu sein, der aus der Erde emporgestie-
Tobias hatte nur das fürchterliche Bild vor Augen und die Strafen, die ihn jetzt wegen des verübten Frevels unausbleiblich treffen müßten. Alle anderen Kräfte waren aus ihm gewichen, er konnte nichts mehr denken und sich vorstellen, er hatte keinen Willen und kein Gedächtniß mehr, er war nichts mehr als ein Gefäß der Sündenangst und der Gerichtsfurcht. Aber plötzlich machte er eine Anstrengung. Es schien, als wolle er sich aus der Betäubung reißen, in die ihn das überraschende Phantom versetzt hatte; als wolle er sich ermannen, den Zauber brechen, der auf ihm lastete, und ein Mensch dem Menschen entgegentreten. Seine Glieder bewegten sich, er erhob den Kopf, wendete sich und — lief davon. —
Die Bäbe hatte sich nach einem kurzen Moment der Betroffenheit gefaßt; aller Muth war ihr gekommen und damit der Gedanke, daß man diesen Ueberfall benutzen müsse, um die Sache sogleich zur Entscheidung zu bringen. Als Tobias sich aufrichtete, hatte sie gehofft, er wollte in diesem Sinne handeln und seine Verzagt-
Auch der Alte sah ihm verachtungsvoll nach und ließ ihn laufen, denn er war seiner Sache sicher. — Mit Strenge wendete er sich zu dem Mädchen und sagte, indem er sie mit geringschätzigen Blicken maß: Was hat die Jungfer hier in meinem Garten zu thun? Wie komm' ich zu der Ehr'? Hab' ich sie eingeladen?
Wenn er glaubte, die Bäbe einschüchtern zu können, wie den Tobias, irrte er sich. Die Geringschätzung seines Blickes mit dem ihrigen übertrumpfend, entgegnete die Beleidigte: Er nicht — aber Sein Sohn hat mich eingeladen; und ich bin gekommen, weil ich geglaubt hab', sein Sohn sei ein Mannsbild und hab' ein Herz und wisse was er wolle! — Sie hat meinen Sohn verführt, rief der Alte, und ihn aufgehetzt gegen seinen
Der Alte sah sie betroffen an. Fühlend, daß er mit Der da nicht fertig würde, sprach er: 's ist genug. Geh' Sie aus meinem Garten 'naus jetzt, und komm' Sie mir nicht wieder! — Mein Sohn ist nicht für so Eine — das lass' Sie sich gesagt sein. — Die Bäbe zuckte verächtlich die Achseln. Hab' Er keine Sorg', Herr Schneidermeister, rief sie ihm entgegen, daß ich von Dem noch was wissen will. Ich bin nicht darauf aus, einen so armseligen Menschen zum Mann — und einen Grobian zum Schwiegervater zu haben! So! Adieu, Herr Eber! — Mit einem Blick voll Ueberlegenheit und Stolz und mit einer Haltung, deren sie ohne die Ausbildung in Ulm nicht wohl fähig gewesen wäre, schritt sie an ihm vorüber und ging auf die Thüre zu, die in den Hof führte, um aufrecht die „Ewend“ des Schneiders zu verlassen.
Dieser schaute ihr erstaunt nach. Er konnte sich eines gewissen Respects, ja einer gewissen Anerkennung ihres Auftretens nicht erwehren. Das ist eine Person! rief er aus. Die hat das Maul am rechten Fleck! Tausendsapperment! Zugleich fühlte er sich aber höchlichst erleichtert. Das Gefühl, daß es jetzt aus sei mit
Tobias war in der Angst sinnlos weggelaufen und seine Beine hatten ihn an etlichen Zwetschgenbäumen vorüber in den Winkel zwischen seinem Haus und dem Nachbarstadel gebracht. Hier befand sich eine Grube, in welche durch eine Oeffnung, die unten am Mauerstück angebracht war, von der Gosse das Regenwasser floß; ein anderer Zufluß kam aus dem Kuhstall, und die Mischung war trefflich zum Bewässern des Grases und zum Begießen der Pflanzen. In seiner Gemüthsverfassung hatte der Bursche an die ihm so wohlbekannte Grube, die gegenwärtig allerdings auch durch üppig herumwuchernde und überhängende Brennesseln fast verdeckt war, nicht gedacht, er sprang hinein, stürzte nach vorne, besudelte sich schlimm und verbrannte sich Gesicht und Hände. Durch den Unfall zur Besinnung gebracht, erhob er sich mit einem Weheruf, trat auf das Unkraut heraus, schüttelte sich und ging endlich mechanisch einige Schritte vorwärts. Was er gethan, wie er gehandelt, stand plötzlich im klarsten Licht vor seiner Seele. Die Flamme der Scham ergriff ihn und brannte ihn stärker als die Nesseln. Mit einem Innern, das noch schlimmer zugerichtet war, als
Die Bäbe war von dem Stelldichein mit dem Gefühl nach Hause gekommen, daß es mit ihr und dem Schneider aus sei und aus sein müsse. In der Aufregung ihres Zorns hatte sie all ihre Selbstbeherrschung nöthig, um sich nichts anmerken zu lassen; sie ging zu Bette, sobald es möglich war, konnte aber lange nicht einschlafen und hätte Thränen vergießen mögen, aus bloßem Verdruß über den Menschen, den sie so gern gehabt, und der sich so kläglich benommen hatte.
Am andern Morgen war die Entrüstung nicht mehr in erster Stärke vorhanden, aber ihrem Spruch mußte der erwägende Verstand beitreten. Wer seinen Vater so fürchtete, wie der Tobias, der wagte und that nie etwas gegen ihn und konnte also nie ihr Mann werden. Aber angenommen, sie bekäme ihn doch noch, so oder
Nach einer so ruhigen Erwägung, wie das verletzte weibliche Selbstgefühl und die Geringschätzung eines Mannsbilds ohne Herz irgend zuließ, beschloß die Bäbe, den Schneider ohne Weiteres aufzugeben — ihn seinem Vater und der schönen Sibylle zu überlassen. Sie traute sich am End' auch noch Einen zu kriegen, und das einen Andern, als so Einen!
Wenn das Verhältniß damit in ihren Augen zu Ende war, so konnte es doch noch üble Folgen für sie haben. Ein Vorfall, wie der gestrige, pflegt im Dorfe nicht leicht verschwiegen zu bleiben, und die Bäbe mußte annehmen, daß außer den beiden Schneidern noch irgend ein schlechter Mensch davon wußte, der die Zusammenkunft dem Alten verrathen hatte. Kam es auf, daß sie bei Tobias heimlich im Garten war, dann hatte sie einen schlimmen Stand im Pfarrhaus und verlor vielleicht den Dienst, der ihr lieb geworden war, und für welchen den Ehestand einzutauschen sie nun keine so nahe Hoffnung mehr hatte.
Indem sie von Tobias den Blick mit Fleiß wegwendete, richtete sie ihn um so mehr auf die Pfarrleute und forschte wiederholt in ihren Mienen, ob sie schon etwas erfahren hätten, oder nicht.
Der geistliche Herr und seine Gattin führten zusammen ein stilles, friedliches und in seiner Art glück-
Daß die Bäbe sich in dieser Familie wohl fühlte, begreift sich um so mehr, als die Leute auch eigenes Vermögen hatten und die Pfarrerin, die einen geordneten Haushalt führte, an nichts zu kargen brauchte, auch nicht am Lohn und an der Beköstigung der Magd. Beide hatten sich aber auch schon an die Bäbe gewöhnt und würden sie ungern vermißt haben. Ihr guter Humor, ihre unverdrossene Art zu arbeiten und ihre natürliche Schmeichelkunst, gegründet auf die schnelle Erkenntniß dessen, was den Menschen angenehm war, hatte sie bald beliebt gemacht, und da sie auch die Probe der
Acht Tage vergingen, und sie bemerkte keine Aenderung in dem Betragen ihrer Herrschaft. Durch vielfache Erfahrung belehrt, wie derartige Vorgänge im Dorf aufzukommen pflegen, mußte sie diesmal im Punkte der Geheimhaltung an ein Wunder glauben. Das Wunder war allerdings geschehen; aber es hatte einen natürlichen Grund.
Der alte Schneider, der nach dem Abgang der Bäbe das seinem Plan entgegenstehende Hinderniß weggeräumt sah, erkannte vor Allem die Nothwendigkeit, dafür zu sorgen, daß Tobias mit dem Mädchen nicht ins Geschrei komme, damit nicht zuletzt die Sibylle empfindlich wurde und von ihm abstand. Er untersagte dem Kasper und der Walpurg, die zur Waschung des Tobias heimgekommen war und ebenfalls eingeweiht werden mußte, das Ausplaudern der Geschichte mit harter Drohung, daß Beide sich hüteten, auch nur davon zu „schnaufen“. — Daß der Bursche selber und die Pfarrmagd die erlebte Schande für sich behalten würden, nahm der Alte mit Recht an; und auf diese Art geschah es, daß ein Skandal, so köstlich zu vernehmen und weiter zu verbreiten, wie ein vergrabener Schatz unbenutzt liegen blieb, und Dorf und Umgegend um die angenehmste Unterhaltung gebracht wurden.
Gegen Tobias verfuhr der Alte anders, als er in der ersten Aufregung gedacht hatte; that aber das Beste, was zunächst geschehen konnte. Er theilte ihm die Ausdrücke mit, deren sich die Bäbe über ihn bedient hatte — und überließ ihn dann sich selbst.
Wer die Eigenthümlichkeit des jungen Schneiders erfaßt hat, der denkt sich, in welchem Gemüthszustand er sich befand. Die Natur, die keinen Widerstand hat für das erschreckende Annahen feindlicher Gewalten, hat auch keinen für die Angriffe der Reue über die Folgen jenes Mangels; der Eigenschaft der Furchtsamkeit entspricht in der Regel das Talent der Selbstquälerei. Wenn aber phantasiebegabte Menschen sich eine Zeitlang über sich selbst täuschen können, so öffnen ihnen gewisse Erfahrungen um so grausamer die Augen, und es beginnt die Schmerzensepoche der Selbsterkenntniß. — Dies bewahrheitete sich nun auch in unserm Burschen.
Nachdem derselbe die Nacht in dumpfer Verzweiflung und kurzem Schlummer voll quälender Träume zugebracht hatte, zerfleischten ihn am folgenden Tage die Furien der Selbstanklage, daß es eine theilnehmende Seele erbarmen mußte. Er konnte nicht begreifen, wie es möglich war, so jämmerlich zu handeln, wie er gehandelt hatte. Und doch war's geschehen — nicht zu läugnen und nicht mehr zu ändern. Er war der erbärmlichste Gesell, der auf der Erde herumwandelte — daran war gar kein Zweifel! Konnte es noch einen Menschen geben, der, anstatt das Maul aufzuthun und
Die Bäbe mußte ihn verachten von Grund ihres Herzens; wenn sie es that und wenn sie ihn jetzt mit keinem Aug' mehr anschaute, so hatte sie vollkommen Recht. Und wenn der Vater ihn behandelte wie einen Buben, so hatte er auch Recht. Denn so einem Menschen, wie er einer war, mußte man's so machen; je ärger, je besser!
Die Wuth über seine Feigheit, die ihn um Alles brachte, steigerte sich eines Abends, wo er allein in der Kammer war, zu einer solchen Höhe, daß er auf sich selber losschlug. Er fühlte aber bald, daß er damit nichts besser machen konnte, und hörte auf mit schmerzlichem Lächeln über seine Tollheit.
Einen Menschen, der nach dem Rieser Wort „aussah, als ob ihn die Hexen geritten hätten,“ konnten Blutsverwandte, wie sehr sie gegen ihn eingenommen waren, nicht mehr höhnen. Man behandelte ihn als einen Kranken, wofür ihn der Vater gegen Andere, um seine Blässe und seine Zurückgezogenheit zu erklären, auch ausgab. Sogar Kasper trug Scheu, eine gewisse Schadenfreude, die er doch noch empfand, merken zu
Die Hoffnungen, die der Alte auf die letzten Reden der Pfarrmagd setzte, gingen übrigens nur zum Theil in Erfüllung. Tobias sah dadurch bestätigt, was er schon vorher wußte: daß das Band der Liebe zerrissen sei, und daß er nicht wagen könne, in dieser Beziehung noch irgend etwas zu unternehmen. Allein der Geliebten die Schmähworte übel zu nehmen und ihr böse zu werden, wie sie ihm, das verhinderte seine Denkweise. Im Gegentheil, er gab ihr auch bei ruhiger Ueberlegung durchaus Recht und schätzte sie nur um so mehr, weil sie auch bei dieser Gelegenheit that, was ihr zukam. — Die Bäbe hatte in allen Stücken gehandelt, wie ein rechtes Mädchen, er dagegen hatte miserabel gehandelt über alle Begriffe, und wenn sie ihm nun die Titel gab, die ihm gebührten, und nichts mehr von ihm wissen wollte, so machte ihr das nur Ehre.
Nach Verfluß einiger Tage wurden die Angriffe,
In der Verfassung, die er erlangt hatte, kam ihm seine Schuld, auch wenn er sie genau betrachtete, doch nicht mehr so ganz unverzeihlich vor. Was konnte er dafür, daß er so ein Mensch war? Er hatte sich diese Gemüthsart nicht gegeben; wenn er vorher gefragt worden wäre, hätte er sich schon eine bessere bestellt! Er war eben, wie ihn Gott geschaffen hatte, und konnte sich so wenig anders machen, wie andere Leute. — Wenn solche Gedanken dazu dienten, ihn ruhiger zu stimmen, so bewirkten sie doch nicht, daß er neue Forderungen erhob. Er konnte nicht dafür, daß er so war, aber weil er so war, so hatte er auch kein Recht auf Ehre und Glück in der Welt; er mußte darauf gefaßt sein, zu Nichts zu kommen, weil er eben nicht der Mann war, sich Etwas zu verschaffen.
Die Ergebung ist jedoch in der Regel auf dem Wege zur Besserung. In ihrem Frieden kommt über
Der alte Schneider sah diesen Fortschritt mit Befriedigung. Da er den Burschen jetzt in der Hand hatte, so wollte er ihn noch nicht drängen, die Sache mit der Sibylle richtig zu machen. Für einen Freier ließ er noch immer zu sehr den Kopf hängen. Aber das mußte in wenigen Tagen aufhören, und dann sollte der Handel rasch abgemacht sein.
Zehn Tage waren verflossen seit jenem tragischen Auseinanderkommen, und Tobias und die Bäbe hatten sich auch nicht aus der Ferne gesehen. Endlich geschah doch, was auf dem Dorf unvermeidlich ist — sie begegneten sich; und zwar in dem Gäßchen zwischen Hecken, das sie früher so liebend und glücklich gesehen. Wie der Bursche das Mädchen von fern erblickte, gab es ihm einen Stich ins Herz; aber er faßte sich und ging mit dem Ausdruck ernster Entsagung an ihr vorüber. Nur von weitem hatte er ihr Gesicht so roth wie früher, aber stolz und gleichgültig gesehen; als sie ihm näher kam, lenkte er den Schritt etwas auf die
Zwei Tage darauf begegneten sie sich wieder — in der Hauptgasse des Dorfs — in schöner, milder Abendstunde, die das Herz unseres vereinsamten Burschen weich gestimmt hatte. Das erstemal war ihm das fremde Wesen des Mädchens natürlich und in der Ordnung erschienen; als er sie aber jetzt mit seinem guten Auge wieder so gegen ihn herankommen und dadurch ihre Unversöhnlichkeit an den Tag legen sah, that es ihm doch weh. Ihm hatte sein Fehler so leid gethan, er hatte so viel ausgestanden, er hatte sie so gern und schätzte sie so hoch — und sie that, als ob sie ihn nie gekannt hätte und er gar nicht in der Welt wäre. Die Augen wurden ihm feucht, als sie mit unveränderter Miene näher kam; und als sie an ihm vorübergegangen war, hatte er Mühe, seine Thränen zurückzuhalten. Das hieß einen Menschen, wie er war, doch gar zu sehr verachten! Daß sie ihn nicht grüßte, war natürlich; aber daß in ihrem Gesicht gar nichts zu sehen war von der alten Liebe, gar keine Spur, daß sie mit einander bekannt gewesen, das war nicht schön, — und er hätte gedacht, daß sie ein besseres Herz hätte!
Würde der Bursche in dieses Herz gesehen haben, so wäre sein Schmerz um ein Gutes linder worden. Ein
Zu Hause bei einer einsamen Arbeit hing sie den in ihr rege gewordenen Gedanken weiter nach. Er hatte sie wirklich geliebt, der gute Tobias, und liebte sie noch — das war augenscheinlich. Wenn er ein rechtes Mannsbild wäre, ja nur ein bischen mehr Kurasche hätte, einen Bessern, was die Gutmüthigkeit und Anhänglichkeit betrifft, könnte sie nicht leicht bekommen. Daß er gar so wenig Schneid' hatte, war doch recht ärgerlich! Sie würde ihm ja den Fehler von jenem Sonntag verzeihen, wenn sie nur sähe, daß er ihn wieder gut machen könnte. Manchmal geht's einem freilich sehr kurios; es ist einem wie angethan und man macht eine Dummheit, die man gar nicht für möglich gehalten hätte; aber dann handelt man das nächste Mal mit Fleiß gescheidter und arbeitet sich wieder heraus. Dem Tobias ist aber das nicht zuzutrauen! Er hätte ein Mädchen werden sollen, so schön und so gutmüthig, wie er war. — Sie lächelte über den Gang, den ihre Gedanken nahmen, und ein Ruf der Pfarrerin schnitt ihn vorläufig ab.
