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]]>August Kopisch, der Dichter des weltbekannten Noahliedes, geboren zu Breslau den 26. Mai 1799, besuchte das dortige Gymnasium unter Manso, entschied sich jedoch für die Malerei, welcher er sodann in Dresden, Prag und Wien oblag; neigte sich aber zugleich zu der Dichtkunst und schwankte eine Zeit lang zwischen beiden Künsten, bis eine Verletzung der rechten Hand ihn zwang, der Malerei zu entsagen; ging zu Anfang der Zwanziger Jahre nach Rom und Neapel, wo er im Umgang mit Platen, der ihn in eine sehr strenge Schule nahm, sich der Poesie widmete, vorzüglich jedoch mit Hülfe des Lustspieldichters Camerano Volksleben, Volksgesang und Volkstheater studirte, daneben auch durch die Entdeckung der blauen Grotte berühmt wurde; 1830 nach Deutschland zurückgekehrt erhielt er 1837 in Berlin durch den Kronprinzen, nachmaligen König Friedrich Wilhelm IV., der ihn zu Neapel kennen gelernt hatte, den Auftrag, eine Geschichte der Schlösser und Gärten von Potsdam zu schreiben, eine Arbeit, die ihn bis zu seinem Tode beschäftigte; Uebersetzer und Erklärer Dantes; vielseitig bis zu Erfindungen technischer Art; starb plötzlich den 6. Februar 1853. Seine Werke sind 1856 in fünf Bänden von seinem Freunde Karl Bötticher herausgegeben worden.
Kopisch's Erzählung vom Fest der Kahlköpfe, die wir hier mittheilen, gehört in all ihrer Einfachheit ohne Zweifel zu den glücklichsten Erzeugnissen der komischen Muse. Der Einfall, einem edeln Kahlkopfe zu Ehren sämmtliche Kahlköpfe seiner Heimathinsel zusammenzuladen, wird durch die Art und Weise der Ausführung unerwartet überboten, da nun weitere Einfälle des lustigsten Schlages einer um den andern hervorspringen, die man ganz wie aus dem Stegreif entstehen sieht, während der Eindruck der Improvi-
Auf der glückseligen Insel Ischia, die mit allem Segen Gottes reichlich überschüttet ist, lebte zu einer Zeit ein vornehmer Mann, von den Leuten schlechthin Don Antonio genannt, welcher in seiner Lebensweise von den meisten seines Gleichen das Widerspiel war. Er verprahlte sein Geld nicht in der Residenz, weder mit schönen Tänzerinnen noch Sängerinnen, auch ward es weder verbankettirt noch vertändelt noch verspielt, noch auf schönen Pferden vergaloppirt. Er überließ die Verwaltung seiner Güter auch nicht, wie viele Herren, den Händen habgieriger oder fahrlässiger Schaffner, hielt es auch nicht für wohlgethan, Alles in Bausch und Bogen zu verpachten, um in Gemächlichkeit gleichsam den Rahm von der Milch zu essen, während Andre sich mühten und plagten. Nein, er hielt es für sehr anständig und vornehm, wirklich Herr der Scholle zu sein, womit Gott ihm ein Geschenk gemacht und zwar ein ziemlich ansehnliches: denn er besaß manches Obst- und Ackerland in den Niederungen am Meere, manche schöne Lehne mit guten Reben, dazu wohlgebaute Landhäuser mit mancherlei zierlichen Kunstwerken ausgeschmückt, Alles
Aber fröhlicher als alles dieses war der Herr selber, ein rascher, rühriger Wittwer. Sein Wahlspruch war: des Herrn Auge macht die Kühe fett, aber nicht wenn es blind ist. Daher kam ihm die Gewohnheit, mit Allen, die seine Güter ihm bewirthschaften halfen, sehr häufig und genau zu rechnen, damit er beständig wüßte, wie er mit Jedem daran wäre; denn was man auf die lange Bank schiebt, verfault, sprach er und war überall hurtig hinterdrein. Er bezahlte keinen Tagelohn, sondern sprach zu den Leuten: Wie viel wollt