Ein paar Tage später traf sie mit einem Dorfmädchen zusammen, die mit ihr bekannt geworden war und sich vertraulich an sie angeschlossen hatte. Auf die Frage, was es Neues gebe, versetzte die rüstige Dirne
Die Freundin wünschte nun ihrerseits zu erfahren, wie die Bäbe mit dem Tobias denn eigentlich stände. Aber darauf entgegnete diese: Das kann ich dir nicht sagen, lieb's Mädle. Wir stehen eigentlich gar nicht mit einander, und weiß Gott, was noch geschieht. Wenn die Sache ein Gesicht bekommt, sollst du's erfahren. —
Die Nachricht der Kamerädin war gegründet. Der alte Schneider hatte von einem Bekannten gehört, ihm scheine es, als ob der junge Schuster ein Aug' auf die Sibylle habe; dies hatte ihn aufgeregt und bestimmt, den Angriff auf Tobias früher zu unternehmen, als er im Sinn gehabt. Zu seinem Erstaunen fand er den Burschen widerspenstig. Er sei jetzt nicht in der Laune, um ein Mädchen anzuhalten; wenn der Schuster sein Glück versuchen wolle, könne er ihn nicht hindern, und wenn er sie kriege, werde er sich darum auch keinen Tod
Dieser erste Beweis von Selbständigkeit gegenüber seinem Vater, die Ermannung wenigstens zu „passivem Widerstand“, trug unserm Burschen sehr gute Früchte. Die Bäbe kam verwandelt nach Hause: sie sah plötzlich Alles umgekehrt. Der gute Tobias! So brav war er, so treu hing er ihr an, obwohl sie ihn gekränkt und sich angestellt hatte, als kennte sie ihn nicht! Er stemmte sich gegen den Vater und riskirte seinen Zorn um ihretwillen! Und was hatte sie gethan? Sie hatte ihn verachtet und verlassen, weil ihm einmal in seinem Leben etwas begegnet war, das ihr nicht gefiel. Kann das nicht auch andern Leuten geschehen, wenn sie plötzlich erschreckt werden? Hat noch Niemand den Kopf verloren? Ist es noch Keinem passirt, daß er sich nicht mehr „verwißt“ und eine Dummheit gemacht hat, daß es eine Schande war? — Sie hatte wenig Liebe bewiesen bei dieser Gelegenheit, und wenig Geduld! Sie hatte dem braven Menschen Unrecht gethan, großes Unrecht! Aber sie wollt' es auch wieder gut machen, — sobald als möglich!
Am andern Morgen erhielt der junge Schneider
„Wenn du das Geschehene vergessen kannst, und wenn du noch immer der Alte bist gegen mich, so komm heut Abend eine halbe Stunde nach Betläuten in die Nähe des Pfarrhofs; ich hab' mir was ausgedacht, wie wir ungestört mit einander reden können, trau mir's aber nicht aufs Papier herzuschreiben und will dir's lieber sagen. Ich hoff', wir können dann in aller Ruhe
„Auf Wiedersehen, liebster, bester Tobias! — Ich mein' halt, es kann nicht anders sein und du wirst mir doch wieder gut und kommst zu mir. Du wirst dich dann überzeugen, wie ich bin, und wie ernst es mir ist mit meiner Lieb' zu dir, und was ich für dich thun kann, weil ich dich liebe! —
Auch wir werden zusammenkommen, gewiß, und es wird uns noch wohl gehen in diesem Leben! — Ich verbleibe deine bis in den Tod getreue Bäbe.“
Die Wirkung dieses Briefs auf Tobias ist schwer zu beschreiben. Er fühlte ein Entzücken, wie er nicht geglaubt hätte, daß es menschenmöglich wäre. Die Bäbe bat ihn um Verzeihung! Die Bäbe schrieb, er
Das läßt sich hören! Das kann man sich gefallen lassen! — Er fühlte Muth für Zehne, der Glückliche, von der Geliebten Gepriesene! Er wollte mit dem Teufel „reißen“ (raufen), wenn's drauf ankam — um ein Mädchen wie die Bäbe! —
Diesen Gedanken, stillen wie lautwerdenden, gab sich unser Schneider nur in gesicherter Einsamkeit hin. Vor seinen Leuten mäßigte er seine Freude zu dem Ausdruck heiterer Zufriedenheit; und in dieser, die man so lange nicht an ihm gesehen hatte, gefiel er dem Va-
Abends zu der bestimmten Zeit näherte sich Tobias umsichtig dem Zaun des Pfarrhofs. Nicht lange, so kam die Geliebte angewandelt. Mit leiser Stimme, in der aber doch die innigste Freude sehr merkbar sich kundgab, sagte sie: Guten Abend, Tobias, ich dank' dir für dein Kommen! — Und erst ich dir, rief der Gute, ordentlich zerknirscht von seinem Glück. O Bäbe, wie gut bist du! Was thust du Alles für mich, für einen Menschen, der dich — — Still, entgegnete das Mädchen, dazu ist jetzt keine Zeit! Du willst also etwas wagen um meinetwillen, Tobias? Du bist entschlossen? — Zu Allem, Bäbe! Sag's, und auf der Stell' — Fürs Erste handelt es sich um was Anderes. Wenn ich dir meinen Plan auseinandersetzen soll, müssen wir Zeit dazu haben und Ruhe, und die haben wir jetzt nur an Einem Ort. Wirst du aber auch kommen, wann ich dir ihn sage? — In die Hölle geh' ich für dich, rief Tobias. In die Hölle — zum Teufel selber, wenn's sein muß! Nur heraus damit! — Die Bäbe lächelte. In die Hölle sollst du nicht, im Gegentheil, du sollst an einen ganz andern Ort! — Also ins Paradies! versetzte der Schneider mit Feinheit. — Wenn du's dafür nehmen willst! entgegnete das Mädchen erheitert. Kurz von der Sach': ins Pfarrhaus sollst du kommen, wann Alles schläft — zu mir — in meine Kammer!
Diese Wort trafen den Burschen wie ein Donner-
Die Bäbe mußte ihr von Unmuth gedrücktes Herz
Der Gesichtspunkt, den er in Bezug auf sein neues Unternehmen gewonnen hatte, bewährte sich nicht nur am selben Abend noch, sondern auch am andern Tage. Er war heiter erwacht und machte sich im Laufe des Vormittags die schönsten Vorstellungen von der Zusammenkunft und ihrem Ergebniß. In Folge davon erlangte er eine Munterkeit, die endlich zum förmlichen Uebermuth gedieh. Beim Mittagessen blieb er keine Rede schuldig und hatte Einfälle, worauf die Andern entweder lachen oder schweigen mußten. Wie schnell sich doch jung' Leut' wieder trösten! sagte die Walpurg in der Küche für sich, als sie das Geschirre spülte.
Der Alte hatte einen ähnlichen Gedanken, knüpfte aber einen Vorsatz daran. Er schickte den Kasper in den Hof und sagte dann zu Tobias: Nun, du scheinst dein trauriges Wesen jetzt ganz ausgeschwitzt zu haben. — Ist endlich die Zeit gekommen, wo du dein Versprechen halten kannst? — Diese Frage hätte den Tobias zu einer andern Zeit in Verlegenheit gebracht. Jetzt, im
Heut Nacht? fragte der Alte, indem er das letzte Wort betonte. Ja wohl, erwiderte der Sohn; bei den Mädchen richtet man da am meisten aus. Ich will's frisch angreifen und der Sach' mit Einemmal ein End' machen. — Ei, rief der Alte, indem ein Schmunzeln über seinen Ernst siegte, du hast dich aber gebessert! Seht, seht! Am End' erleb' ich noch meine Freud' an dir! — Ich hoff's, versetzte Tobias. An mir soll's wenigstens nicht fehlen!
Diese schöne, muthige Stimmung währte mit leichten Schwankungen den ganzen Tag. Als es zu dunkeln begann, trat der Bursche vor seinen Vater und
Er schlug den Weg zum Hause der Sibylle ein. Diese Vorsicht war sehr nöthig. Der Alte, plötzlich von einem Gedanken beunruhigt, verließ bald nach seinem Abgang die Stube, um vom Hof die Gasse hinabzusehen, die zum Weber führte. Als er den Sohn langsam darauf hinschlendern sah, freute sich seine Seele; er ging ins Wirthshaus zurück, bestellte noch eine Maß Braunes und pflanzte sich in die Ecke mit einem Be-
Tobias ging bis zum Hause des Webers. Die Fenster waren dunkel — die Leute zu Bette. Da er noch Zeit herumzubringen hatte, so folgte er einem Gelüsten, das plötzlich in ihm aufgestiegen war. Er ging ums Haus und stieg über den niedern Zaun in den Garten, auf welchen das Kammerfenster der Sibylle hinaus ging. Hier war noch Licht. Der Bursche näherte sich demselben bis auf einige Schritte, blieb dann stehen und weidete sich an der Möglichkeit, etwas thun zu können, was er zu unterlassen entschlossen war. Du gute Sibylle, dachte er: dir könnte ich eine Freude machen — wenn ich möcht'! Aber Jeder ist sich selbst der Nächste. — Das Licht erlosch. Sie geht zu Bett, sagte er zu sich. Nun, sie mag schlafen! — Er ging vorsichtig zurück, stieg auf den Wasen hinaus und schlug den Weg ein, der zum Pfarrhaus führte.
Auf dem Gang zur Sibylle war er ruhig; als er aber langsam dem Ziel des Abends entgegenwandelte, fing sein Herz an zu schlagen. Er verwunderte sich über die erneuerte Bangigkeit, wo er doch ganz entschlossen gewesen war, und ärgerte sich darüber; aber das bewirkte nicht, daß sie nachließ. Das Herzklopfen und Beben dauerte fort und gerieth in einen Gang, als ob es heute nicht leicht mehr aufhören wollte. Am Zaun des Pfarrhofes angekommen, machte er Halt und verlor sich wartend in dumpfes Sinnen. Auf einmal schlug
Indem er sich vorsichtig umschaute und zu seinem Troste Niemand gewahrte, schlich er zu der Hofthüre, öffnete sie, lehnte sie wieder an und zog sich hinter den Holderbaum zurück. Hier konnte er nicht gesehen werden, aber auf den Ruf der Geliebten gleich erscheinen.
Die Stille des Grabes umgab ihn. Die dunkle Nacht, die nur von einzelnen, zwischen Wolken vorblickenden Sternen erhellt war, der heilige Bezirk, in dem er sich befand, und der ganze feierliche Umkreis stimmten ihn ernst und ernster. Er begann zu überlegen, was er eigentlich im Sinn habe, und wie es ausfallen könnte. Bei tieferregter Empfindung, bei einem Geist, der durch Furcht und Sorge geschärft und zu lebhaften Vorstellungen befähigt war, sah er die Größe seines Wagnisses in hellem Licht und wurde besonders durch diejenige Seite des Unternehmens getroffen, wonach es als eine Entweihung des Pfarrhauses angesehen werden konnte. Zur Nachtzeit, heimlich wie ein Dieb, drang er in die Wohnung des Geistlichen! — Wenn es nun unglücklich ablief? Wenn die Pfarrleute erwachten und ihn bei dem Mädchen trafen, was dachten diese von ihm? — Daß er der unverschämteste und gottloseste Mensch sei auf der ganzen Welt! Und sie behandelten ihn, wie er's
Diese Gedanken und Vorstellungen erzeugten sich unaufhaltsam nach einander in ihm und versetzten ihn in eine Besorgniß, eine Angst, daß er unwillkürlich hinter dem Baume vortrat und seinen Blick nach der Hofthüre richtete. Es war der böse Feind, der die Bäbe bewogen hatte, ihm diesen Vorschlag zu machen und ihn und sie zu Grunde zu richten! Das war ja grade das Allerschlimmste und Allergefährlichste, was sie unternehmen konnten! — Und mußte er ihr nun folgen, bloß weil er's versprochen hatte? War es nicht vielmehr seine Pflicht, für sie gescheidt zu sein und sich in die Gefahr, worin sie umkommen würden, gar nicht zu begeben? War es nicht jetzt, wo es noch Zeit war, das Allerbeste für Beide, wenn er den Pfarrhof sachte verließ und ruhig nach Hause ging?
In dem Augenblick, wo er diese Erwägung machte, drehte sich ein Schlüssel im Schloß der Hausthüre, und wie von selber trug ihn sein Fuß hinter den Baum. Die Thüre ging auf, die Bäbe trat auf die Schwelle
Es war geschehen. Der Pfad war ihm gewiesen, er konnte nicht mehr zurück und mußte vorwärts — zum Heil oder zum Verderben. Aber wie sollte er vorwärts? Die Bäbe hatte die Thür wieder zugemacht und eingeklinkt — tiefes Dunkel umfing sie. In der schauerlichen Finsterniß wurde ihm das Schwarze seiner That wieder recht fühlbar, und das Herzklopfen begann aufs Neue. Er ergriff die Hand der Bäbe mit dem Instinct der Furcht, die nach der Verbindung mit dem Muthe trachtet, und drückte sie — die gute Bäbe meinte, aus Liebe! Aber gleich sollte sie enttäuscht werden. Bäbe, flüsterte der Schneider, eh' wir weiter gehen, laß uns überlegen! In dem Haus ist's fürchterlich dunkel, ich seh' nicht einen Stich und bin nicht so bekannt hier,
Mit dem Wohlwollen halb einer Liebenden, halb einer Mutter, sagte sie: Du hast Recht. Weißt was? Ich kenn' mich um so besser aus hier, und ich „gock'“ dich hinauf (trage dich Huckepack). — Ah, entgegnete der Schneider, durch diesen Vorschlag höchlich überrascht, Gocken! — was fällt dir ein! — Nun, versetzte die Bäbe mit einem Lächeln, das Tobias nicht sah, wohl aber aus dem Ton entnehmen konnte, — glaubst etwa, du bist mir zu schwer? — In dieser Frage und in der muntern Art, womit sie gestellt war, schien dem Burschen ein Stich auf die Schmächtigkeit seiner Figur zu liegen; ein gewisser Schneiderstolz rührte sich in ihm und gesellte sich zu der Furcht, und mit dem abweisen-
Der Unmuth hatte sie die letzten Worte etwas
Die rüstige Bäbe trug den eben so geliebten wie leichten Schneider ohne Schwierigkeit die Stiege hinan. Da sie in Strümpfen ging, so war ihr Tritt fast unhörbar, und mit Sicherheit wurde eine Stufe um die andere überschritten. Tobias hatte die seltsamsten Gefühle. Ihm war's, als ob er träumte — und doch war's keine Einbildung, was ihm widerfuhr. Er hielt mit seinen Armen den Hals der Geliebten umschlungen und fühlte an seinen Händen den Hauch ihres Mundes. — Wie mußte sie ihn lieben, die gute Bäbe, daß sie das für ihn that und für ihn riskirte! Ja, sie hatte ihn wirklich gern! Sie war brav, sie war herzhaft und
Die letzte Stufe war überschritten. Oben auf dem Gang war es heller, als sie hätten erwarten können. Der abnehmende Mond war aufgegangen, die Wolken im Osten hatten sich verzogen, und der Schein fiel durch das hintere Fenster. Mit um so größerer Sicherheit getraute sich die Bäbe geräuschlos an der Thüre des Schlafzimmers vorbeizukommen, das auf der Gartenseite lag. Sie wendete sich und ging vorwärts. Als sie aber noch zwei Schritte von der Thüre entfernt war, fing es drinnen an zu husten. Es war der geistliche Herr, der an solchen Anfällen zu leiden pflegte. Er hustete stark, nachhaltig, und mußte völlig wach sein. Die Möglichkeit, gehört und entdeckt tu werden, schreckte einen Moment auch das Herz des Mädchens.
Den Schneider überkam eine unaussprechliche Angst. Bei dem ersten Laut in der Kammer hatte er mit seinen Händen instinctmäßig den Kopf der Bäbe zurückgezogen, wie ein Reiter die Zügel anzieht, und sein Herzklopfen war so stark geworden, daß es die Trägerin an ihrer Schulter spürte. Schnell ergriff sie seine rechte Hand und gab ihr einen Druck, der die Bedeutung hatte: Um Gotteswillen, sei ruhig! — und stand. Und Tobias ermannte sich; er ließ ihren Kopf und Hals in Frieden, hielt sich gelassen fest und blieb stumm. Das Schlagen seines Herzens und das Athmen der Angst zu verhindern, ging natürlich über seine Kräfte.
Nach zwei peinlichen Minuten wurde das Husten schwächer, und endlich hörte es ganz auf. Die Bäbe setzte sich wieder in Marsch. Sie schritt beherzt an der Thür vorüber und unaufhaltsam weiter in dem Gang, bis sie an das entgegengesetzte Fenster kam. Dann öffnete sie links an der Wand eine Thüre, die geräuschlos aufging, weil die Kluge sie vorher geölt hatte, bückte sich, trat ein und ließ den Schneider vorsichtig herunter. Unverweilt machte sie die Thüre wieder zu und schob sachte ein kleines Riegelchen vor. Ein wenig Quieken des Eisens bei dieser Gelegenheit ging dem Burschen noch durch die Seele. Doch — der Hafen war erreicht, die Fracht geborgen.
Die Kammer der Bäbe machte auch bei der gegenwärtigen Beleuchtung den Eindruck der Sauberkeit und Nettigkeit. Auf der Seite gegenüber der Thüre stand das Bett, das schön gemacht war, und davor ein Stuhl, auf welchem ein Oberkleid lag. Hinter dem Bett erhob sich ein Tisch mit Leuchter, Wasch- und Trinkgefäß. An der Thürseite lag ein Schrein, der die Habseligkeiten des Mädchens enthielt, und die Wand zierte ein Spiegel mit einem kleinen Bild, dem Präsent einer Ulmer Freundin. Das Alles war sehr einfach, aber ansprechend vertheilt und ein Beweis für die Ordnungsliebe des Mädchens.
Tobias, der sich nach dem Vorschieben des Riegels von seiner Bangigkeit erholt hatte, sah beim Schein der Sterne, die zum offenen Fenster hereinblickten, umher
Mit den Armen sich umfassend und Wang' an Wange gelehnt, saßen sie ein Weilchen ohne zu sprechen. Es dünkte den Burschen hier so schön und so reizend, daß er sein Sträuben herauf zu kommen, schwer begreiflich fand. In dem Glück, das ihn erfüllte, wurde sein Herz gerührt durch die Liebe und den Muth, welchen die Bäbe bewiesen hatte, damit sie so weit kamen, wie sie waren. Er fühlte, daß er ihr Alles zu danken hatte, daß sie ihn glücklich gemacht habe trotz seines Widerstrebens, und indem sie für ihre Person Alles aufs Spiel setzte. Sein Herz zerschmolz in Dankgefühl, und der Strom desselben stieg endlich empor und öffnete ihm unwiderstehlich die Lippen.
O Bäbe, rief er mit der Innigkeit eines bewegten Herzens, o Bäbe, was bist du für ein Mädchen! Du unternimmst so viel und riskirst so viel für mich, als ob ich der Fürnehmst' wär' in der Welt! Und weiß Gott, ich bin's nicht! Wenn ich noch so gute Vorsätz' fass', immer gerath ich wieder in meine Dummheiten und benehme mich — nein, ich bin's nicht werth, was für mich
Das Mädchen, dessen Ungeduld bei diesen Reden begreiflich gewachsen war, erkannte, daß sie einen andern Ton anschlagen mußte; sie erwiderte resolut: Nun, so mag's drin bleiben in dir! Wenn wir einmal Mann und Frau sind, dann stehen wir zusammen, und wenn's bei dir fehlt, dann bin ich da! — Ja, rief Tobias, das ist auch mein Trost! du bist für mich geboren, und wenn ich dich hab', dann trau' ich mir selber etwas zu. Daß du mich nur magst, das ist das Wunderbare! Aber du bist halt ein gutes, liebes Mädchen, — und hast das beste Herz in der ganzen Welt!
Während dieser Erwiderung hatte er den Arm um sie geschlungen und streichelte mit der andern Hand das Haar und die Wange der Geliebten so zärtlich als nur möglich. Gott sei Dank, sagte sich diese erfreut, er wird wieder vernünftig! Und liebevoll entgegnete sie: Warum soll das ein Wunder sein, daß ich dich mag? Du bist der beste Mensch, der mir in meinem Leben vorgekommen ist, und hast mich so lieb und hältst so viel auf mich — wo könnt' ich denn einen bessern Mann finden, als dich? Und was du auch an dir haben magst, sieh, wenn ich jetzt die Wahl hätt' unter allen
Das war zu viel für den Schneider. Von einem Wonneblitz durchzuckt stand er auf, zog die Bäbe mit empor, und die Liebenden, für einander Geborenen, fielen sich in überquellender Zärtlichkeit in die Arme und küßten sich nach dem Bedürfniß ihres Herzens. Der Kopf des Tobias fing an zu wirbeln; im Rausche der Glückseligkeit ward jeder Blutstropf in ihm ein Mann; er fühlte sich von einer Kraft und einem Muthe durchgossen, daß es ihm eine Kleinigkeit gedünkt hätte, nun seinerseits die Geliebte zu tragen, wohin sie wollte. Mit einer gewaltigen Stärke preßte er sie an sich, als wollte er sie nie wieder loslassen; die Bäbe hauchte bittend: Tobias! und suchte seine Glut zu mäßigen —
In demselben Momente pochte es an die Thüre. Das Liebespaar fuhr zusammen, stand und horchte athemlos. Bäbe, rief es draußen. Das Mädchen, unwissend, was sie antworten sollte, schwieg. Bäbe! wiederholte es stärker. — Es war die Pfarrerin. — Hatte sie etwas gehört? — bedurfte sie ihrer sonst? — Was es sein mochte: die Bäbe hatte ihre ganze Geistesgegenwart wieder. Nach einem schläfriggedehnten „Ah“, als ob sie etwa erwachte, fragte sie: Wer — ruft? — Ich, die Pfarrerin, — erwiderte es draußen. Kennst du meine Stimme nicht mehr, oder bist du noch im Schlaf? — Der Ton dieser Worte hatte etwas Eigenthümliches, was der zur Bildsäule gewordene Tobias nicht heraus-
Die Bäbe stand mit wogendem Busen und glühenden Wangen da. Die Stimme der Frau hatte denselben Klang behalten — sie konnte fast nicht mehr zweifeln, daß die Schlaue gesehen oder gehört hatte, was geschehen war. Möglich, daß sie sich doch irrte, und daß nur das böse Gewissen sie den Spott heraushören ließ! — Möglich, aber nicht wahrscheinlich! — Nach einem Moment der Ueberlegung faßte sie einen Entschluß nach dem Gebot ihres Argwohns — und sie that wohl daran.
Die Pfarrerin wußte allerdings, wer im Hause war. Die gereizten Worte der Bäbe, mit denen sie im Haustennen dem Burschen seine Zaghaftigkeit verwiesen hatte,
Im ersten Moment konnte sie sich nicht enthalten, das eigenthümlich Lächerliche derselben und eine gewisse Freude über die Entdeckung zu empfinden. Aber diese Regung wich alsbald der Entrüstung über die Dreistigkeit des Mädchens und über den ihrem Haus angethanen Schimpf. — Was sollte sie beginnen? Wenn sie die Thür öffnete und das Paar überraschte, versuchte der Bursche zu entspringen, es gab Lärm, und der Herr, den sie sich mindestens halb wach denken mußte, vernahm den Skandal! Er, der solchen Unfug gar nicht für möglich hielt, gerieth außer sich, kam in Amtseifer — und der Skandal wurde öffentlich. Konnte sie sich aber ruhig verhalten und dem Leichtsinn, der Frechheit das Feld überlassen? Unmöglich! — Das Husten des Gatten, das sich endlich, wenn auch minder stark, erneuerte, gab ihr eine Idee. Sie trat an sein Bett und sagte: Du hast's heut wieder stark, lieber Mann; ich
Nach gefaßtem Entschluß wandte sich die Bäbe zu dem Burschen. — Dieser hatte in der kurzen Zeit die seltsamste Reihe von Gefühlen durchlaufen. Als er in dem Zuruf die Stimme der Pfarrerin erkannte, wirkte dieselbe, namentlich in der verstärkten Wiederholung, wie ein Posaunenstoß des jüngsten Gerichts. Die Blutstropfen in seinen Adern, die noch eben krafterfüllt und angriffsmuthig wie Löwen sich erhoben hatten, rannten und taumelten durch einander, wie eine vom Wolf angefallene Schafheerde; mit Muhe hielt er sich aufrecht. Die Geistesgegenwart des Mädchens, das täuschende Spiel des Aufwachens und Aufstehens erfüllte ihn mit Staunen über solch unbegreifliche Geschicklichkeit; er traute
Der Abgang der Pfarrerin stärkte diese Hoffnung bedeutend. Um so inniger trachtete seine Seele nun, aus dem Hause zu kommen, und er war eben im Begriff, der Bäbe einen Vorschlag zu machen, als diese zu ihm sprach: Tobias, wir können nicht länger beisammen bleiben, du mußt fort! — Sag nichts dagegen, setzte sie hinzu, als dieser sich anschickte, seine vollkommenste Beistimmung auszudrücken, es geht nicht anders, du mußt aus dem Hause! — Ich hab' ja gar nichts dagegen, erwiderte der Schneider lebhaft; ich seh's ein, es geht nicht anders! — Das ist mir lieb, versetzte das Mädchen. Nach einer kleinen Pause fuhr sie mit weicher, trauriger Stimme fort, indem sie die Hand liebevoll auf seine Schulter legte: O Tobias, es ist recht schade, daß wir nicht beisammen bleiben können! Wir haben bis jetzt wenig Glück mit einander gehabt; aber ich hoff', es wird sich eine andere Gelegenheit finden.
An der Hausthüre machte das Mädchen Halt, ließ ihre Bürde langsam auf den Boden gleiten und öffnete die Thüre. Ihrer Meinung nach hatte sich der Liebhaber in der zweiten Hälfte des Unternehmens doch ganz wohl benommen und seine anfängliche Zaghaftigkeit wieder gut gemacht. Als sie ihn nun wiederum entlassen sollte, ohne mit ihm zur Sache gekommen zu sein und seine Seele durch Mittheilung ihres Plans beruhigt zu haben, fühlte sie einen Antrieb, ihn zu entschädigen; sie umfaßte ihn und gab ihm einen Kuß voll inniger Zärtlichkeit, machte sich auch nichts daraus, daß er ein wenig hörbar endete — was fragte sie nach den Leuten? Dem Schneider hätte dieser Kuß bei anderer Gelegenheit wundersam gemundet; jetzt würdigte er seine Süßigkeit nur
Die Bäbe schloß die Thüre, ging in die zu ebener Erde befindliche Küche, machte Feuer, und bei der Ankunft der Pfarrerin war der Thee fertig. Als sie derselben die Gefäße überreichte, glaubte sie durch den Ernst ihres Gesichts eine gewisse Schadenfreude durchblicken zu sehen. Dies bestärkte sie in ihrem Argwohn, und sie machte sich auf eine bezügliche Anrede gefaßt. Die Pfarrerin sagte indeß nichts als: Gut, nun kannst du wieder zu Bett gehen, und entfernte sich. Während der alte Herr trank, wandelte die Bäbe still in ihre Kammer zurück; und nach Verfluß einer halben Stunde herrschte die vollkommenste Ruhe im Hause. Dem Pfarrer hatte der Thee die Wohlthat des Schlummers verschafft, der Pfarrerin die gelungene Verhinderung des Aergernisses, der Bäbe ihre gesunde Natur und der Entschluß, muthig Allem zu begegnen, was das Geschick gegen sie im Schilde führen mochte.
Anders endete das Abenteuer für den Schneider. Als dieser durch das Hofthor unangefochten auf die Gasse gelangt war, athmete er tief auf und kostete von Grund aus das Glück der Rettung. Daß das Aergerniß seines Betroffenwerdens bei der Pfarrmagd vermieden worden war, konnte er nicht dankbar genug bewundern und preisen. Er ging vorwärts und sog in durstigen
In die Hauptgasse einbiegend und im Schatten der Gebäude hinschlendernd, ward er frei von den letzten Spuren der Erregtheit, und seine Seele ging zurück in die Erlebnisse des Abends. Er vergegenwärtigte sich diese so deutlich, daß er sie ordentlich wiedererlebte. Er kam an im Hof und im Pfarrhaus; er ward in die Kammer getragen; er saß neben der Geliebten auf dem Schrein! — Hier blieb die Phantasie haften. Es war doch schön, als er so neben ihr saß! — und daß sie so gestört wurden, fatal, über alle Maßen fatal! — Am Ende — was hatten sie denn vor? — Sie wollten sich heirathen; und weil man sie nicht zusammenließ, wollten sie berathen, was sie zu thun hätten, um doch ans Ziel zu gelangen! — Kann man etwas Besseres thun, als sich heirathen? — Wenn man sich aber heirathen will, dann muß man doch nothwendig vorher ein paarmal zusammen kommen und mit einander reden, und zwar allein und ungestört mit einander reden! —
Als seine Gedanken diesen Lauf genommen hatten, fand es Tobias schwer begreiflich, daß die Menschen zweien Liebenden aus ihrem heimlichen Zusammensein ein Verbrechen machen wollten. Ja, er fand es impertinent
Unser Bursche, auf dieser Höhe der Betrachtung angelangt, empfand die von den Liebenden aller Zeiten beklagte Anmaßung der Welt so tief — er war von der Wahrheit, daß andere Leute hier eigentlich gar nichts drein zu reden haben, so gänzlich überzeugt, er war so voll von seinem Recht, die Bäbe zu lieben und zu ihr zu gehen und glücklich zu sein, daß er sich nicht mehr begnügen konnte, bloß stille Gedanken zu bilden, sondern laut und mit kräftiger Betonung ausrief: Donnerwetter! ich möcht' wirklich wissen, wen das was anging'!
Auf einmal bekam er von hinten eine Ohrfeige, daß ihm für den Moment Hören und Sehen verging. Rasch folgten zwei andre nach, und eine Stimme voll Wuth und Hohn rief: Da, du Racker! Ich will dir zeigen, wen das was angeht! — Es war der alte Schneider. —
Tobias, durch die Stimme wieder zu sich gebracht, fühlte über die erlittene Beschimpfung einen Zorn, der sogar über seinen Schrecken Herr wurde; sich schnell umdrehend, streckte er dem Alten, der die Hand wieder erhob, den Arm entgegen, stieß ihn seinerseits unter das Kinn und rief ergrimmt: Ich bin kein Bub' mehr! Ich laß' mich nicht schlagen! — So, rief der Alte, durch
Der alte Schneider hatte in der Freude seines Herzens im Wirthshaus fortgetrunken und war bis nach elf Uhr geblieben. Als er gemüthlich heimging, begegnete ihm ein junger Mensch, der mit ihm verwandt war, und den er in seinem Behagen scherzend fragte: Nun, Hans, was streichst denn du noch auf der Gass' herum? Kriegt etwa die Ev' noch eine Visit'? — Das könnt' ich nicht sagen, Vetter, entgegnete der Bursch, indem er ihm spöttisch lächelnd ins Gesicht sah; es sind nicht alle Leut' so keck, wie Euer Tobias! Wißt Ihr, wo der ist? — Nun, versetzte der Schneider, ich kann mir's denken. Er macht's halt wie die Andern! — So? erwiderte der Bursch, es ist Euch also recht, Vetter, daß er zu der Pfarrmagd geht?
Was, rief der Schneider auffahrend, bei der Pfarrmagd ist er? — Allerdings; ich hab's mit meinen eigenen Augen gesehen, wie sie ihn zur Hausthür hineingelassen hat! — 's kann nicht sein, schrie der Alte. Du hast dich versehen! — Nun, entgegnete der Bursche
Doch es ging besser, als er dachte. Ueberraschend bald sah er von der Ecke der Haupt- und der Quergasse, wo er sich aufgestellt hatte, Tobias aus dem Pfarrhof schleichen, wodurch seine Wuth freilich nicht gemindert wurde. Er eilte voraus, stellte sich in einem Winkel hinter seinem Nachbarhaus auf und lauerte mit geballten Fäusten, um auf sein Schlachtopfer hervorzustürzen.
Er schlug, bis der Zorn in ihm völlig satt war — mehr als genug für Tobias. Als er endlich nachließ, erhob sich der Gezüchtigte mit Mühe und stieß, vor Wuth und Scham heulend, die Worte aus: Das ist schändlich! Ich geh' nie mehr in dein Haus! Fort! Laß mich fort! — Du gehst mit mir, versetzte der Alte mit dem Tone der Allgewalt, faßte ihn mit seiner Rechten, wie mit einem eisernen Haken, und zog ihn mit sich. Anfangs stemmte sich der Arme, dann ließ er sich zerren, und endlich ging er wie ein Lamm ins Haus. Todtmüde, in jedem Betracht gemartert und zerschlagen, hatte er kein anderes Verlangen mehr, als zu Bette zu
Es giebt Menschen, denen Alles hingeht; sie wagen unbedenklich das Keckste, und es gelingt ihnen; sie greifen rücksichtslos durch, ohne sich im Geringsten um die Ansprüche Anderer zu kümmern, und werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Während ihre Überschreitungen ohne Ahndung bleiben, ist ihre Kühnheit zuletzt mit Genuß und Ruhm gekrönt. Müßten sie Strafe leiden, sie würden sich nichts daraus machen — aber sie werden nicht gestraft; es ist, als ob sie einen Freibrief erhalten hätten oder die ausübende Macht der Gerechtigkeit Scheu trüge, sich mit ihnen einzulassen.
Andere dagegen verfolgt die Nemesis unerbittlich. Die geringste Abweichung von der Linie des Gesetzes wird gerächt; eine kleine Schelmerei wird als Vergehen, ja als Verbrechen behandelt; erdreisten sie sich aber einmal eines kühnern Wagnisses, dann wirft die Göttin, gleichsam empört über solche Anmaßung, ihre schärfsten Geschosse gegen sie und stürzt sie erbarmungslos in den Abgrund der Schmach und der Schmerzen. Und sie begnügt sich nicht mit der einmal verübten Rache; sie läßt
Tobias schlief ununterbrochen bis zum hellen Morgen. Als er erwachte, hatte er ein dumpfes Gefühl von körperlichem und geistigem Weh. Er erinnerte sich, die Erlebnisse der vergangenen Nacht traten vor seine Seele bis zum letzten, und die erlittene Schmach ging ihm siedendheiß durch den Leib. Er athmete schwer und sah, aufs Tiefste gekränkt und gequält, vor sich hin.
Von den Empfindungen, die in schmerzender Verwirrung durch seine Seele gingen, blieb zuletzt eine stehen. Er hatte etwas erfahren, das sich Niemand gefallen lassen darf, wenn noch ein Funke von Ehrgefühl in ihm ist. Eine solche Behandlung durfte nicht mehr vorkommen, er durfte sie nicht dulden — und wenn Alles zu Grunde ging! — Aus der Pein und der Entrüstung erhob sich ein Geist des Trotzes in ihm; ein Durst nach Rache erfaßte ihn, und er befriedigte sein Gemüth nur durch den festen Entschluß: nun auf keinen Fall nachzugeben, sondern der Bäbe treu zu bleiben, und wenn sich die ganze Welt darüber zu Tod ärgerte!
Das Aergste war geschehen. Der Vater hatte ihn gezüchtigt wie einen Buben, hatte ihn über alle Begriffe schmählich tractirt. Was konnte ihm jetzt noch widerfahren? Was hatte er noch zu verlieren? — Jetzt ging's in Einem hin, was noch geschah. Auf etwas
Die Wahrheit war an den Tag gekommen und nicht mehr zu vertuschen. Keine Ausrede, keine Lüge half mehr. Jetzt galt es, bei der Wahrheit zu bleiben und auszuhalten und gradaus vorwärts zu gehen.
Für ihn gab es jetzt nur noch Eine Pflicht in der Welt. Die Leute hatten ihren Spott mit ihm und ärgerten ihn; der Vater und der Bruder verachteten ihn und thaten ihm Böses an, so viel sie konnten; nur die Bäbe hatte ihn gern — sie hielt Alles auf ihn und schätzte ihn so hoch mit allen seinen Fehlern. Sie war die einzige Seele, die's wirklich gut mit ihm meinte — die einzige auf der ganzen Welt! Von ihr nicht zu lassen, ihr anzuhangen und ihr alles Liebe und Gute zu thun, was er nur vermochte, das war das Einzige, was er jetzt noch zu thun hatte.
Thränen füllten die Augen des guten Burschen, als er in der Hülle und Fülle seiner Schmach an die Liebe der Bäbe dachte, an die Freundschaft und die Güte, die sie ihm bis jetzt bewiesen hatte. In der Rührung seines Herzens erneuerte er das Gelöbniß der Treue mit feierlichen Betheurungen und faßte wiederholt den Entschluß, um ihretwillen Alles zu dulden, was der Teufel ihm auch noch anthun mochte! Und nun, in dieser Verfassung, schämte er sich nur der Scham und der Furcht vor den Leuten. Daß er im Pfarrhause solche Angst hatte, und daß er so froh war, es im Rücken zu haben, — das war elend
Solche Gedanken und Empfindungen übten schließlich auf den Burschen eine tröstende, stärkende Wirkung. Der Vorsatz, unbedingt Alles auszuhalten um der Geliebten willen, und das Gefühl, ihrer dadurch immer würdiger zu werden, warfen einen veredelnden Schein auch auf die bisher erduldete Schmach; sie beruhigten ihn und gaben ihm Haltung, sogar eine Art von Würde. — Er kleidete sich an und ging hinunter in die Stube.
Bei dem Vater, der auf der Bank saß, stand die Walpurg; Tobias konnte, ohne sich etwas zu vergeben, guten Morgen sagen, und er that es mit ruhigem Ernst, und möglichst in der hergebrachten Weise. Die Haushälterin dankte freundlich, und sogar der Alte gab mit geschlossenen Lippen eine Art Laut von sich, der als eine Erwiderung gelten konnte. Man rief den Kaspar von der Kammer und aß die Morgensuppe.
Der alte Schneider, als er frühmorgens neben dem schnarchenden Kaspar erwachte, hatte doch eine gemischte Empfindung gehabt. Der Sohn hatte eine Züchtigung verdient, das war augenscheinlich; aber die Art, wie er sie ihm angedeihen ließ, war doch sehr stark. Er hätte ihm ein Glied abschlagen können und mußte jetzt nur froh sein,
Daß der Alte und Tobias „solche Gesichter machten“, fiel der Walpurg auf; allein sie hatte, im ersten Schlafe liegend, von dem Auftritt auf der Gasse so wenig vernommen wie Kaspar, und wenn sie nun auch denken mußte, daß die Beiden wieder einen Stuß mit einander gehabt, so war ihre Seele doch weit entfernt, die Wahrheit zu errathen.