ihr, wenn ihr mir dies und das arbeitet? und handelte sehr scharf; doch, wenn er zuletzt die Arbeit wohl bestellt fand, gab er manchen Groschen zu, so daß die braven Arbeiter fröhlich von ihm nach Hause gingen und nicht darben durften. Wer aber faul war, kam des geringen Lohnes wegen lange nicht wieder, und kam er endlich, so arbeitete derselbe Mann viel mehr als vorher — wegen der Groschen, welche der Herr zulegte. Daher kam es, daß alles Volk, welches da herum lebte, die Arbeit lieb gewann und den weisen Don Antonio: denn er war keineswegs geizig. Er war den Faulen nur genau, damit sie emsig würden, und theilte sonst gern mit, wo es Noth that. Almosen jedoch gab er auch nur sparsam. Er sah lieber zu, wie er die Leute gründlich wieder aufbrächte, und pflegte darum nicht erst dann zu helfen,
So und noch viel besser wußte Don Antonio mit den Leuten zu sprechen und stand Allen bei mit Rath und That und schlichtete manchen schlimmen Handel. Daher kamen alle Sorgenvollen auf der Insel zu ihm, und wem er half, der achtete sich damit gelobt und nahm sich zusammen, daß er seinem Helfer keine Schande machte. Durch solche Dinge ward Don Antonio bei Vornehm und Gering groß angesehn. Sein aufrichtiges Thun und Treiben war so herrlich, daß er sich gar nichts damit vergab, wenn er schlichthin mit Jedermann sprach und scherzte; dazu waren seine Reden in allen Stücken unmuthig zu hören für Jeden, er mochte sein, wer er wollte, und wo ehrliche Leute fröhlich waren, sparte Don Antonio nichts, er gab mit Freuden her und lachte mit.
Da ihm nun Jung und Alt so zugethan war, so war, wie sich leicht denken läßt, auch großer Segen auf
Aber, aber, je schattiger es um Don Antonio rings auf allen Klippen wurde, — je lichter ward es auf seinem eigenen Haupte, und als er eines Tages seiner Gewohnheit nach auf freiem Felde gebetet hatte, hielt ihm sein alter Diener Pietro die Hand, womit er das Käppchen wieder aufsetzen wollte, und sprach, indem er des Herrn Schädel recht eigens betrachtete: Aber mein lieber Don Antonio, wie werdet Ihr kahl!
Ja wohl, du alte Haut, sprach Don Antonio
Da sprach Pietro wiederum: Aber mit Verlaub, gnädiger Herr, für wen plagt Ihr Euch so Tag und Nacht? Was hilft Euch all das Zeug, die vielen Felder und Schlösser, wenn Ihr so allein seid und keinen Sohn habt, dem Ihr Alles nachlassen könnt? Es ist endlich Zeit, daß Ihr das Wittwerkissen wegthut und wieder an das Heirathen gedenkt, eh Euch die paar Haare vollends ausgehn!
Da sprach Don Antonio: Lieber Pietro, ich denke Tag und Nacht daran; denn ich will auch nicht von der Welt wegbrennen wie ein Talglicht, von dem nichts nachbleibt, wie die letzte Schnuppe. Ich will gern heirathen, dazu sind aber Zweie nöthig.
Ih, die Zweie sind da, sprach Pietro wiederum. Geht nicht so lange Zeit um das schöne Weib, die junge Wittwe herum, die Euch so gern sieht. Herr, wartet so lang Ihr wollt, schöner wird sie doch nicht! Also, flink zugelangt, so ist Beiden wieder geholfen.
Flink zugelangt ist bald gesagt, lieber Pietro; doch Donna Teresa ....
Eh! Donna Teresa, gnädiger Herr, fiel Pietro ein, nehmt es mir nicht übel — aber Ihr seid ein wunderlicher Mann. Ihr seid herzhaft und entschlossen wie ein altes Pferd in allen vier Elementen, fürchtet Euch auch vor keinem Christen noch Heiden; nur vor
Du redest, wie du es verstehst, sprach der Herr wiederum. Es schwärmen jetzt Freier um sie her, die ihr besser gefallen, Leute mit vollen Locken.