Nachdem die Löffel am Tischtuch abgewischt und in die Tischlade gelegt waren, ordnete der Vater die Arbeiten des Tages an, und die ganze Familie begab sich auf die Wiese. Hier führte Tobias seinen Theil regelmäßig aus, indem er den Ernst und die würdige Ruhe, die er angenommen hatte, zu behaupten wußte. Der Alte, nachdem er ihn einmal prüfend von der Seite angesehen, schüttelte den Kopf. Er begriff nicht, wie der Bursch zu einem Gesicht kam, das mit sich und seinem Schicksal zufrieden schien. Er hatte gemeint, er würde heute noch viel schlimmer aussehen, als nach dem Auftritt im Garten; und jetzt schien er' völlig getröstet zu sein! Sogar eine gesunde Farbe hatte er und bewegte seine
Während in der Schneiderfamilie die Beziehungen so hinliefen, hatte im Pfarrhause eine entscheidende Scene Statt.
Die Bäbe war früh aufgestanden und zur Bereitung des Frühstücks in die Küche gegangen. Das Bewußtsein, sich etwas Ungewöhnliches herausgenommen zu haben und deßwegen zur Rede gestellt werden zu können, äußerte sich in einer eigenen Mischung von Ergebung und Gefaßtheit. In ihrem Bette erwachend, hatte sie die Vorgänge der gestrigen Nacht erwogen, und es war ihr möglich, ja wahrscheinlich vorgekommen, daß die Pfarrerin nichts Bestimmtes wußte, sie nicht wirklich gesehen, sondern nur etwas gehört und etwas geargwöhnt hatte. In diesem Falle war ihr nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch um des Geliebten willen ein bestimmtes Benehmen vorgezeichnet, und sie beschloß es genau einzuhalten.
Wie sie dem geistlichen Ehepaar den Kaffee in die Stube brachte, grüßte sie wie sonst, und nur die Pfarrerin, deren Augen durch Einsicht geschärft waren, be-
Nach dem Frühstück begab sich der Herr in seine Studirstube, recht erheitert durch den Gedanken, daß es eben doch noch gute, wackere, aufmerksame Leute und treue Dienstboten gebe. — Die Pfarrerin dagegen sagte zu der Gerühmten, als sie das Geschirr hinaustragen wollte: Ich hab' mit dir etwas zu reden, Bäbe. — Das Mädchen stellte das Kaffeebrett wieder auf den Tisch und bot Alles auf, den Effect dieser Worte auf
Nun sah die Bäbe den Moment gekommen, wo die Versicherung der Unschuld nicht mehr am Ort, viel-
Die Pfarrerin fuhr nach einer kleinen Pause fort: Es ist mir unlieb, daß ein Mädchen, die durch mich ins Dorf gekommen ist, einen jungen Burschen verlockt und Unfrieden in eine Haushaltung gebracht hat. Der alte Schneider will seinen Sohn mit der Tochter des Bachwebers verheirathen — ich weiß es von guter Hand. Und nun kommst du und machst den Sohn ungehorsam gegen den Vater und stiftest Händel an zwischen ihnen! Du würdest wohl daran thun, diesen Liebeshandel ganz und gar aufzugeben. Der Eber ist nicht der Mann, dem Tobias seinen Willen zu lassen, und Der, obwohl er gestern gezeigt hat, daß er auch frech sein kann, wird nicht im Stande sein, etwas gegen ihn durchzusetzen. Du solltest das einsehen und den jungen Menschen überhaupt gehen lassen, nicht nur so lange du noch bei mir bist, wo sich's von selber versteht! — Frau Pfarrerin,
Die Bäbe ergriff das Kaffeebrett und wollte die
Der alte und der junge Schneider gingen den ganzen Tag um einander herum, indem sie nur das Nöthigste mit einander sprachen und dabei möglichst vermieden, sich ins Gesicht zu sehen. Beim Abendessen war die Familie stumm: jedes machte sich seine Gedanken. Das Gesicht des Alten drückte Unschlüssigkeit und Unzufriedenheit aus; man sah, daß ihn etwas plagte. Nach dem Tischgebet ging er in den Hof, Kaspar folgte, die Walpurg begab sich in die Küche, und Tobias war allein. Von der Arbeit müde, lehnte er sich in eine Ecke und gab sich seinen Gedanken hin. Er hatte eine Empfindung, die fast ans Angenehme streifte. Mit seinem Verhalten den Tag über konnte er nur zufrieden sein. Er war nicht davon gelaufen — was er schon der Bäbe wegen nicht durfte! — aber er hatte sich nicht schwach gezeigt, und es war ihm, als ob jetzt der Alte sich schämte und sich vor ihm scheute. Die Sache konnte nun von selber eine ganz andere Gestalt bekommen. Und wenn das geschah, war ihm doch eigentlich aus den Schlägen das Heil erwachsen! — Allerdings war die
Aus dem traumhaften Zustande weckte ihn der alte Schneider, der allein zurückkam. Diesem war es schon seit einigen Stunden im Kopf herumgegangen, daß die Sache so nicht bleiben könne, und daß er mit dem Burschen reden müsse, um zu sehen, wie sie nun eigentlich mit einander ständen. Einen Theil des Tages hatte er wirklich Scheu getragen, den wunden Punkt zu berühren; aber nach und nach war ihm das Gefühl der väterlichen Gewalt wiedergekommen; er sagte sich, daß dem Burschen gestern nur recht geschehen sei, und daß er das begonnene Werk, wenn auch mit andern Mitteln, heute fortsetzen müsse.
Als er den Sohn in der dunkelnden Stube sah, schien ihm der rechte Moment gekommen. Durch keine Erinnerung mehr befangen, trat er gegen ihn vor und sagte: Es ist gut, daß ich dich allein treff'. Wir Zwei haben noch was mit einander auszumachen. — Tobias erhob etwas betroffen den Kopf; aber die Wirkung der Anrede war nicht, wie sie der Vater erwartete. Mit einem gewissen Humor erwiderte der Bursche: So? Noch was? — Der Alte, die Entgegnung verstehend, lächelte spöttisch. Du meinst, versetzte er auf ihn herabsehend, ich wär' schon fertig mit dir? — Allerdings! antwortete der Sohn. Vorderhand hätt' ich gemeint —.
Der Alte hatte diese Rede, in welcher sich Tobias zum Gipfel des Muthes und Trotzes hinaufsteigerte, mit einer Anwandlung von Schrecken gehört, wie man ihn empfindet, wenn man Jemand plötzlich gegen alle bisherige Gewohnheit und Natur handeln sieht. Er betrachtete ihn mit immer größer werdenden Augen von oben bis unten, und nur durch Schnaufen erleichterte er sein Herz. Endlich fand er Worte und rief: Dahin ist's gekommen! Ich hab' dir also die Narrheit noch nicht ausgetrieben? — Im Gegentheil, erwiderte der jetzt im Zuge befindliche und von der Wirksamkeit seines Verfahrens überzeugte Bursch, hineingetrieben hast du's in mich, nicht ausgetrieben! — Das war zu viel — es war nicht nur Trotz, sondern Hohn! Bebend vor Zorn stellte sich der Alte vor den Rebellen hin und rief: Jetzt horch, ich will dir was sagen! Ich hab' dir gestern gezeigt, wie man's ungerathenen Buben macht, auch wenn sie so alt sind, wie du bist. Aber das ist noch nicht das Beste gewesen, ich kann's noch ganz anders! Und wenn du mich erzürnst —! Seine rechte Hand ballte sich und seine Augen sprühten Feuer, als ob er den Burschen verbrennen wollte. Dieser, der sich erhoben hatte, entgegnete jedoch fest und nachdrück-
Die Walpurg erschien mit der brennenden Ampel — eine Unterbrechung, die dem Alten lieber war, als dem Sohn. Das Weib machte ein sonderbares Gesicht. Sie hatte die zankenden Stimmen gehört und war halb aus Neugierde, halb um einen schrecklichen Auftritt zu verhindern, in die Stube gegangen, stellte sich aber nun, als ob sie von nichts wüßte. Sie suchte den Alten durch häusliche Fragen auf andere Gedanken zu bringen, verlor die Geduld nicht, als dieser sie anschnauzte, und erlangte es endlich, daß er ihr Gehör gab. Nach einer Weile erhob sich Tobias, der sich wieder gesetzt hatte, wünschte gelassen und wohlwollend Gute Nacht und ging in seine Kammer.
Ein erhebendes Gefühl durchdrang ihn. Er hatte mit seinem Vater gekämpft und — gesiegt. Er hatte nichts mehr verheimlicht, ihm nichts vorgespiegelt, sondern ganz ehrlich Alles gesagt, wie's war — und der
Er legte sich vergnügt zu Bette und schlief bis zum lichten Morgen.
Als er erwachte, hatte sich die Sonne, durch dünne Wolken scheinend, bereits eine ziemliche Strecke über den Horizont erhoben. Es war indeß Feiertag, er konnte sich noch im Bette dehnen, und er that es. Seine Glieder waren von Schmerzen beinahe ganz frei, und ein Lächeln entlockte es ihm, als er zwei Mäler an seinem Oberarm, die gestern noch blau gewesen waren, heute schon ins Grünliche übergehen sah. Er wußte aus Erfahrung, daß sie dann bald ganz verschwinden
Während er sich anzog, kam ihm der Gedanke, ob er nicht seine günstige Stellung benutzen und dem Alten sogleich die Einwilligung zur Heirath mit der Geliebten abnöthigen solle. Es kam ihm nicht ganz unmöglich vor, daß er am Ende nachgab, wenn er sah, wie viel bei ihm die Glocke geschlagen hatte. — Mit Entschlossenheit ging er hinunter in die Stube.
Der Alte saß allein hinter dem Ofen, und das war günstig. Tobias sagte Guten Morgen und trat näher. Wie er ihm aber in das erhobene Gesicht sah, fühlte er gleich, daß die rechte Zeit für sein Unternehmen noch nicht gekommen sei. Der Alte sah gefährlich aus. Die Schlappe, die er gestern erlitten hatte, nagte an ihm, er war in tiefen Unmuth versunken. Ruhig saß er da; aber es war eine Ruhe, die ein einziges schiefes Wort in den wildesten Sturm verwandeln konnte. — Nachdem der Sohn dies erkannt, wandte er sich, stimmte sein Triumphgefühl herab und ging still mit ehrbarer Miene hin und her, indem seine Stimmung wieder eine bedrückte zu werden begann.
Die Glocken erschollen vom Thurm. Er zog seinen Tuchrock an und setzte seinen Schaufelhut auf, um in die Kirche zu gehen. Sein Inneres erfüllte sich mit resignirtem Ernst, und er war sehr geneigt, andächtig zu sein wie irgend einer der ledigen Bursche. Auf dem Wege begegnete ihm jedoch ein Bekannter, der auf seinen
Darauf war er nicht vorbereitet. Sein Herz fing an zu pochen, Schamröthe übergoß ihn. Wenn es die Zwei wußten, dann wußte es das ganze Dorf — und dann war Spott und Schande nicht zu vermeiden. — Es half nichts, daß er sich die Möglichkeit vorhielt, seine Vermuthung könnte doch irrig sein. Ein drittes Gesicht von einem ältern Verwandten sprach viel zu deutlich. Er täuschte sich nicht. Es war ausgekommen — Gott weiß wie! — Die Leute wußten, daß er Schläge bekommen und warum, so sahen sie aus! —
Mit Gefühlen, die wenig Kirchliches hatten, trat er in das Gotteshaus ein und ging auf die „Borkirche“ (Emporkirche) an seinen Platz unter den Ledigen. Er fürchtete, Aller Augen würden sich auf ihn richten, sah daher grad vor sich hin und gab sich die größte Mühe, seine Verlegenheit hinter einer feierlichen Miene zu verbergen. Mit dieser seiner Furcht ging er indeß zu weit; denn so wichtig erschien er im gegenwärtigen Augenblick der Gemeinde doch nicht, daß sie nur Augen für ihn haben sollte. Einige mitleidige Blicke von Seiten junger Bursche — das war Alles, was er erreichte; und das dauerte nur einen Moment.
Er fing an, sich zu gewöhnen, und sang kräftig mit. Plötzlich traf ihn ein anderer Gedanke. Wenn der Pfarrer selbst etwas wußte und von der Kanzel her seinen Blick auf ihn richtete — oder gar in der Predigt eine Anspielung auf ihn machte, wie das schon vorgekommen war? Und wenn dann erst recht Alles auf ihn sah und er dastand wie ein Gerichteter? — Aengstlich und bekümmert folgte er dem Gange des Gottesdienstes. Bei Lesung des Textes ging ihm ein Stich durchs Herz: es war die Parabel vom verlorenen Schaf! Wie leicht war da eine Hindeutung auf ihn! — Er bebte merkbar, und nur mit der größten Anstrengung gelang es ihm, die Empfindungen, die ihn in Bewegung setzten, nicht ganz deutlich werden zu lassen. — Die zweite Sorge war indessen noch unnützer als die erste. Der Pfarrer hielt eine warme, herzliche Rede, die sich durchaus im Allgemeinen bewegte, und Tobias fing an zu begreifen, daß, wenn seiner darin gedacht worden wäre, dies für ihn nur ehrenvoll hätte sein können.
Viel ruhiger, als er sie betreten, verließ er die Kirche. Auf dem Heimwege sah er zwar noch einige lächelnde Gesichter, aber die Heiterkeit derselben schien ihm doch viel weniger boshaft zu sein, und er empfand sie denn auch viel weniger peinlich. — In einer mittleren Stimmung kam er nach Hause und behauptete dieselbe während des Mittagessens. Später lockte ihn das
Eine geraume Zeit verging. Als es vier Uhr schlug, erhob sich in ihm die Frage, ob er ganz zu Hause bleiben oder noch unter die Leute gehen sollte. Das erste war gefahrlos, aber auf die Dauer langweilig; das zweite gewagt, aber ehrenvoller und so oder so unterhaltender. Nach kurzem Besinnen rief er: Was da! — ich geh' ins Wirthshaus!
In dunkelblauer Juppe, die Pelzkappe ein wenig aufs rechte Ohr gesetzt, ging er muthig die Gasse hinab. Er suchte munter auszusehen und grüßte ein paar Mädchen, die am Wege standen, lustig, so daß sie ihm verwundert dankten. Als er das Wirthshaus erblickte, wurde er ernster. Die Gefahr, der er entgegenging, kam ihm zum Bewußtsein, und er waffnete sich darauf.
Im Tennen traf er das Wirthsmädchen. Diese sah ihn gemüthlich an und sagte: Die ledigen „Burscht“ sind im Garten. — Tobias überlegte einen Moment, ob er nicht lieber in die Stube gehen sollte; aber der Muth siegte, und er ging durch die Hinterthür zu Seinesgleichen.
Eine frische, heitere Scene bot sich ihm dar. Rechter-
In der Unterhaltung der Trinker war eine kleine Ebbe eingetreten; aber im Schweigen saßen die tüchtigen Bursche so behaglich da wie vorher im Discurs. Als sie des Tobias ansichtig wurden, belebten sich die braunen Gesichter plötzlich, und mehrere Stimmen riefen wie aus Einem Munde: Ah, der Schneider! — Es war eine eigene Mischung von Bosheit und Wohlwollen, womit sie den Ankömmling betrachteten; man konnte sagen: sie empfanden Wohlwollen gegen den, der ihrer Bosheit als Opfer entgegenkam! — Als Tobias die Mienen sah, erkannte er sein Schicksal und lenkte seinen Schritt gegen die Kegelbahn. Da öffnete ein breitköpfiger, ur-
Aller Augen wandten sich nun auf Tobias und Leard. Dieser hatte dem Schneider mit seinem Krug aufgewartet und sah, während er trank, vor sich hin. Dann begann er: Nun sag mir, Schneider, wie geht's allweil? Ich hab' dich lang nicht gesehen! Und indem er ihn betrachtete, fuhr er theilnehmend fort: Du bist ein wenig bleicher als sonst; — ist dir vielleicht etwas zugestoßen? — Tobias, der allerdings etwas bleicher war als sonst, aber nur, weil er merkte, was der Leard mit ihm vorhatte, versetzte trotzig: Bah, was sollt' mir zugestoßen sein? Ich wüßt' nicht was! — Dieser Antwort folgte ein Ausbruch von Heiterkeit, der den Humor des Burschen nicht heben konnte. Leard versetzte: Nun, nun, zustoßen kann einem immer etwas — für Unglück kann kein Mensch. Man kann verschreckt werden, man kann hinfallen, gefährlich hinfallen — — Besonders bei der Nacht, warf ein feiner junger Bursch ein, wann's finster ist. — Ja wohl, fuhr Leard fort; bei der Nacht ist viel möglich, da hat der Teufel sein Spiel, nament-
Das Wirthsmädchen kam übers Gras gegangen mit einem Maßkrug und setzte ihn vor Tobias. Sie trat einen Schritt zurück und blieb stehen; denn sie wollte auch ihren Antheil am Vergnügen haben.
Leard nahm seinen Krug, stieß an den des Tobias und rief munter: Sauf, Bruder, und sag uns dann, was dir passirt ist! — Tobias trank und verlängerte den Zug so viel er konnte, in der Hoffnung, dadurch der
Leard schüttelte den Kopf und versetzte: Du bist nicht höflich, Tobias, und vergiltst mir meine Freundschaft schlecht. — Ein vierschrötiger Bursch ergriff jetzt das Wort und sagte: Ich hab' bis jetzt geschwiegen; aber weil der Schneider gar nicht bekennen will, so muß ich doch reden. Gestern in der Früh bin ich in meinem Garten gewesen und hab' ihn sechs Schritt hinter seinem Vater nach der Wiese gehen sehen. Das Gesicht, das er da gemacht hat, wird mir im Gedächtniß bleiben. Wie soll ich nur gleich sagen? Er hat ausgesehen, als ob ihn die „Wura'moesa'“ (Ameisen) aufm Brachacker 'rumg'schleift hätten! — Da haben wir's, rief Leard. Also gestern? Dann muß ihm das Unglück am Freitag Nachts zugestoßen sein! — Und vor sich hinsehend, fragte er sich: Was ist's jetzt wohl gewesen? — Der feine junge Bursch sagte lachend: Ich glaub', er ist aufm Geißbock spazieren geritten und der hat ihn 'runtergeworfen! — Leard entgegnete: Nichts da! Das ist eine alte Sag'! Heutzutag reiten die Schneider nicht mehr auf Geißböcken, sie sind auch aufgeklärter geworden und
Der Schneider saß da mit den peinlichsten Empfindungen. Alles war heraus. Alles — sogar die Art, wie er in die Kammer der Bäbe befördert worden! — Wie konnte man das wissen? Hatte das Mädchen geschwätzt? Hatte man sie im Pfarrhause gesehen? — Er wußte nicht, was er denken sollte; rathlos sah er auf den Tisch, der Schweiß ging ihm aus. — Wenn er noch einige Hoffnung gehabt hätte, die geheimsten der gestrigen Vorgänge könnten doch noch unbekannt sein und er möchte nur falsch gerathen haben, so wäre er gleich enttäuscht worden.