Da sprach Pietro wieder: Eh! Locken oder nicht! Wenn man aus allen Freiern in der Welt nur Einen Mann macht — Ihr seid mehr werth, wie Alle zusammen! — Mein lieber Herr Don Antonio, wenn das Weib Fenster im Kopfe hat, muß sie doch sehen, daß Ihr viel frischer ausseht unter Eurer Glatze, wie die zwei jungen Maulaffen unter den Haarschnecken, welche sie alle Tage braten und ringeln; und muß denn auch ein Freier just überall rauh sein, wie ein Bär? Glaubt mir, gerade die Glatze, wie sie jetzt ist, kleidet Euch viel besser, wie das Gemengsel von Haaren, das Ihr sonst hattet!
Mach keine Possen, sprach der Herr lächelnd, die Weiber sehn uns mit andern Augen und haben den Kopf der Männer lieber unten glatt als oben! — Hiemit brach Don Antonio das Gespräch ab und hieß Pietro weiter arbeiten.
Nicht lange darnach, zur Zeit des Carnevals, ge-
Dieses Wort hörte Don Antonio zwar nicht mehr, denn er war schon in das Haus gegangen; aber mehrere Leute, die auf der Straße standen, vernahmen es wohl, und ein alter Sackträger sprach entrüstet zu dem Grafen Ottavio: Herr, Ihr mögt sein, wer Ihr wollt; aber einem Ehrenmanne, wie Don Antonio, dürft Ihr hier zu Lande dergleichen nicht nachrufen!
Geht es dich an, was ich rede, du Lastthier? fragte Dort Ottavio und ging stolz dahin.
Aber der Mann trat ihm munter in den Weg und sagte: Ja, Herr, uns Ischiesen geht Alles an, was
Ja, ja, seid artig, Herr Cavalier! rief ein Zweiter, der Alles mit angehört.
Zieht den Hut ab, wenn Ihr Don Antonios Schafe seht! sprach ein Dritter.
Gurgelt Euch mit Rosenwasser, wenn Ihr seinen Namen in den Mund nehmt! rief ein Vierter und sprang ihm keck in den Weg.
Da stand Don Ottavio still und sprach stolz zu seinen Bedienten: Schafft mir das Gesindel vom Halse! Da stellte sich der erste Mann wieder vor ihn hin und fragte: Wo ist denn hier ein Gesindel? Ich sehe keines. Aber Ihr, Herr, seht Euch vor, Ihr seid hier nicht zu Hause! Wir sind freie Ischiesen, die für Don Antonio durch alle vier Elemente gehn!
Was hat er denn mit Don Antonio? fragten neugierige Schiffer, die hinzutraten.
Ih! Erst wirft er Don Antonio einen Kahlkopf nach, nun nennt er uns ein Gesindel!
Er schimpft Don Antonio einen Kahlkopf und uns ein Gesindel! rief Alles empört.
Macht mir Platz! rief Don Ottavio wieder seinen Bedienten zu, und als diese nicht vortraten, wollte er selbst einige Leute, die vor ihm standen, seitwärts drücken; aber — diese standen wie die Mauern. Da wurde Don Ottavio noch heftiger und schalt immer mehr; denn
Wisset, Herr Antonio, wir mußten wohl heftig werden, da er Euch beschimpft.
Warum aber sollte er mich denn beschimpft haben?
Warum, wissen wir nicht, sagten Einige, aber er rief Euch einen Kahlkopf nach.
Nun, wenn es weiter nichts ist! Ein Kahlkopf bin ich wirklich, sprach Don Antonio und nahm das Käppchen ab: das weiß die Sonne, die mir die Haare weggesengt. Geht in Frieden, meine Herren. Ein Kahlkopf ist ja kein Schimpf, so lange die Ehrlichkeit nicht aus
Mit Gottes Hülfe, das ist Euer schöner Mund, der das sagt, sprach Jakob, Don Antonio den Aermel küssend; aber in Wahrheit, laut sag' ich es vor allem Volk, mein Kahlkopf ist mir zur Ehre geworden, seit Don Antonio einen trägt!
Dergleichen Ehren giebt es mehr! sprach ein andrer fröhlicher Mann und klopfte sich auf den Schädel.
Hier auch! sprach ein Dritter und zeigte seine Glatze.
Hier ist wieder ein Kahlkopf! rief ein Vierter und neigte sich, damit Alle das sehen könnten.
Hier mein Mann ist auch einer! rief ein munteres Weib und schob ihren Gatten vor.
Mein Vater ist auch ein Kahlkopf! rief ein kleiner Knabe.
Heran ihr braven Kahlköpfe! rief der alte Jakob jubilirend. Kommt daher und genießt die Ehre, die euch Gott beschieden, denn Don Antonio ist ein Kahlkopf!
Beschämt, ohne nur eine Entschuldigung zu wagen, entfernten sich die Fremden; aber sie sahen noch von
O, in Casamicciola sind mehr, wie hier! riefen Einige.
In Lacco sind noch viel mehr! riefen Andre.
Nun da möcht' ich erst Alle beisammen sehen, die auf der ganzen Insel sind, sprach Don Antonio lachend, da müssen ihrer ja sein, wie Sand am Meere!
Ja, ja, die Ischiesen sputen sich, daß sie flink kahl werden, sprach ein leichtfertiger Vogel, aber Keinem läßt es so hübsch, wie Don Antonio! — Und Alle riefen von Neuem: Es lebe Don Antonio, der brave Kahlkopf! — Hiemit hoben ihn die Nächsten Besten auf ihre Schultern und trugen ihn, er mochte sich wehren, wie er wollte, schwebend in sein Haus zurück. Dieser wunderliche Triumphzug ging dicht unter einem Balkone vorüber, auf welchem Donna Teresa mit Antonio's lockigen Nebenbuhlern stand. Sie lachte von Herzen über den Spaß, den sie von Anfang mit angesehen, und nickte freundlich. Don Antonio konnte kaum den Gruß erwidern, so schnell trug man ihn dahin, und
Der brave Mann freute sich herzlich über die harmlosen Aeußerungen des Volkes und die wunderlichen Ehrenbezeugungen; doch gestand er sich zugleich, die Feier seines Kahlkopfes wäre ihm überall lieber gewesen, als gerade unter dem Balkone seiner Dame. Nun, des Himmels Wille geschehe! sprach der fromme Philosoph und ging wieder an seine Geschäfte.
Aber da es nun einmal Carnevalszeit war, ging das fröhliche Volk auf dem Markte nicht so bald aus einander. Im Gegentheil, es sammelte sich von Neuem, als ein Freund des Gefeierten erschien, ebenfalls ein Kahlkopf, Don Carlo genannt, der ihm ziemlich glich an Reichthum und Sitten, aber weit ausgelassener und phantastischer zu scherzen pflegte. Er hatte so eben eine fröhliche Tafel verlassen und des lieblichen Weines nicht zu viel und nicht zu wenig genippt, sondern gerade genug um in der allerbesten Laune gleichsam zu schweben. Als er nun, über den wilden Schwarm von Kahlköpfen erstaunt, nach der Ursache des gewaltigen Gelächters und der sonderbaren Versammlung fragte, drängten sich, ihm den Vorfall zu erzählen, Alle heran, wie Beeren sich, wenn sie voll wird, um den Stiel der Traube drängen. Alle Kehlen schrieen und Jedermann erzählte, die nahe standen, mit Worten, die ferne waren, mit Geberden, bis Don Carlo sich die Ohren zuhielt und die Augen fest verschloß und selber schrie: Schweigt! Ich weiß nun
Nicht so feierlich! sprach Don Carlo, denn was ich sagen will, ist nicht zum Weinen! Die Geschichte da ist nicht mit Golde zu bezahlen, wiewohl euer Vortrag nicht viel besser war als tausend Ohrfeigen! Besonders war dahier ein Mann mit einer Trompetenstimme, der gleich einer Traufe beständig dasselbe Wort sprach, so daß ich zuletzt nichts mehr hörte wie das; aber das war gut; denn es war ein Wort von Don Antonio! Sprich es noch einmal aus, Checco!
Da trompetete Checco wiederum: Don Antonio hat gesagt, er möchte wohl einmal alle Kahlköpfe beisammen sehn, die auf der ganzen Insel sind.
Ja, ja, das hat er gesagt! riefen Alle.