Der Feine richtete seinen Blick auf ihn und sagte: Freund Tobias, du nimmst dir die Geschichte mehr zu Herzen, als nöthig ist. Geh, sei g'scheidt! Ein Glied
Diese Hoffnung hätte sich vielleicht erfüllt und die Bursche beliebt, einen andern Gegenstand vorzunehmen
Tobias zitterte vor Verdruß. Er hatte das Gefühl eines angespannten Rosses, das von Bremsen bedeckt und umflogen ist und, trotz alles Schüttelns, des Geplagtwerdens von Seiten des blutgierigen Ungeziefers kein Ende sieht. Seine Seele trachtete hinwegzukommen: er nahm seinen Krug, setzte an und leerte den Rest auf Einen Zug. Der Uhzer hatte ihn beobachtet; seine Absicht errathend faßte er schnell den Krug und rief: Mädle, da ist's leer! — Der Schneider ergriff den Krug ebenfalls und schrie: Nichts da! Ich muß fort! — Wie, entgegnete Leard, du willst fort, jetzt, wo wir in der besten Unterhaltung sind? Laß mit dir handeln! Eine Halbe! — Er lenkte den Krug nach der Kellnerin und rief: Geschwind, Mädle! Nimm und lauf! — Nein, rief Tobias ergrimmt, indem er sich nun mit dieser um den Krug stritt; ich trink' nichts mehr, Kott's Himmelsakerment! Er war aufgestanden, setzte die Pelzkappe fest auf den Kopf und sagte: Ich bin nicht hergekommen, um mich von euch für'n Narr'n halten zu
Bevor wir ihn weiter begleiten, müssen wir auf eine Frage antworten, die auch der Leser aufgeworfen haben wird. Daß der nächtliche Besuch im Pfarrhause und die darauf erfolgte Scene durch jenen Vetter Hans, der die letztere mit angesehen haben konnte, verrathen worden sei, wird man sich selbst gesagt haben. Es war auch in der That so. Wie konnte aber auch der eigenthümliche Liebesdienst bekannt geworden sein, den die Bäbe dem Schneider erwiesen hatte? Dieser, wie sein Staunen gezeigt, hatte ihn keiner Seele mitgetheilt. Außer ihm war aber die Thatsache nur der Bäbe und der Pfarrerin bekannt — der Pfarrerin, welche die Geheimhaltung befohlen, der Bäbe, die sie zugesagt hatte!
Der Autor muß bekennen, daß er eine bestimmte Erklärung in dieser Frage selbst nicht abzugeben vermag.
Die Bäbe hatte eine Kamerädin, und diese eine Schwester. Es ist denkbar, daß sie der Getreuen, die ohnehin schon Mitwisserin geworden, in der Bedrängniß ihres Herzens, nach dem abgenommenen Versprechen einer vollständigen Geheimhaltung natürlich, den Handel erzählt, und diese wirklich keiner Seele davon gesagt, ausgenommen ihrer Schwester, die dann, durch ihre gleichfalls ertheilte Zusage schon weniger beengt, das Weitere sich erlaubt hatte. Auf der andern Seite stand aber die Frau Pfarrerin in einem Verhältniß wechselseitiger Mittheilungen mit der Frau Lehrerin, und diese hatte wieder eine Beziehung zur Frau Wirthin. Es ist möglich, daß die gute und im Grund ihres Wesens heitere Dame dem Reiz nicht widerstehen konnte, die ihr noch nie vorgekommene und darum höchst pikante Thatsache unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit der Vertrauten zu schildern, da nach der strengen Justiz, die sie gegen die Uebelthäterin geübt hatte, doch auch die komische Seite derselben ausgebeutet sein wollte. Daß dann die Frau Lehrerin die prächtige Geschichte nicht ganz und gar für sich behalten, sondern sie unter der nämlichen sichernden Bedingung der Wirthin vertraut, wäre ihr kaum zu verdenken gewesen. Um so weniger aber der Wirthin die Mittheilung an irgendeinen ihrer Gäste, für deren Unterhaltung zu sorgen ja zu ihren Pflichten gehörte! — Genug, die Sache war ausgekom-
Mit welchen Empfindungen dieser den Wirthsgarten verließ, kann man sich denken. Das ihm angeborene Ehrgefühl, durch die übelsten Erfahrungen nicht unterdrückt, war nach dem gestrigen Sieg über seinen Vater mächtig emporgelodert; seine Ansprüche auf Achtung hatten sich erneuert, und er glaubte sich durch die Erreichung seines Zweckes, die er für gewiß annahm, allgemein in Ansehen bringen zu können. — Nun war Alles wieder zu Wasser geworden. Das heutige Gesicht des Alten hatte ihn belehrt, daß er seine Einwilligung in die Heirath mit der Bäbe weniger als jemals hoffen könne — daß er die Schläge fruchtlos erduldet hatte! Und zu alledem war seine Schmach öffentlich geworden — er, der Geschädigte, war dem Spott und der Mißhandlung preisgegeben, wer weiß auf wie lange! — Der Boden brannte unter ihm, er fürchtete sich unendlich, Jemand zu begegnen, und eilte auf dem kürzesten Wege aus dem Dorfe ins Feld, wo er den am wenigsten betretenen Fußpfad aufsuchte.
Als er hier weitherum Niemand gewahrte, entlastete er das gepreßte Herz und brach in laute Verwünschungen aus. Er sagte sich in wilder Leidenschaft vor, was er erduldet, schmähte, daß ihm — grad ihm das begegnen sollte, malte sich aus, was er ferner werde zu leiden haben, und wühlte sich immer tiefer in sein Elend hinein. Die Worte gingen ihm endlich aus, aber
Ein Markstein, an den er stieß, brachte ihn wieder zur Besinnung. Er sah auf und bemerkte, daß er in die Feldung des Nachbardorfes eingetreten und diesem näher war als dem seinen. Das stimmte ihn ruhiger. Es war sicherer hier und darum für ihn heimlicher. Einen Seitenpfad einschlagend ging er langsamer, aber um vieles gemüthlicher vorwärts. Nach und nach legte sich der innere Aufruhr ganz, der Muth kam ihm wieder, und die Kraft der Vertheidigung regte sich in ihm. Die Phantasie, die große Trösterin, erhob sich, fühlte sich und begann ihr Geschäft, die erlebten Unbilden umzubilden und das, was geschehen war, so darzustellen, wie es hätte geschehen sollen.
Er dachte sich die Kerle im Garten, wie sie an der Tafel saßen und von ihm sprachen. Es gab ein Gerede hin und her, und mancher dumme Spaß wurde über ihn gemacht. Wenn er jetzt käme, rief einer der Lümmel, dem sollt' es gutgehen! — Und siehe da, er kam, er setzte sich zu ihnen — aber die Sache ging anders, als sie gedachten! — Das Trätzen fing an, einer half dem andern. Eine Zeitlang hörte er es ruhig an, indem er nur diesem und jenem eine Red' hinschmiß, daß
Den Ersten schlug er ins Gesicht, daß er rückwärts auf die Andern stürzte und das Blut ihm aus der Nase lief. Dem Andern gab er eins hinter die Ohren, daß er taumelte, mit dem Gesicht auf den Boden fiel und Ach und Weh schrie. Nun wurden die Uebrigen rasend, einer hetzte den andern, und auf einmal stürzten sie Alle zugleich gegen ihn. Da half kein Feiern! Er setzte mit der Schnelligkeit des Blitzes und mit ungeheurer Kraft den Krug in Schwung, daß er umging wie ein Triebrad und es ganz unmöglich war, ihm anzukommen.
Als er mit diesem idealen Gebilde so weit gekommen war, hörte er Fußtritte. Ungern wendete er den Blick von der schönen Scene auf die gemeine Wirklichkeit, und vorwärts blickend erkannte er einen Bauer vom Nachbardorf, der in Begleitung eines Buben gegen ihn herankam. Schon von Weitem nahm er in dem Gesicht des Alten das unangenehme Lächeln der Schadenfreude wahr, und eine Ahnung erregte sein Herz. Der Bauer grüßte schmunzelnd und sagte: Nun, Tobias, hast du's zu Hause nicht mehr aushalten können? Es geht dir wohl recht schlecht bei euch, daß du zu uns herüberkommst? —
Er hatte recht gerathen — der alte Esel wußte die Geschichte auch schon — der Teufel hatte in dieser Sache noch ein Uebriges gethan. Allein jetzt war er im Zuge, und schnell gefaßt erwiderte er: Bei euch, wenn ich deßwegen gekommen wär', that' ich auch nicht viel profitiren; denn da giebt's so große Narren, wie ich seh', als bei uns! Und rüstig schritt er vorüber, während der Alte und der Bube zusammen lachten. — Seine Wanderung hatte indessen ihr Ziel erreicht. Wenn es so stand, dann war's hier nicht besser als bei ihm, und er konnte wieder nach Hause gehen. Die Sonne neigte sich schon gegen Nordwesten — er drehte sich und ging langsam heimwärts. Gehend und zeitweise stehend und umherschauend, wußte er es so einzurichten, daß er just zur Dämmerzeit ins Dorf kam.
Aus dem Rückwege hatten sich Wolken erhoben, die den Schein der untergegangenen Sonne verdeckten — es war ziemlich dunkel, als er die Hauptgasse entlang ging. Dennoch erkannte er sogleich eine Gestalt, die langsam gegen ihn heranwandelte, und die ihm Gott entgegensandte — die Bäbe. Nach gewechselten Grüßen begann das Mädchen in melancholischem Ton: Es ist gut, daß ich dich treff': uns ist das Aergste passirt, was hat passiren können! — Was? rief Tobias auffahrend, geht das so fort? Nun? — Die Bäbe versetzte: Wie ich dich im Pfarrhause den Gang hintergetragen hab', sind wir gesehen worden — von der Pfarrerin. — Von der Pfarrerin! wiederholte Tobias. Also daher kommt's!
Schweigend sah er vor sich hin. Nach einer Weile richtete er seinen Kopf empor, seine Augen erweiterten sich, und er rief: Nun paß aus, was ich dir sag'! Ich hab' um dich Angst ausgestanden; ich hab' Schläg' ausgehalten und Schande verschluckt an allen Ecken und Enden. Jetzt bin ich fertig mit der Welt — und jetzt sag' ich dir: du, die Bäbe, die hier vor mir steht — du wirst mein Weib und keine Andere! — O du guter Tobias, rief die Bäbe, halb anerkennend, halb nicht zu glauben wagend. — Bäbe, rief der Schneider, ich verlang', daß du mir glaubst! Meine Geduld ist am
Die Augen des Mädchens richteten sich freudig und liebend auf den Schneider. Wenn du das könntest, entgegnete sie, dann wär' noch nichts verloren. Du weißt, daß ich mir noch was ausgedacht hab', was ich dir noch immer nicht hab' sagen können. Wenn du wirklich so denkst, dann können wir's mit einander thun und die Leut' hier auslachen. — Bravo, rief Tobias. Hier meine Hand! Was ich gesagt hab', geschieht! — Die Bäbe drückte seine Hand und rief: Ich dank' dir! Aber dort kommen Leute, und ich soll noch Milch holen. Gutnacht! Für heut ist's genug! —
Die Wolken, die sich erhoben und das kurze Gespräch unsers Liebespaares begünstigt hatten, brachten ein nächtliches Gewitter, und dieses hatte eine Reihe von Regentagen zur Folge. Die Bauernfamilien sahen sich auf Arbeiten in Stube und Stadel angewiesen und lebten jede möglichst für sich. In solcher Zeit bietet das Dorf einen öden, ungeselligen Anblick. Man sieht nur
Unser Bursche saß am Schneidertisch und nähte. Er war nicht glücklich; aber infolge des gefaßten Entschlusses und des Abschlusses mit der Welt hatte doch eine gewisse Zufriedenheit in ihm Platz genommen. Der dunkle Himmel und das eintönige Geprassel harmonirten mit seiner Stimmung und schufen ihm ein düsteres Behagen. Ergebung und Hoffnung erfüllten sein Herz; er wußte, was er zu thun hatte, und brauchte sich darum auch nicht zu eilen, sondern konnte sich vorderhand noch ganz ruhig gehen lassen. Zuweilen sah er von seiner Arbeit auf und betrachtete gedankenvoll die herabstürzenden Tropfen, die ihn wie ein bewegtes Gitter von der Außenwelt schieden und einfriedigten.
Wenn er die Ausführung seines Entschlusses vertagte, hatte er nicht ganz Unrecht. Einen Bruch mit seinem Vater gab's zwar immer; aber es war doch nicht einerlei, ob er unter gelindern oder heftigern Formen statthatte. Dermalen war für die Antragstellung in der That die ungelegenste Zeit. Der Alte zeigte sich in den tiefsten Unmuth versunken und ging mit einem Gesicht herum, das auch einem Andern scheugebietend vorgekommen wäre. Er hatte seinerseits erfahren, daß man die Streiche des Burschen und seine Abstrafung kannte, und daß sie Beide in den Mäulern der Leute herumgetragen wurden. Er mußte sich denken, daß auch die Sibylle unterrichtet sei, und daß die Hoffnung, den Burschen mit ihr zu verheirathen, auf den schwächsten Füßen stehe. Die Schande der Familie war dem Mann, der nach außen eine Art von Würde behauptet hatte, eben so empfindlich, wie der mögliche Verlust eines schon besessenen Vortheils ärgerlich und die Ungewißheit der Lage peinlich. Wer hätte an eine solche Person Worte richten mögen, welche die gährenden Stoffe zur Eruption bringen mußten? Tobias konnte froh sein, daß der Alte nicht anfing; und er war es auch. Mit der Zeit wurde der Erbos'te ja doch anders — dann konnte man „in der Art“ mit ihm reden, und er nahm Raison an.
Vater und Sohn bedienten sich im unumgänglichen Verkehr der äußersten Einsilbigkeit und saßen meist beisammen oder liefen um einander herum, als ob sie sich gar nichts angingen. Tobias nähte mit immer größerm
Kaspar, in alle Vorgänge und Übeln Erfahrungen des Tobias eingeweiht, fühlte ein entschiedenes stiefbrüderliches Vergnügen, das er nicht umhin konnte auf seinem Gesicht merken zu lassen. Die gute Walpurg dagegen empfand Mitleid, herzliches Mitleid. Der Streich, den Tobias gewagt, der Betrug, den er dem Vater gespielt hatte, schadete dem Burschen bei ihr nicht, sondern nöthigte ihr im Geheimen ein beifälliges Lächeln ab. Nach ihrer Meinung war er völlig im Recht; und wenn sie die Härte des Alten auch begriff, so wünschte sie doch lebhaft, der Streit möchte damit enden, daß der Tobias seinen Willen durchsetzte und die schöne Pfarrmagd kriegte. Zunächst suchte sie ihn durch die Theilnahme ihres Blicks, die Sanftheit ihres Tons beim Morgen- und Abendgruß und, wenn sie mit ihm allein war, durch Anspielungen zu trösten, die ihn das Beste hoffen ließen.
Dem Regenwetter folgte ein „Saumwetter“, d. h. eins, das vorbereitende Arbeiten auf der Wiese gestattete, aber mit der Einheimsung der Frucht zu säumen gebot, weil kleinere Regenschauer die völlige Trocknung verhinderten. Die Nothwendigkeit, das schon ziemlich verdorbene Heu noch ein paarmal umzukehren, war nicht ge-
So verging beinahe eine Woche, in der unsere Geschichte um keinen Schritt vorwärts rückte. Tobias sah weder die Bäbe noch die Sibylle, und Bekannte, die ihm begegneten, verriethen lange nicht mehr das Interesse der sonntäglichen Schadenfreude, sondern gingen meist theilnahmslos an ihm vorüber. Die Ruhe seines resignirten Herzens wurde durch nichts gestört als an einem der letzten Tage durch eine Begegnung der Pfarrleute. Diese kamen mit einander, ohne daß seine Seele daran dachte, hinter einer Hausecke hervor, und der überraschende Anblick versetzte den Unvorbereiteten in eine Aufregung, die ihn fast ganz aus der Fassung brachte. Auszuweichen und zu thun, als ob er sie nicht sähe, war unmöglich; er mußte ihnen entgegen- und an ihnen vorübergehen. Nach einem flüchtigen Blick in das Gesicht der Pfarrerin, dessen Ernst ihm nichts Gutes anzukündigen schien, zog er die Kappe und legte in Ton und Geberde des Grußes die demüthigste Verehrung zur Schau, während der Tumult seines Herzens den höchsten Grad erreichte. — Zehn Schritte weiter erkannte er, was ihm trotz aller Vorsätze wieder begegnet war. Er sagte zu sich: Hilft also gar nichts an mir? Traurig schüttelte er den Kopf.
Am Samstag, bei lebhaftem Nordost, trennten sich
Auf dem hübschen Fußpfad, der schon wieder trocken war, durch Wiesen und durch Felder, auf denen das üppige Getreide, durch den Regen gebeugt, streckenweise am Boden lag, wanderte der junge Schneider der Zierde des Rieses, dem großen, schönen, grauen Thurm der Hauptkirche von Nördlingen entgegen, jetzt still gedankenlos, dann wieder sinnend. Den Gegenstand seiner Erwägung bildete der Vorsatz und dessen mögliche Folgen. Wenn er seinem Vater aufsagte und sein Vermögen herausbekam, brachten sie wenig zusammen — sehr wenig, zum Hausen fast zu wenig; denn die Bäbe hatte bis jetzt nur etwas über hundertundfunfzig Gulden erspart. Freilich war sie geschickt, arbeitsam und brauchte wenig; aber mit dem gemeinsamen Vermögen konnten sie auch nicht eine mittelmäßige Sölde
Die Stadt lag vor ihm. Der Gang durch die auch Nachmittags noch immer belebten Straßen und der Besuch der verschiedenen Kaufläden, nebst Fragen, Sehen und Feilschen zog ihn von den bisherigen Gedanken ab und machte ihn ganz zum praktischen, seinen Vortheil erwägenden Bauer. Nachdem er Alles möglichst wohlfeil eingekauft hatte, schlenderte er zufrieden durch die Straßen, grüßte und wurde gegrüßt und freute sich der Stadtleute wie der Bauern, die ein gemüthliches Wort für ihn hatten. Endlich empfand er einen soliden Durst, und da er erfragt hatte, daß gegenwärtig das
Er setzte sich in eine Ecke und bemerkte mit Vergnügen, daß kein Mensch aus seinem Dorf in der Stube war, den die Langeweile vielleicht getrieben hätte, ihn durch Aufziehen aus seiner Ruhe zu stören. Das Bier war vortrefflich, ebenso stark als angenehm schmeckend, und er leerte ziemlich schnell seinen Maßkrug. Während des Laufens hatte sich auch das Mittagessen wieder in ihm „gesetzt“, er fühlte nach Stillung des Durstes Appetit, aß zwei Groschenwürste und einen „Kemmicher“ (Weißbrod mit Kümmel bestreut), ließ sich noch eine Maß geben und hatte ein Wohlgefühl wie seit langer Zeit nicht.
Als er so dasaß, kam eine Person aus seinem Dorf, aber eine ungefährliche — ein gutes altes Weiblein. Tobias rief ihr gleich freundlich zu, sie möge sich zu ihm setzen. Die Alte zeigte sich von einem ungewöhnlichen Vergnügen belebt, und wie sie am Tisch ankam, rief sie: Ach, Tobias, es ist gut, daß ich dich treff'! Aber ich hab' eine Freud'! — Nun, fragte der Schneider die Wittwe, die sich neben ihn setzte und ihre Röcke auf der Bank zurechtzog, was ist denn Gut's angekommen? — Die Alte langte in ihre Seitentasche, zog ein zerknittertes Papier heraus und sagte: Was meinst jetzt, daß ich da hab'? — Einen Brief, erwiderte Tobias. — Ja, aber von wem und woher? — Nun, vielleicht von Eurer Rebeck' in Augsburg! — Nein, von mei-
Der Brief war aus einem kleinern Ort in Michigan. Der Schreiber, der im Ries Bauernknecht gewesene Andreas Holl, meldet, daß er endlich einen Platz gefunden habe, ganz nach Wunsch, und giebt zunächst eine Schilderung der Ueberfahrt. Für den Sohn des Rieses, wo auch die geringern Leute verhältnißmäßig nicht schlecht leben und insbesondere auch die Ehehalten ihre Anforderungen zu steigern beginnen, ist es charakteristisch, daß er sich über die Schiffskost aufhält und von Erbsen und Bohnen sagt, man hätte mit ihnen schießen können! Die Fahrt, ohne besondere Abenteuer, währte lang. „Sechsundsiebzig Tage mußten wir auf dem Wasser herumschwimmen, aber dann kamen wir nach Quebec in der Früh, wo die Sonne aufging; das schaute uns herrlich entgegen, da war Freude auf dem ganzen Schiff!“ Nach einer Schilderung seiner weitern Erlebnisse, woraus hervorgeht, daß er erst nach Versuchung mehrerer den ihm entsprechenden Dienstherrn gefunden hat, fährt er fort: „Nun geht's mir so gut, daß ich's fürs Erste gar nicht besser wünsche. Aber in Amerika denkt man nicht dran, immer zu bleiben, wo man ist;
Als Tobias so weit gekommen war, hielt er inne. Der Andres war in der Schule einer der Besten gewesen, obwohl nicht so fleißig, wie er — ein gescheidter, lustiger, später indeß zum Leichtsinn, zum „Prangen“ (Prahlen) und Rechthaben geneigter Bursch, der nicht überall gutthat und schon im Ries mehrfach die Plätze gewechselt hatte. Daß er nun so schreiben konnte, war doch auffallend! Das hatte Alles Händ' und Füß' und klang so vornehm! Der Stolz namentlich in der letzten Zeile flößte ihm Respect ein und erregte sein ganzes Wesen. Er sah mit Ernst auf den Tisch. Die Alte, die aus dem Bisherigen nur das Geschick und Glück ihres Sohnes herausgehört hatte, war erfreut, gerührt, und ermunterte, nach Mehr begierig, zum Weiterlesen.
Tobias las eine Schilderung des Dienstes. Wie er an die Summe kam, welche der Andres täglich erhielt, entfuhr ihm ein Schrei der Ueberraschung — es war viermal so viel, als er im besten Fall mit der Nadel verdiente! Was muß das für ein Land sein! murmelte er und las weiter. „Das Leben ist freilich auch theurer, als bei euch; aber man lebt besser und kann sich doch noch etwas ersparen. Wer etwas gelernt hat und brav arbeitet, der muß hier vorwärts kommen, es kann sich gar nicht fehlen — besonders, wenn Einer ein Hand-
Der Schneider hielt wieder inne. Die letzten Zeilen waren ihm wunderbar durch die Seele gegangen — er verstand ja ein Handwerk und die Landwirthschaft dazu! Er war ja derjenige, dessen Glück in dem Lande gewiß war; denn fleißig und arbeitsam war er ja auch! — Sein Gesicht erhielt einen muthigen Ausdruck, er erhob den Kopf, und zu der Alten gewendet rief er nachdrücklich: Euer Andres hat den Gescheidten gemacht — das sag' ich Euch! — Ja du lieb's Gottele, erwiderte das Weib, wenn's nur Alles so ist, wie er schreibt! Nun, wir wollen das Best' hoffen!
Tobias, den Umstand benützend, daß sie an ihrem Tisch allein saßen und auch der benachbarte leer geworden war, las den Schluß des Briefes mit erhöhtem Ton und einem Ausdruck, der dem Inhalt entsprach. Er lautete:
„Ja, ein anderes Leben hat man schon hier, wie bei den Bauern in Deutschland. Wie sich mancher Dienstbote von früh Morgens bis in die Nacht plagen muß um seine etliche Kreuzer, wo er verdient, es ist wirklich bedauernswerth, wenn man zurückdenkt. Dem Pfarrer und Beamten muß der Bauersmann das Geld hintragen, wo er das ganze Jahr mit seinem Schweiß verdienen muß. Das ist in Amerika nicht; da leben wir so gut jede Mahlzeit, wie die Herren Beamten in Deutschland. So lange der Bauer bei euch noch einen Kreu-
Dieser im ersten Amerika-Stolz geschriebene und schon eine gewisse Journalbildung verrathende Brief übte auf unsern Schneider die tiefste Wirkung. Das Selbstgefühl des Andres erhob seine Seele, die verachtungsvollen Ausdrücke über die Furchtsamen trafen ihn ins Herz; aber er las sie nicht kleinlaut, sondern mit Kraft, denn er wollte sich ja strafen durch die Wahrheit! Indem er die Schwäche seines Wesens mit dem neuen Amerikaner verdammte, tilgte er sie weg und konnte völlig Eins werden mit ihm. Die letzten Sätze las er mit einer Miene, als ob er der Andres selber wäre, und
Wie sie hinter einander den Fußweg hingingen, der sie nach Hause führte, war die Unterhaltung doch nicht so groß, wie das Weib gehofft haben mochte. Den Geist des Schneiders beschäftigte das Gelesene. Er sah mit rothem Gesicht schweigend vor sich hin; zuweilen erhob er den Kopf, blickte stolz und wild in die blaue Luft und nickte gewichtig. Schon hatten sie die Hälfte des Weges hinter sich, als er endlich den Mund öffnete und seine Gedanken verrathend sagte: Das muß ein merkwürdiges Land sein, das Amerika! Euer Andres
Als sie in die Gasse einbogen, kam ihnen der geistliche Herr entgegen, der den schönen Abend zu einem Spaziergang benutzen wollte. Tobias beschloß sogleich zu handeln, wie es seinen jetzigen Ansichten entsprach, vorübergehend rückte er nur ganz leicht den Hut und sagte: Guten Abend, Herr Pfarrer! — in einem Ton, als ob er einen Kameraden grüßte. Der alte Herr war zufällig in Gedanken und konnte also die Großthat gar nicht würdigen; den Burschen laufen lassend, dankte er der Wittwe, die sich vor ihn hingestellt und ihn mit
In seine Stube eintretend, fand er den Vater allein. Er grüßte ihn leicht, zeigte ihm die gekauften Sachen und empfing dafür seine Anerkennung, denn sie waren gut und billig erworben. Nachdem der Alte das Lob gespendet, verrieth er eine eigenthümliche Unruhe und eine Verlegenheit, als ob er nicht recht wüßte, was er nun thun, ja nicht einmal, was für ein Gesicht er machen sollte. Er rückte mehrmals an der alten Pelzkappe, die er im Hause trug, stellte sich dann zum Fenster und sah durch zwei Geranienstöcke, womit der Sims geziert war, auf die Gasse hinaus. Tobias betrachtete ihn und schüttelte den Kopf; er war seinerseits mit einem Vorsatz gekommen, überlegte nun, wie er die Sache einleiten sollte, und war eben daran, das Wort zu ergreifen, als der Alte sich umdrehte und entschlossen begann: Hör, wir müssen heut noch ein ernsthaftes Wort
In der That verhielt es sich so. Die Sibylle, die von dem Verhältniß des jungen Schneiders zur Bäbe keine Ahnung gehabt und immer hoffend gewartet hatte, war freilich tief beleidigt durch die Streiche, die sie von ihm erfuhr, und verachtete ihn drei Tage lang von ganzem Herzen. Nach und nach trat aber doch die alte Neigung wieder hervor, sie dachte sich das Zusammenleben mit dem hübschen, bösen Menschen angenehmer als
Als Tobias auf die erste Erklärung nicht gleich antwortete, fragte der Alte: Nun, werd' ich was hören? — Der Sohn zuckte die Achseln und erwiderte lächelnd: Vater, du hast's heut schlecht getroffen. — Wie so? rief der Alte, indem er ihn staunend ansah, schlecht getroffen? — Ja, versetzte Tobias; weil du mich heute weniger als jemals dazu bringen wirst, diese einfältige Person zu heirathen. — Der Vater betrachtete ihn von oben bis unten, trat dann einen Schritt näher und sagte mit tiefem Ernst: Tobias, ich rath' dir's in Gutem, mach mich nicht zornig. Ich versteh' heut gar keinen Spaß, und du hast mich noch lange nicht kennen lernen, wie ich eigentlich bin! Das kann ich dir sagen! — Tobias, der seinen Kopf erhoben, entgegnete: Und du hast mich auch noch nicht kennen lernen, wie ich eigentlich bin! — Der Alte machte ein Gesicht wie Einer, den seine bisherigen Begriffe zu verlassen anfangen. Was ist denn aber das? rief er endlich. Wo nimmt denn der Mensch auf einmal die Unverschämtheit her? — Ja, erwiderte Tobias mit halbem Lachen, das glaub'
Jetzt verließ den Alten die bisher mühsam behauptete Geduld. Wie, rief er mit Wuth und mit aller Verachtung der Wuth, wie, du willst dich gegen deinen Vater stemmen? Du elender Mensch! Du erbärmlicher Kerl! Du Tropf! Du Garnichts! Du willst — — Tobias war einen Schritt zurückgetreten und blaß geworden wie die Wand. Die so unsägliche Geringschätzung ausdrückenden Schmähreden waren wie vergiftete Pfeile in sein Herz gedrungen; bebend vor Entrüstung sah er den Alten an und rief: Schimpf' nicht so! Es ist eine Schand', wenn ein Vater so zu seinem Sohn red't! Pfui, was ist das für ein Benehmen! Was sind das für gemeine Manieren! Da sieht man schon — ! —
Weiter konnte er nicht reden. Der Alte, aufs Höchste erzürnt über die Widersetzlichkeit und über die Vorwürfe, die er von „seinem Buben“ zu hören bekam, ging auf ihn los, um die ultima ratio der Despoten gegen ihn anzuwenden; aber Tobias trat rasch weiter zurück, ergriff schnell wie der Blitz die auf dem Tisch liegende große Tuchscheere, erhob sie und schrie mit flammenden Augen: Schlag' mich nicht — oder es giebt ein Unglück!
Der Alte hielt inne und starrte ihn an. Er war erschreckt — nicht von der Scheere, obwohl die an rechter Stelle sehr gut treffen konnte — sondern von dem Anblick des Tobias. Bleich bis in die Lippen, schnaubend und zitternd stand er vor ihm. Aus den Augen blitzte rasender Grimm, und aus dem Gesicht ging der tiefunheimliche Glanz eines bis zum Wahnsinn gereizten und rachewüthigen Menschen. Der Vater, obwohl erzürnt, war doch nüchtern und sonst bei gesunden Sinnen — er trat zurück, wie der Vernünftige vor dem Tollen, indem er nur mit gedämpfter Stimme gleichsam für sich ausrief: Das muß ich sagen! — Mit ordentlicher Spannung sah er den Burschen an, mit dumpfer Neugier, was er nun beginnen werde.
Tobias ließ den mit der Scheere bewaffneten Arm sinken, aber nur so weit, daß er gegen einen erneuerten Angriff immer gerüstet war, und mit einem Ton, der halb wüthend, halb klagend und weinend klang, begann er: Nein, es ist zu arg — es ist eine Sünd' und eine
Mit einem bis zur Sinnlosigkeit gesteigerten Grimm und einem Rachegefühl, das sich nur durch Vertilgung genügen konnte, sah er sich um und hieb mit der Scheere in den Spiegel an der Wand, daß er in tausend Trümmer zersprang. Heiser schrie er: Alles muß hin sein! — ging über das benachbarte Kantenbrett her, und die Scherben von Krügen, Tellern und Schüsseln flogen klirrend auf den Boden. Er war förmlich rasend geworden. In einer Erregtheit, als ob alle Furien in ihm tobten, Schaum auf der Lippe, die Augen rollend, fuchtelte er mit seinem Instrument, schlug blind um sich, schlug die Hand in einen Splitter, daß das Blut heruntertroff, schimpfte und fluchte. — Die Maßlosigkeit des Gebarens, der giftige Blick, das Schäumen des Mundes und das Zucken der Glieder machte förmlich den Eindruck des Gräßlichen.
Der Alte hatte während der Rede nichts einzuwenden gefunden — er war von der Wahrheit, die in den Vorwürfen lag, getroffen. Als Tobias immer leidenschaftlicher wurde und endlich um sich schlug wie ein Besessener, erschrak er zu Tode, — er hielt ihn für wirklich verrückt und ging, kein Auge von ihm verwendend, rückwärts und rückwärts. Der Bursche drang nach und fuchtelte wild — der Alte sprang hinter den Ofen, ergriff einen Stuhl und hielt ihn als Schild vor.
So hatte sich denn das Blatt unerwartet, aber begreiflich, gewendet. In dem entsetzten Alten waren Stolz und Zorn so ganz und gar der Angst gewichen, daß er
Dieser Zuruf brachte den Fürchterlichen wieder zu einiger Besinnung. Durch die letzten Thaten gekühlt, mit gestilltem Vernichtungsdurst, hielt er inne. Die Zornwogen sanken, und Vernunft kehrte wieder in sein Haupt zurück. Als er nun aber umherschauend die Splitter und die Milchflocken auf dem Boden und den Vater seinen Stuhl vorhaltend hinter dem Ofen erblickte, da empfand er nicht Scham und Reue, vielleicht gar Schreck über das verübte Werk, nein, Stolz, höchsten Stolz — und die Süßigkeit der vollgesättigten Rache. Endlich hatte er seine Rede wahr gemacht und seinen Willen behauptet, nicht wie ein Esel, der sich schlagen ließ, sondern wie ein Löwe, der auf seine Gegner losgeht und Alles in die Flucht jagt! Ein Gefühl durchdrang ihn, so herrlich wie niemals in seinem Leben — die Seligkeit eines durch Muth und Schlagkraft errungenen vollständigen Sieges! Und in dem Bewußtsein des Geleisteten erhellte ein Genius seinen Geist und gab ihm die Fähigkeit, den Sieg auch zu benutzen. Hatte die Springflut des Zornes ihm vorhin den Sitz
Auf den nochmaligen Zuruf des Alten: Hör auf, ich bitte dich! trat er, die Scheere in der blutenden Rechten, zum Ofen und versetzte: Ich will aufhören, — weil du mich drum bittest! Aber die Bäbe muß ich heirathen dürfen! Mein Geld muß ich herauskriegen — was ich von der Mutter hab' und was mir von dir gehört! Und thun muß ich dürfen, was ich will, nicht was andere Leut' wollen! Kreuz Herrgott! — Der Alte, der ihn bei diesen Worten aufs Neue die Augen verdrehen sah und immer noch nicht sicher war, daß er's nicht mit einem wirklich Tollen zu thun hatte, entgegnete : Alles, Alles! Heirath', wen du magst, nimm, was dir gehört, und thu was du willst! — Schwörst du mir's? rief Tobias. — Ich schwör' dir's, erwiderte der Alte. — Nun, dann ist's gut, versetzte der Bursch und ließ den Arm mit der Scheere niedersinken. Mit Stolz fügte er hinzu: Ich bin alt genug, um selber einen Mann zu machen; ich hab' meinen Verstand (Daß Gott erbarm'! dachte der Alte) und werde dir beweisen, was ich für ein Kerl geworden bin! — Indem er ihn dabei ansah, fuhr er lächelnd fort: So, geh jetzt nur wieder vor — ich thu' dir nichts!
Der Alte, der den Stuhl in die Ecke gesetzt, ging
Wer das menschliche Herz kennt, weiß, daß der Streit damit in der That aus war. Der Alte hatte ein Versprechen gegeben, einen Schwur gethan. Durch die Klagrede des Sohnes über sein eigenes Unrecht aufgeklärt, fühlte er zugleich, daß ein Mensch, der sich so benahm, ihm in dieser Sache nicht mehr nachgeben, und daß die Erneuerung seiner Gewaltsamkeit ihn zu nichts führen würde, als allenfalls zu häuslichem Unglück. Was aber die Hauptsache war — der Bursch hatte ihm Respect
Während Tobias die abgetrocknete Scheere weglegte, sah der Alte mit tragikomischem Lächeln in der Stube umher. Auf die Splitter und Scherben deutend, sagte er: Da kann ich mir jetzt eine neue Einrichtung kaufen. — Der Sohn entgegnete mit Würde: Das geht dich nichts an, Vater! Ich hab' die Sachen zerschlagen, und ich schaff' sie auch wieder an — von meinem Geld! — So so, versetzte der Alte. Nun, du kannst freilich zahlen — du bist jetzt ein Kapitalist! — Tobias sah ihn auf diese Rede zugleich schelmisch und gutmüthig an und sagte: Vater, nimm die Sach', wie sie ist. Du hast deinen Willen oft genug durchgesetzt, die
Die beiden Schneider waren so ausschließlich mit sich beschäftigt, daß sie einen Trupp Menschen, der sich auf der Gasse angesammelt hatte, durch die freilich kleinen, etwas trüben und überdies von Geranien verdunkelten Fenster entweder nicht wahrnahmen, oder wenigstens nichts darauf gaben. Jetzt aber mußten sie emporsehen — die Thür ging auf, und die Walpurg trat ein, mit allen Zeichen des Schreckens in ihrem Gesicht.