Bravo! rief Don Carlo, er hat es gesagt, und es soll geschehen! Ich habe schon manche Woche vergeblich über ein Carnevalsfest für meinen braven Don Antonio nachgedacht; nun aber will ich ihm eins geben, wie Meer und Erde und der Himmel da oben noch nicht gesehen hat. Also vernehmt: Auf übermorgen Nachmittag sind hiemit alle guten ehrlichen Kahlköpfe, womit unser nach allen Seiten hin fruchtbares Eiland Ischia so reichlich gesegnet ist, Don Antonio's Geburts-
Aber, Don Carlo, womit wollt Ihr so großes Volk bewirthen? fielen einige Stimmen ein.
Sonderbare Frage! Mit Essen und Trinken! sprach Don Carlo; hier gilt das Wort, welches der gewaltige Redner Stomachus schon oftermalen ausgerufen: Thu dich auf, Keller und Speicher, und zeige dein Inwendiges! He! Antoniello, Pangrazio, Ricciardo, Pepo, Checco, Lunardo, Raffaele, Paolo, Giacomo, Pandolfo, Carluccio, Ciccio, kommt daher! Ihr seid in solchen Dingen die Flinksten! Auf, besorgt euch Trommeln, und sind nicht genug Trommeln da, so nehmt Kessel, damit geht auf der ganzen Insel umher, trommelt und macht Spektakel, singt und ladet ein!
Prächtig! riefen Alle.
In was für Versen? fragten Einige.
Ich will sie Keinem vorschreiben, sprach Don Carlo, denn ihr seid insgesammt große Poeten! Reimt frisch daraus los, lockt sie wie die Wachteln in meinen Weizen!
Etwa so? fragte Pepo und sang:
Pittperwitt, Pittperwitt! sangen Alle mit Pepo, schnappten wie er mit den Fingern dazu und tanzten und sprangen wie die Ziegenböcke.
Bravo! rief Don Carlo, singe Jeder was ihm einfällt!
Hoch lebe Don Carlo! schrie nun der ganze Schwarm, und die er aufgerufen, liefen nach Trommeln und Kesseln, während er weiter sprach: Wir, liebe Kinder, wollen indeß nicht müßig sein. Ich will euch meine großen Netze herausgeben, damit wollen wir Alles, was Fisch heißt, aus dem Meere ziehen, auf daß kein Mangel sei. Etliche müssen nach dem Walde von Cumä hinüber
Hört, Don Carlo, da kommen sie schon mit Trommeln und Kesseln, unterbrachen ihn Einige, berrumpumpum, berrumpumpum, papiongpingpang!
Still da! rief Don Carlo. Don Antonio soll noch nichts davon merken; es wäre wohl hübsch, wenn man ihn damit überraschen könnte!
Trommelt und lärmt immerzu, sprach der alte Pietro, der mit einem Päckchen auf dem Rücken dabei
Das trifft sich ja ganz vortrefflich, sprach Don Carlo.
I freilich, gnädiger Herr, sprach Pietro, ich geh' ihm bis übermorgen Mittag nicht von der Seite. Glaubt mir, so wahr ich Pietro bin, er soll Euren Braten nicht riechen, bevor er gahr ist. Laßt mich nur sorgen! Ich weiß, wie man etwas geheim hält. Jede Fliege, die daran geleckt hat, wird abgewischt, so bleibt ihm Alles verborgen!