Die Haushälterin war bei dem Krämer des Ortes, der am andern Ende des Dorfes sein Haus hatte. Wie sie eben nach abgeschlossenem Kauf mit dem Weibe desselben noch eine gemüthliche Plauderei begann, ging ein Bauer vorbei, sah die unter der Thür Stehenden und rief: Walpurg, macht, daß Ihr nach Hause kommt, sonst schlägt Euer Alter den Tobias noch gar todt! Es geht fürchterlich zu bei Euch! — Um Gottes Himmels willen, rief das gute Weib und eilte, was sie eilen konnte. Wie sie den Haufen Menschen vor ihrem Hause sah,
Wie sie den Tobias dastehen sah, athmete sie auf: es war wenigstens nicht zum Todtschlag gekommen! Aber sie sah die Zerstörung in der Stube, sie sah Milch und Blut auf dem Boden, sah das Pflaster an der Hand des Tobias — das Verbrechen des Alten war klar! Und nun mochte es gehen, wie es wollte — sie mußte reden und dem Alten sagen, was er für ein Mensch sei. Indem sie die tiefste Mißbilligung auf ihrem Gesicht ausdrückte, rief sie: Ist jetzt das auch recht, sein eigenes Kind so zu behandeln — einen Menschen in dem Alter so zu schlagen, daß das Blut in der Stube herumläuft? Das ist gottvergessen! Und wenn Ihr mich gleich aus dem Haus jagt, so muß ich Euch sagen — — Das Angesicht des Tobias hatte sich bei diesen Worten erheitert, und der Alte fiel mit humoristischem Unmuth ein: Sei ruhig mit deinem dummen Geschwätz! Ich bin froh, daß er mich nicht todtgeschlagen hat, der Blitzkerl! — Ja, ja, Bas', fügte Tobias lächelnd hinzu, dasmal ist's anders gegangen, als Ihr meint. Ich hab' den Spieß umgedreht! — Ach, das ist nicht möglich! rief sie. —
Während das Weib die Trümmer auflas, öffnete die Thür sich wieder, und Kasper trat ein, von einem Gange herkommend, den ihm der Vater aufgetragen. Auch er hatte die Leute vor dem Hause gefragt, aber schon eine weniger tragische Antwort erhalten, und er ging in die Stube mit der Aussicht auf die gänzliche Demüthigung des Bruders. Als er diesen
Nach einer guten halben Stunde saß die ganze Familie friedlich beim Abendessen. Alle Spuren der Zerstörung waren verwischt — die Stube frischer als vorher und so heimlich als jemals. Tobias hatte die Zeit zu seiner Execution insofern gut gewählt, als am Samstag Boden, Tisch und Bänke ohnehin geputzt werden mußten; es machte kaum besondere Arbeit nöthig, und die Haushälterin konnte noch am Tage die Suppe austragen. Die gute Alte war nach ihm am vergnügtesten. Ueber die Ereignisse des Abends in der Haupt-
Gegen das Ende des Essens veränderte sich die Miene des Alten, und er machte ein seltsames Gesicht. Nachdem der Auftritt in jedem Betracht geendigt war, hatte er ihn doch wieder überdenken müssen und staunte nun hinterdrein über seine Möglichkeit. Das Ganze erschien ihm wie ein toller Traum, lächerlich und dessenungeachtet über die Maßen ernsthaft. Soll ich dem Burschen jetzt wirklich nachgeben müssen? Soll ich verloren haben? Diese Frage erhob sich noch einmal in ihm, und er überlegte. Aber alle bessern Gründe sprachen fürs Nachgeben — die Quelle gewaltsamer Thaten sprudelte nicht mehr in ihm — er beschloß, mit guter Manier sich zu fügen.
Tobias erhielt eine Ahnung von diesen innern Vorgängen und fühlte sich durch Gutmüthigkeit und Klugheit getrieben, den Ueberwundenen durch freundliche Reden munterer zu machen und ihm namentlich durch kindliche Bescheidenheit wohlzuthun. Er war, wie gesagt, erleuchtet
Als die Walpurg in die Küche, Kasper aus der für ihn höchst unheimlichen Atmosphäre in den Hof abgegangen war, sagte er: Vater, ich glaub', es ist das Beste, wenn wir heut auch gleich ausmachen, was ich von dir zum Heirathsgut bekomme. — Der Alte, das Praktische dieses Antrags erkennend, erwiderte mit kuriosem Lächeln: Ja, das glaub' ich schon auch, daß dies das Beste ist! — Nun, rief unser Bursche treuherzig, so sag mir gleich, was du über das mütterliche Vermögen von dir noch geben willst! — Der Alte besann sich und nannte ihm endlich eine Summe, die nach Verhältniß seines von Tobias nicht ganz gekannten Vermögens gering war, sodaß der geliebtere Kasper immer noch um ein Gutes besser bedacht werden konnte. Der Sohn erkannte wohl, daß der Vater ihn keineswegs begünstigte, aber er war in höherm Schwung der Seele — nebenbei gesagt auch um dieses froh! — und versetzte: Damit bin ich zufrieden und dank' dir schön! — Er reichte dem Alten die Hand, und dieser, von solcher Bescheidenheit und Bravheit beinahe gerührt, drückte sie ihm väterlich.
Nach einer Pause begann derselbe mit theilnehmend zweifelndem Ausdruck: Was willst du denn aber jetzt eigentlich thun? Wenn das Mädchen hundert Gulden hat, wird's Alles sein; oder hat sie mehr? — Tobias
Tobias zeigte ein Gesicht, wie Einer, der seiner Sache gewiß ist, und erwiderte: Vater, ich mein', wir haben heut genug mit einander ausgemacht. Lassen wir's dabei bewendet sein, morgen ist auch noch ein Tag. Ich weiß, wo ich hingehör' und wo ich mein Glück machen muß — und wenn ich das sag', dann ist's genug. — Der Alte schaute ihn an und schüttelte den Kopf. Darf's der Vater nicht wissen? — Jetzt noch nicht, versetzte der Bursche, und da er im Gesicht des Alten tiefen Unglauben erkannte, stand er auf und sagte: Vater, vertrau mir! Ich hab' dir heut gezeigt, daß ich etwas kann, was du mir vorher nicht zugetraut hättest (Unverschämter Mensch! dachte der Alte) — und jetzt soll's immer so fortgehen (Gute Aussichten!). Vom heutigen Tage hebt für mich ein neues Leben an. Ich werde glücklich, ich werde, und das in nicht gar zu langer Zeit,
Tobias beachtete diese Bewegung um so weniger, als es unterdessen dunkel geworden war und die Glocke bedächtig neun Uhr schlug. Der Glückliche hätte nun zur Bäbe gehen und der Guten, Lieben und Treuen den Erfolg mittheilen können; aber er hatte sich etwas Anderes ausgedacht, was ihn schöner dünkte; und da ihn die Ereignisse des Tages doch ermüdet hatten, sagte er dem Vater herzlich Gute Nacht und ging zu Bette.
Am andern Morgen war unser Schneider der Löwe des Tages. Der Abend des Samstags ist auch für den Bauer eine Ferienzeit; man besucht sich mehr als sonst in der Woche, das Wirthshaus hat größern Zuspruch, und man überläßt sich mit reinerm Behagen der Lust des Gesprächs. Daß nun ein Auftritt, wie der zwischen Tobias und seinem Vater, mit der größten Schnelligkeit im ganzen Dorf herumkam, ist bei dem Interesse, das die Familie schon auf sich gezogen hatte, nicht zu verwundern. Aus den Vermuthungen des Trupps, der vor dem Hause stand, aus der Nachricht der Walpurg,
Als zur Kirche geläutet wurde, sah man den alten Schneider allein aus dem Hofe treten und still und ernst dem Gotteshause zugehen. Weder auf dem Wege noch in der Kirche selbst konnte man an seinem Kopfe die geringste Spur einer Verletzung wahrnehmen; diejenigen,
Im Pfarrhause war das Ereigniß erst kurze Zeit vor dem Beginn des Gottesdienstes bekannt geworden. Der Grund war, daß sich die Frau Lehrerin am Samstag unpäßlich fühlte, Abends nicht mehr ausging und auch am Sonntag erst spät sich erheben konnte. Die Lesart, die durch ein Bauernweib an die Pfarrerin kam, meldete arge Händel zwischen Vater und Sohn, wobei sie sich wechselseitig beschädigten und viele Geschirre zu Grunde gingen. Also wieder! sagte sich die Frau mit Ernst und Unmuth, wie sie allein war. Nun wird's bald unmöglich, den Scandal vor meinem Mann länger zu verbergen! — Daß er von der letzten Geschichte nichts erfahren hat, ist schon ein Wunder (übrigens aus dem Charakter des Geistlichen und aus ihren eigenen Vorkehrungen zu erklären). Aber jetzt, wo die Sache wieder aufgerührt ist, wird am Ende doch etwas an ihn kommen, und es wird vielleicht nothwendig werden, ihm Alles zu sagen. Wollte Gott, das Mädchen hätte mein Haus nie betreten! — Das Zusammenschlagen der Glocken mahnte sie, die sonntägliche Toilette zu vollenden und sich ins Gotteshaus zu begeben. Hier konnte sie von ihrem Stuhl den alten Schneider nicht sehen, und auf dem
Sie war in der untern Stube allein — der Geistliche erquickte sich in der Gartenlaube —, als die Bäbe von der Küche hereinkam, um eine Frage wegen des Mittagessens an sie zu richten. Das Mädchen zeigte das gefaßte, stillhoffende, sanft melancholische Gesicht, das man seit dem entscheidenden Gespräch im Hause an ihr gewohnt war. Die Frau gab ihre Anweisung und fuhr dann mit der Miene des Bedauerns, ja der Anklage fort: Bei dem Schneider hat's gestern wieder Streit gegeben! Hast du schon was davon gehört? — Ja, versetzte die Bäbe mit dem Ton der Ergebung; aber nichts Genaueres. Man hat mir nur gesagt, daß Vater und Sohn hintereinandergekommen sind. — Die Pfarrerin fuhr fort: Mir ist dieser ewige Unfriede fatal, sehr fatal! Ich wüßte nicht, was ich drum gäbe, wenn ich nichts mehr davon hörte! — Ich bedaur' es auch, erwiderte die Bäbe, aber ich kann nichts dafür. — Wirklich nicht? versetzte die Frau. Hast du dir keinen Vorwurf zu machen? Hast du das Wort, das du mir gegeben, nicht gebrochen? — Nein, Frau Pfarrerin, entgegnen das Mädchen. Einmal, vor acht Tagen, Abends gegen neun Uhr, sind wir uns zufällig auf der Gasse begegnet; aber wir haben kaum eine Minute mit einander gesprochen und uns nur unser Leid geklagt. — Und du hast nicht an ihn geschrieben? Hast ihn nicht durch Klagen dazu gebracht, daß er seinen Vater mit Zu-
Die Frau schwieg. Nach einer Pause begann sie: Der Handel ist um so unangenehmer, als man in dem Fall, daß Tobias auf seinem Kopf bleibt, kein Ende davon absehen kann. Den alten Eber bringt ihr nicht dazu, daß er euch nachgiebt. Den kenn' ich besser! — Es mag sein, versetzte die Bäbe. Ich muß es eben annehmen, wie's kommt. — Das Gesicht der Pfarrerin erhellte sich, wie durch eine Anwandlung von Laune, und sie sagte: Das Gescheidteste wär', wenn für dich jetzt eine gute Partie auskäm'! So ein reicher Wittwer etwa, der oft froh ist, wenn er ein tüchtiges Hausweib kriegt zu seinem Geld und seinen Kindern. Und das würdest du abgeben, dafür könnt' ich einstehen! — Die Bäbe schüttelte unwillkürlich den Kopf und sah zu Boden. — Wie, rief die Pfarrerin, du würdest so einen Antrag ausschlagen? — Ja, Frau Pfarrerin, erwiderte das Mädchen. Solang der Tobias keine Andere heirathet, heirath' ich auch nicht! — Das ist ja ernsthafter, als ich gedacht hab', rief die Frau. Aber, setzte sie nach einer Weile hinzu, was findest du denn nur so Besonderes an dem Menschen? Ein nettes Bürschchen ist er; aber, so lang' ich ihn kenne, der Spott des Dorfes, furchtsam wie ein Hase und doch wieder eitel und prahlerisch — kurz, ein Schneider, wie's nur einen geben kann! Hast du denn das nicht auch gehört und gesehen? — Allerdings, Frau Pfarrerin, entgegnete die Bäbe mit
Die Wangen des Mädchens hatten sich höher gefärbt und ihre Augen einen so muthigen Schein bekommen, daß die Frau sich nicht enthalten konnte, sie beifällig anzusehen und zu nicken, als ob sie sagen wollte: Du wärst's im Stande! — Die Bäbe fuhr fort: Der neue Streit zwischen Vater und Sohn ist zu bedauern, und ich kann ganz ehrlich sagen, daß er mir so unlieb ist wie Ihnen. Aber was wird dran Schuld sein? Daß der Vater ihn wieder hat zwingen wollen, die Andere zu nehmen, und daß er sich nicht dazu hat bringen lassen. Und das muß mir doch auch wieder gefallen an ihm, und ich muß denken: wenn ihm auch Manches fehlt zu einem rechten Mann — die Hauptsach' hat er doch! Wenn er so furchtsam gewesen ist von jeher und sich nichts getraut hat und nun einem so starken und gewaltthätigen Mann, wie sein Vater ist, doch nicht nachgiebt, sondern sich gegen ihn stellt und lieber Alles aushält, als von mir läßt — muß ich ihm nicht auch lieber sein, als Alles? Und so einen Menschen sollt' ich
In die Augen des Mädchens waren Thränen gekommen, die sie nicht zu verbergen bemüht war. Die Pfarrerin schwieg, denn hierauf war nichts mehr zu sagen. Zu rechter Zeit ließ sich aus der Küche ein Geprassel hören, wie von einem überlaufenden Hafen. Die Bäbe wischte sich die Augen mit ihrer Schürze und eilte hinweg.
Das Mittagessen verlief ruhig; für den Geistlichen, der auf den Ruf der Bäbe schon sehr vergnügt vom Garten gekommen war, ungemein heiter. Der würdige Herr befand sich dermalen ganz und gar wohl und damit fähig, sich an Allem aufs Innigste zu freuen. Die Blumen im Garten hatten ihn nie so glücklich gemacht wie heute, und an dem Schatten in der Laube hatte er sich noch nie so wundersam gelabt wie bis zu dem Augenblick, wo man ihn zum Essen rief. Ein frischgedeckter Tisch am Sonntag, mit blankem Tischtuch, blanken Servietten, Reinheit und Reinlichkeit strahlend und duftend, und dazu die sichere Aussicht auf ungewöhnlich gute Speisen, können die Laune eines Mannes nicht niederschlagen, der sich bei höherem Wohlsein auch eines stärkeren Appetits erfreut. Unser Geistlicher, liebevoll, wie er war, unterhielt das Gespräch wieder mit Loben; nach den Blumen und der Laube pries er die Suppe, das Rindfleisch und den Braten — und schwer war es zu sagen, welche Anerkennung gefühlter klang. Er nickte
Auf einmal, wie sich auf etwas besinnend, rief er: Mein, Frau, wie ich aus der Kirche gegangen bin, ist mir's gewesen, als hätt' ich hinter mir sagen hören, beim Schneider Eber hätt's Händel gegeben zwischen Vater und Sohn. Hast du was erfahren? — Das Mädchen konnte, wenn auch jede sonstige Bewegung, doch ihr Erröthen nicht verhindern; die Frau bemerkte: Ja wohl, unsere Nachbarin hat mir dasselbe gesagt. — Was haben denn aber die auf einmal mit einander? fragte der Pfarrer ernsthafter. Sie sind doch immer ganz gut ausgekommen? — Man sagt allerhand, versetzte die Gattin. Der Vater will, daß Tobias die älteste Tochter des Bach-Webers heirathe — — Und der mag sie nicht? fiel der alte Herr ein. — So scheint's, bemerkte die Frau. — Hm, hm, versetzte der Pfarrer. Das Mädchen ist nicht die Schönste, aber ordentlich und fleißig, und der Weber ist ein Mann, der gut steht.
Die Pfarrerin schwieg hierauf, weil ihr nicht gleich eine in ihren Sinn passende Antwort einfiel; die Bäbe fühlte, daß ihr Gesicht hochroth war, und wendete sich ab, um in die Küche zu gehen. Die Verlegenheit dauerte indeß nur einen Moment; denn nach kurzer Pause klopfte es stark an die Thüre, wie Herren nicht zu klopfen pflegen, und auf das „Herein“ des Geistlichen traten durch die geöffnete Thür der alte Schneider und Tobias.
Beide waren in ihrem besten Staat; ihre Mienen ernst, feierlich, namentlich die des Alten. Etwas ungelenk, aber doch mit jener Würde, die der Bauer bei Gelegenheit anzunehmen pflegt, verneigte sich dieser und sagte: Guten Tag, Herr Pfarrer! Guten Tag, Frau Pfarrerin! — Guten Tag, Eber, erwiderte der überraschte Herr, indem er die Beiden verwundert betrachtete. Was führt Euch zu mir? — Der Alte trat einen Schritt näher und sprach: Eine eigene Sach', Herr Pfarrer — mein Sohn will heirathen. Tobias ergriff jetzt seinerseits das Wort und sagte mit einigem Erröthen: Ja, Herr Pfarrer, das will ich.
Die Pfarrerin sah staunend auf die zwei Leute, die offenbar einig waren, und wußte nicht, was sie denken sollte. Die Bäbe stand an der Seite wie angewurzelt, ihr Gesicht brannte, und ihre Brust bebte. Tobias hatte ihr keinen Blick zugeworfen — der Vater
Mit dem reinsten Vergnügen erwiderte der alte Herr: Also der Tobias hat nachgegeben und heirathet die Tochter des Bach-Webers? Ihr seht, ich weiß schon Alles! — Der alte Schneider zauderte zu reden, indem er bescheiden für sich hinlächelte. Der Pfarrer erinnerte sich, daß die Magd in der Stube war, und in der Meinung, daß der Vater vor dieser nicht mit der Sprache herauswolle, winkte er ihr und sagte: Bäbe, geh in die Küche!
Das Mädchen hatte gesehen, wie Tobias auf die Rede des Pfarrers höher geröthet vor sich hinschaute, just wie Einer, der sich schämt! Mit dem schwersten Herzen von der Welt, mit unendlicher Bitterkeit und kaum ihre Thränen zurückzuhalten vermögend, schickte sie sich an, die Stube zu verlassen. Da rief aber der alte Schneider: Ja, Herr Pfarrer, Die darf nicht fort — Die gehört zur Sach'! — Die Bäbe? rief der alte Herr verwundert. — Ja, Herr Pfarrer, versetzte der Schneider. Die ist's ja grad', die mein Sohn heirathen will! — Ja wohl, Herr Pfarrer, rief Tobias, Die will ich heirathen!