Nun, so vertheilt euch! geht in alle Welt, trommelt und schreit, daß die Gassen über einander fallen! rief Don Carlo, und es hätte dieser starken Aufforderung zum Lärmen wahrlich nicht bedurft; denn kaum hatte sich Jeder seinen Weg gewählt, so ward der Lärm auf einmal ganz übermäßig. Sechs Trommeln und sieben Kessel wurden fast zerschlagen. Alles, was Odem hatte, Jung und Alt schrie und tobte mit, Katzen miauten darein, und Hunde bellten. Es war auch zwischen diesem und dem jüngsten Tage kein Unterschied mehr, nur daß hier nicht die Todten aus den Gräbern, nur die Lebendigen aus allen Häusern kamen. Es zeigte sich auch noch außerdem großer Uebermuth, der am jüngsten Tage wohl wegbleiben wird: die Trommler nämlich sahen über ihre Trommeln verächtlich auf die Kessel-
Nun lassen wir die Lärmer ziehen; denn es wäre selbst dem großen Poeten Homerus unmöglich zu erzählen, was die sechs Trommler und sieben Kesselschläger auf ihrer Wanderung durch die anmuthigen Gefilde und die zierlichen Ortschaften der Insel für Aussehen erregten mit der wunderlichen Einladung, und was sie an jedem Orte für tolles Zeug anzugeben wußten. Man fing überall damit an, daß man die lustigen Vögel mit ihren Reimen für betrunken hielt. Sie setzten ihre Köpfe wohl tausendmal zu Pfande, bevor ihnen irgend Jemand nur ein Wort von Allem glaubte. Dann zogen ihnen auch überall einzeln besonders pfiffige Leute nach, superkluge Spione, welche durchaus das Geständniß von ihnen heraushaben wollten, der ganze Spaß sei nur auf eine Fopperei abgesehn. Auch kamen von überall her Boten an Don Carlo zurück, welche sich im Namen ganzer Ortschaften feierlich nach dem wahren Verlauf
Die sonderbaren Einladungen selbst, so große Fröhlichkeit sie im Allgemeinen auf der ganzen Insel verbreiteten, wurden dennoch von manchem der Geladenen nicht ganz so harmlos aufgenommen, wie sie gemeint waren. Einige wurden zuerst bitterböse; doch ergaben sich zuletzt die Meisten, da es einmal nicht anders war, in den allgemeinen Humor und lachten von Herzen mit.
Am übelsten wurde jedoch der Spaß von den heimlichen Kahlköpfen aufgenommen, welche sich unter künstlichen Locken verbargen; denn überall schwärmten freiwillige Spione herum, welche dergleichen Contrebande ans Licht brachten, und mit der Keckheit, welche die Leute dort zu Lande zur Carnevalszeit allgemein zu befallen siegt, riß man hie und da jenen Dohlen die fremden Federn aus, und ein wahres Treibjagen von tausend Neckereien zwang dieselben wider Willen zur Theilnahme. Bei alle dem gab es immer noch Viele, welche die raffinirte Kunst der Haarkräusler vor aller Entdeckung zu schirmen schien: aber als Don Carlo gar anfing, seidene rosenfarbene Käppchen machen zu lassen, die er, wie es hieß, als falsche Platten Leuten mit vollen Locken schicken wollte, die an dem Feste Theil zu nehmen Lust hätten, da wurde den Meisten in ihrer Verborgenheit
Wer sich aber recht von Herzen über das unerhörte sonderbare Fest freute, war Donna Teresa. Von Natur zu Scherz und Lachen geneigt, konnte sie gar nicht begreifen, warum ihre beiden jungen Anbeter so wenig Vergnügen darüber empfanden. Diese wollten wieder nicht begreifen, wie eine so feine, liebenswürdige Dame Geschmack an solchen Dingen finden könne, nannten den harmlosen Scherz einen plumpen Bauernspaß und fanden es für einen Mann von Stande, wie Don Carlo, sehr unziemend, dergleichen abgeschmacktes Zeug zu veranstalten. Vergeblich warfen die schönen Lippen der fröhlichen Dame beständig ein, sie möchten nur bedenken, es sei Carneval, und ein Carneval sei je toller, je besser; Beide blieben bei ihrer Ansicht und verließen die schöne Dame fast ein wenig mißgestimmt. Ja, sie kamen sogar am Morgen des Festtages zu ihr, um sich auf einige Tage zu beurlauben, weil sie nicht Zeugen eines so sinnlosen Volkstumultes abgeben wollten, welcher, wie sie behaupteten, jeden Nerv in ihnen empören würde. Donna Teresa jedoch lachte sie beständig aus und stellte ihnen vor, welchen widrigen Wind sie haben würden, wenn sie heute segelten. Vergeblich. Das Meer wird sehr
Woran denn? fragte Donna Teresa.
An Eurem Foppen, sprach Don Carlo, denn Ihr könnt es nicht lassen!
Warum denn nicht?