Nun war die Reihe, zu staunen und nicht begreifen zu können, an dem alten Herrn. Die Pfarrerin hatte ein „Ah“ ausgestoßen, in welchem eben so viel Vergnügen als Ueberraschung lag; denn sie war gut und freute sich des Ausgangs nicht um ihret-, sondern um der Bäbe
Der alte Herr, Alles dies nicht gewahrend, weil er nur auf den alten Schneider sah, rief endlich mit der herzlichsten Verwunderung: Die Bäbe? Ja, wie kommt er denn auf Die? — Die vollkommene Unschuld dieser Frage hätte die Pfarrerin beinahe lachen gemacht. Wenn sie aber die Verlautbarung ihrer Heiterkeit unterdrückte, so konnte und wollte sie doch den Schein auf ihrem Gesichte nicht zurückhalten; sie sah mit wahrem Vergnügen, mit der angenehmsten Frauenschelmerei vor sich hin.
Der alte Schneider antwortete: Du lieber Gott, — wie geht's nicht in solchen Sachen? Sie gefällt ihm halt, und er meint eben, nur Die könnt' sein Glück machen! — Ja, fügte Tobias hinzu, das ist auch wirklich meine Meinung, Herr Pfarrer, 's ist nicht nur darum, weil sie mir von Person am besten gefällt, sondern weil sie so geschickt ist und so fleißig und alle Arbeit so gut kann, wie ich gesehen hab'; deßwegen hab' ich sie gewählt!
Ueber den Vater kam jetzt der Schalk. Ueberzeugt,
Das war der Pfarrerin denn doch zu bunt; unfähig, ihr Gerechtigkeitsgefühl länger zurückzuhalten, bemerkte sie: Nun, nun, so ganz ohne Geschichten, die man gern anders gewünscht hätte, ist's doch nicht abgegangen! Fehler hat sie schon auch gemacht, und ein ganzer Engel ist sie grad' nicht! — Der alte Herr, mit dem wohlwollend satirischen Lächeln eines Mannes, der seine Hälfte necken will, entgegnete: Ja freilich, ihr Frauen wißt immer was und habt immer was zu klagen. Euch kann man nie genug thun! Aber, setzte er gegen die beiden Schneider gewendet hinzu, gegen mich ist sie immer gut und dienstwillig gewesen, und ich hab' nie was Un-
Tobias und die Bäbe hatten sich während dieser Reden unbemerkt vergnügte Blicke zugeworfen, womit sie sich wechselseitig erklärten: Wir bedauern's doch nicht! Nach den letzten Worten trat das Mädchen ein wenig vor und sagte, das Haupt senkend mit einer reizenden Mischung von Ernst und Scheinheiligkeit: Ach, Herr Pfarrer, die Frau Pfarrerin haben die Wahrheit gesprochen ! Es ist Allerlei geschehen, was nicht hätte geschehen sollen, und ich hab' mich gar mancher Fehler anzuklagen! Ich bin lange nicht so gut, wie Sie meinen, Herr Pfarrer, — nein, ich hab' meinen Theil Sünden trotz der Mühe, die ich mir gebe, besser zu werden. Aber Sie halten eben andere Leute für gut, weil Sie selber so gut sind, Herr Pfarrer, und in Ihrer Güte nur das Schöne an Andern sehen und Tugenden, die Sie am Ende nur selber haben. Ich dank' Ihnen für Ihre Meinung von ganzem Herzen; aber leider, ich verdiene sie nicht!
Der geistliche Herr war im Innersten befriedigt. Diese Gesinnung machte dem Mädchen eben so viel Ehre, wie ihre Art, sich auszudrücken, und er konnte nicht umhin, sie aufs Freundlichste dafür anzusehen. Dann wendete er sich zu den Brautwerbern und sagte mit heiterer Würde: Ja nun — ich hab' durchaus nichts gegen diese Heirath, obwohl ich nicht so leicht wieder ein Mädchen ins Haus bekommen werde, wie die Bäbe. Wenn
Die Liebenden, durch diesen Zuruf von den Rücksichten, die sie bisher gebunden hatten, befreit, gingen auf einander zu, gaben sich die Hände und drückten sie wiederholt mit größter Zärtlichkeit. Sie sahen sich dabei so gerührt und doch so verständnißinnig an, daß auch dem Geistlichen, der sich die Freude des Mädchens bis jetzt aus der angetragenen guten Partie erklärt hatte, der Gedanke kam, es möchten zwischen Beiden doch schon nähere Beziehungen obgewaltet haben.
Die Bäbe ging von Tobias zu seinem Vater, reichte ihm die Hand und sagte: Herr Eber, ich dank' Euch! Ich weiß nicht, wie ich zu dem Glück komme, daß Ihr so gut gegen mich seid und mich zur Schwiegertochter wollt; aber ich nehm's in Demuth an, und ich versprech' Euch, es soll Euch nicht reuen! — Der Alte betrachtete sie mit Wohlwollen, erwiderte indessen nicht
Das Mädchen, die ihren Takt auch in der Fülle des Glücks nicht verleugnete, trat wieder zurück und nahm die Haltung einer Magd an, indem sie nur ihre Augen die einer Braut sein ließ. Die Pfarrerin, dies bemerkend, gab um so eher den Regungen ihres guten Herzens nach. Frauen pflegen gewisse Vergehungen bekanntlich nachsichtiger zu beurtheilen, wenn sie in die Vergangenheit gerückt sind; der Ehebund, der nachfolgt, hat eine sanctionirende Macht, und es heißt auch hier: Ende gut, Alles gut! Mit wahrhaft froher Theilnahme gratulirte die Frau der Bäbe, indem sie hinzufügte: Das Glück ist bis jetzt mit dir gewesen, Mädchen, es wird auch ferner mit dir sein!
Tobias hatte während dessen nachdenklich dagestanden. Jetzt wendete er sich zu dem Geistlichen und sagte: Herr Pfarrer, ich bitt' um Verzeihung, aber ich muß noch etwas zur Sprach' bringen, denn es gehört nothwendig zur Sach'. Ich will eine Frau, nicht um mit ihr hier im Dorf zu bleiben, auch nicht in der Nachbarschaft — — Willst du aus dem Land? fiel der alte Herr verwundert ein. Ins Würtembergische? — Nein, Herr Pfarrer, erwiderte Tobms, indem er mit
Ja, Herr Pfarrer! wiederholte Tobias mit Nachdruck, nach Amerika! Wir bringen nicht so viel zusammen, daß wir hier gut fortkommen könnten; aber dazu reicht's, daß wir mit einander hinüberfahren und auch für den Anfang dort etwas haben. Es ist mir berichtet worden von einem alten Bekannten, daß es mir in Amerika besonders gut gehen muß, weil ich nicht nur ein Metier gelernt hab', sondern auch das Bauernhandwerk verstehe. Was ich nicht kann, das kann meine Braut; und da hab' ich keine Sorg', daß es mit uns nicht vorwärts geht. Und alle Achtung vor unserm Ries, Herr Pfarrer; aber wenn man von Haus aus nicht viel hat, dann kommt man hier nicht gar weit; da drüben aber, da läßt sich noch ein Glück machen, wenn man seine Sachen versteht und Kurasche hat! Da kann man reich werden — Gott weiß, wie! — Aber auch um Alles kommen, wenn man Unglück hat, bemerkte der Geistliche warnend. — Ich hab' was Gut's im Sinn, versetzte Tobias mit Ernst, und ich vertrau auf Gott! Meinem Vater habe ich die Sache ausgelegt; er hat zugeben müssen, daß ich Recht hab', und willigt ein. — Das thu' ich, Herr Pfarrer, bekräftigte
Das Mädchen war mit hochrothem Gesicht dagestanden, und aus ihrer Miene sprach eine Freude, die noch auf etwas ganz Besonderes deutete. Ich geh' mit dir, wohin du willst, antwortete sie, und wenn's ans Ende der Welt wäre; am liebsten aber da hinüber! Ich hab' ja zwei genaue Freunde dort, meines Vaters Bruder und seinen Schwager, und hab' selber schon daran gedacht, wenn es hierzulande nicht mehr ginge, dort mein Glück zu versuchen. Und indem sie den Geliebten mit feuchten, aber schelmischen Augen ansah, fügte sie leiser hinzu: Das ist's ja eben, was ich gemeint hab' —. Sie hielt inne, um sich vor dem Geistlichen nicht zu verrathen. Aber Tobias brauchte nicht Mehr: er hatte im Nu den vielberührten, aber stets ein Mysterium gebliebenen, zweiten Plan erkannt! Dieses Zusammentreffen erfüllte sein Herz mit der feinsten Lust, die nicht umhin konnte, sich in einem tiefempfundenen „Ah“ auszusprechen. Das Mädchen theilte dieses Gefühl und rief: Nun muß es uns gut gehen da drüben! — Ja, entgegnete der Bursche, das muß es und das wird es auch!
Mit Selbstgefühl, aber zugleich mit dankbar gerührter Seele stellte er sich vor den Geistlichen. Der blinde Amerika-Hochmuth von gestern war aus dem guten und im Grunde seines Wesens rechtlich denkenden Burschen gewichen. Er fühlte die ganze Liebenswürdigkeit des ehrwürdigen Herrn, und in diesem Gefühl sprach er: Herr Pfarrer, ich dank' Ihnen für Ihre Güte. Wir lassen uns hier noch zusammengeben — von Ihnen, Herr Pfarrer — anders würd' ich's nicht thun. Und wenn ich hinübergehe, werd' ich den Unterricht, den ich von Ihnen erhalten habe, nie vergessen und immer bedacht sein, ihm Ehre zu machen. — Brav, mein Sohn, rief der alte Herr. Mit dieser Gesinnung wirst du überall glücklich sein, wohin du auch kommen magst. — Auch Ihnen, Frau Pfarrerin, dank' ich — für Alles! Den Ton, womit der Bursche die zwei letzten Worte sprach, würdigend und den kleinen Stich erkennend, versetzte die Frau mit Lächeln: Nichts zu danken! — es ist Alles gern geschehen! — Vater und Sohn verabschiedeten sich.
Auf dem Heimwege dachte der in den Tiefen seiner Seele befriedigte junge Schneider, daß der Andres in seinem Briefe wegen der geistlichen Herren doch sehr übertrieben habe. Denn wenn es auch welche gäbe, die ungefähr so wären, wie er meine, so gäb's doch auch wieder andere, die nicht wackerer sein könnten. Und daß die gleichsam gar nicht nöthig wären und ihr Brot umsonst verdienten, das war doch, genau genommen, eine
Es war der Leard, der mit jenem feinen Burschen, den wir auch vom Wirthsgarten her kennen, aus einer Seitengasse kam. Nun, begann der erstere nach erhaltenem Dank, indem er Vater und Sohn mit den Augen maß, ihr geht ja mit einander so einträchtig, als ob ihr Ein Herz und Eine Seele wärt? — Das sind wir auch, versetzte Tobias mit Selbstgefühl. Wir sind eben beim Pfarrer gewesen und haben um die Bäbe angehalten, die jetzt meine Hochzeiterin ist. — Ah! Wahrhaftig? riefen die beiden Bursche wie aus Einem Munde. — Allerdings, erwiderte der Alte mit Ernst, so ist's.
Das breite Gesicht des Uhzers, der nur zum Spaß ein böser, sonst aber ein guter Kerl war, erhellte sich in wahrer Theilnahme, die aber natürlich durch einen Schein von Satire belebt blieb. Das freut mich, rief er, und ich wünsche von Herzen Glück! Dann, des jungen Schneiders Hand schüttelnd, setzte er lächelnd hinzu: Nun, was hab' ich gesagt? Gelt, ich hab' dich besser gekannt, als du selber? Ich hab' dir angesehen, was du für ein Teufelskerl bist, wenn du einmal anfängst! Zum Alten gewendet, sagte er schon mehr in seiner bekannten Art: Schneider, Ihr seht, man muß nur warten können!
Als sie wieder allein waren, begann der Sohn, um einem allenfallsigen Gedanken des Alten zu begegnen: Nun, Vater, hast du dir heut die Bäbe recht betrachtet? Wie meinst du? Ist das Mädchen nicht werth, daß man ihretwegen einige hundert Gulden mehr oder weniger nicht ansieht? — Der Alte, von der Schönheit der Erwählten, die heute freilich im höchsten Glanze geleuchtet hatte, selber eingenommen — denn er war ein Kenner und seinerzeit ein Verehrer des Geschlechts! — durch die guten Aussichten in Amerika nicht nur beruhigt, sondern gehoben, versetzte lächelnd: Mensch, du hast mehr Glück gehabt, als du verdienst! Meiner Lebtag hätt' ich nicht geglaubt, daß du so ein Weib zu kriegen verständest. — Nicht nachgeben, lieber Vater, erwiderte Tobias heiter, nicht nachgeben! Das ist's!
Wenn der Erzähler ein Liebespaar im Ries zur Hochzeit befördert und auf einem Bauerngut oder einem Söldgut untergebracht hat, dann kann er mit gutem Gewissen schließen. Für das Wohlsein der Geprüften ist gesorgt und ihr Leben, sofern nicht außerordentliche Zufälle eintreten, nimmt den gewöhnlichen dorfmäßigen Verlauf, den sich Theilnehmende beliebig ausmalen können. Ist aber ein Paar in dem Fall, sein äußeres Glück — das unter Umständen zu dem innern so wesentlich gehört — im fernem Lande erst suchen zu müssen, dann hat die Erzählung kein Ende, wenn nicht gezeigt wird, daß sie es auch gefunden, wenigstens den Grund dazu gelegt haben.
Schreiber dieses ist glücklicherweise in dem Fall, seiner Geschichte, nachdem seit der letzten Scene im Pfarrhause Jahre verflossen sind, durch den Hinweis auf Thatsachen das erforderliche Ende geben zu können.
Tobias und die Bäbe machten so bald als möglich Hochzeit, verlebten die Honigwochen unter Zurüstungen auf die große Wanderung und traten diese, versehen mit Geld und Segenswünschen, noch im Laufe des Sommers an. Ohne besondere Erlebnisse in der neuen Heimat angekommen, suchten sie die Verwandten der Bäbe in Wisconsin auf, trafen glücklich dort ein und nahmen Dienst bei einer englischen Familie. Dies meldete Tobias
„Ich hab' Euch beim Abschied versprochen, keine Lüge zu melden; und so dachte ich, ich wollte mit dem Schreiben warten, bis es uns besser hier gefiele. Mir hat es im Anfange sehr „and gethan“, und meinem Mann auch. Es ist hart für eins, wenn es gleich zu englischen Leuten kommt und versteht ihre Sprache nicht; wenn man aber sprechen kann mit ihnen, dann hat man es gut, und als wir dieses lernten, befanden wir uns gleich viel besser. Jetzt brauch' ich Niemand mehr zu fragen, was das Englische bedeutet; ich kann so gut Englisch, wie Eins von den Deutschen hier, und jetzt gefällt es mir und meinem Mann ganz gut, und es geht uns auch gut, besser als wir denken konnten.
„Wir sind nämlich jetzt nicht mehr in Diensten, sondern haben eine Farm angenommen. Wir haben uns
„Es ist noch nicht lange her, da überfiel den Herrn plötzlich eine Krankheit; der Tobias mußte einen Arzt holen, und ich war allein bei ihm; ich machte ihm warmes Wasser für seine Füße und pflegte ihn, und er wurde besser. Nun sagt er, ich hätte ihm sein Leben errettet und er habe mich in seinem Testament bedacht mit eintausend Dollars, macht nach bayrischem Gelde zweitausendfünfhundert Gulden; das bekomme ich, wenn er stirbt.
„Aber nun muß ich Euch doch das Beste schreiben! Ich bin schon vor einem halben Jahr niedergekommen mit einem Buben, der dem Tobias gleichsieht, aber nach meiner Ansicht „stockhafter“ wird. Nach seinem Großvater hab' ich ihn Balthasar taufen lassen. Mein Mann hat eine außerordentliche Freude an ihm, und seit wir das Kind haben, ist es uns erst, als ob wir hier daheim wären. Wir sind jetzt vollkommen zufrieden. Tobias ist gut gegen mich und ich gegen ihn, und wenn man gesund ist und ein gesundes Kind hat und vorwärts kommt, was kann man sonst noch verlangen? Unser Herrgott ist gnädig gegen uns gewesen, das müssen wir anerkennen, und wir thun's auch. Wir haben jetzt ein paar Ochsen, drei Kühe, ein Joch Stiere, ein Kalb und
„Wenn Ihr Euern Tobias jetzt sehen würdet, thätet Ihr Euch gewiß verwundern. Er hat seinen Bart stehen lassen, und sein Kopf ist röther und runder als sonst. Gedanken macht er sich nicht mehr so viel wie sonst, und die Schneiderei treibt er nur so viel wir's für uns nöthig haben; er geht seinen Gang fort und ist ein ganzer Bauer geworden. Zuweilen, des Abends oder auch des Nachts, reden wir von den alten Zeiten und freuen uns über die närrischen Sachen, die uns begegnet sind, und lachen laut mit einander.
„Wenn ich manchmal wünsche, noch einmal nach Deutschland zu kommen, ist's nur, weil ich Euch nochmal sehen möchte, lieber Schwäher. Ihr habt mich so gut leiden können in der letzten Zeit und habt mich so freundlich behandelt, wie wir's Beide nicht geglaubt hätten nach dem ersten Diskurs, den wir mit einander gehabt haben in Eurem Garten — wißt Ihr's noch? Es ist Alles viel besser gegangen, als wir gedacht haben! — Nun lebet wohl und gebt uns Nachricht von Euch und grüßet unsere ganze Freundschaft von uns und auch den Herrn Pfarrer und die Frau Pfarrerin. Sie sind doch recht gut gewesen gegen mich, und ich werd' es ihnen mein Lebtag nicht vergessen.“
Daß diese Meldungen dem alten Eber in der Seele wohlthaten, kann man sich vorstellen. Aber es
Diesem scheint die Gesinnnng, die ihn in dem Schreiben an die Seinigen Amerika unbedingt erheben und Deutschland heruntersetzen ließ, in Amerika selber Schwierigkeiten bereitet zu haben. Er wechselte mehrmals die Herren, ohne sich zu verbessern, ersparte nichts und ist jetzt froh, bei seinem Schulkameraden ein Unterkommen gefunden zu haben. Tobias, in dankbarer Erinnerung an die Anregung, die er durch seinen Brief empfangen, hält ihn wie einen Freund, giebt sich Mühe, ihm sein prangendes, mehr aufs Wort als auf die That gerichtetes Wesen abzugewöhnen, und „hofft noch