Weil es Euch so gut läßt! sagte Don Carlo neckend und huschte zur Thür hinaus und heim, wo er noch gewaltig viel zu thun fand. Denn, obwohl sein Haushofmeister ein tüchtiger Mann war und bei allen
Hier mochte derselbe wohl ein gutes Stündchen geruht haben, als ihn mitten aus dem süßesten Schlummer ein von der Straße kommendes niemals erhörtes Schreien erweckte. Der brave Mann, der Meinung, wenigstens ein Erdbeben rüttele die Stadt zusammen, sprang erschreckt empor, an das Fenster, und streckte, noch vom Schlafe taumelnd, den Kopf hinaus. Da scholl ihm von allen Seiten ein unermeßliches Gelächter entgegen, während er sich beständig die Augen rieb, zu sehen, was es gebe; denn was er wirklich sah, schien ihm ein Traum, und in der That, Jedermann hätte sich an seiner Stelle die Augen gerieben wie Don Antonio; denn Markt und Straße, Fenster und Balkone, selbst die platten Dächer hoch und niedrig wimmelten überall, überall von Kahlköpfen, die alle nach ihm gewendet, Gläser oder Flaschen in den Händen und Mühen und Hüte schwenkend und
Nach diesen Worten fiel der Vorhang wieder herab um Pythagoras, und Bias, dem er einen Esel gebohrt, erhob sich und wollte reden; was er aber sagen wollte, bekam Niemand zu hören; denn zu derselben Zeit vernahm man aus den andern Sälen einen Lärm, der immer näher und näher kam und am Ende die sieben Weisen aus ihren Rollen brachte. Selbst Pythagoras kam hinter seinem Vorhänge hervor und fragte, was es gebe. Da riefen einige Stimmen von außen: ganz in der Nähe des Ufers sähe man ein Fahrzeug in großer Noth des Sturmes; bei der dicken Finsterniß vermöge man nicht einmal zu erkennen, ob es nicht schon an den vorliegenden Klippen gestrandet.
Da warf Don Antonio seinen Mantel hin und sprang hinaus, Freund Pythagoras that ein Gleiches, und bald standen sie an dem schwarzen Lavaufer, zu welchem die See mit furchtbarer Gewalt herauftobte. Hinter ihnen sammelten sich fast alle Genossen des Festes in ihren bunten Masken. Das Meer leuchtete
Zündet ein mächtiges Feuer an, daß man besser sehen könne, rief Don Antonio; ich will in dieses Boot steigen, wer folgt mir?
Da sprang der alte Fischer Jakob hervor und sprach: Herr, laßt mir das Ruder!
Auch Pythagoras trat heran und rief: Wo mein Antonio ist, bin ich auch!
Laßt mich zu meinem Herrn! schrie Pietro, und drängte sich mit einem Pack von Seilen durch das gaffende Volk, welches die Kühnen vergeblich aufzuhalten strebte. Sie rissen sich von den haltenden Armen los und stießen ein kleines Boot vom Ufer, in welches sie geschickt hineinsprangen. Antonio und Carlo hatten Fackeln in den Händen, Jakob und Pietro ruderten. Ein Feuer am Ufer, von Bränden aus der Küche zusammengetragen, loderte schnell hoch empor und erleuchtete das Meer, so daß man die Barke, welche nicht fünfzig Schritt vom Ufer lag, sogleich für eine von Ischia erkannte. Mit Erstaunen sah man nun, wie ruhig der alte Jakob sein Ruder in den entsetzlichen Brandungen handhabte. Pietro richtete das seine genau nach dessen Bewegungen, die er scharf beobachtete; denn wie Jener war Niemand geschickt im Beurtheilen der daherrollenden Wogen; er wußte von den wildesten,
Hier war große Noth, denn das Fahrzeug lag umgeworfen zwischen Klippen, die Mannschaft aber fanden sie rings in den Wellen zerstreut, theils schwimmend, theils an einzelnen Klippen fest geklammert. Da warfen Don Antonio und Carlo Seile aus, woran sich die Schwimmenden halten konnten. Etliche der hineingefallenen Seeleute schwangen sich trotz des Schwankens bald geschickt zu ihnen in das Boot, und halfen Andere mit herausziehen. Als nun das kleine Boot voll Menschen war, hieß sie Don Antonio an der Klippe, woran die Barke gestrandet, aussteigen, wo eine kleine sandige Bucht dies erlaubte. Sie sprangen hinaus, die Viere jedoch fuhren nach den Andern, die um die Felszacken geklammert mehr schrieen als nöthig war. Auffallend war es jedoch den beiden Rettern, daß sie nur Wenige, wie es doch sonst gebräuchlich ist, bei den Haaren aus dem Wasser ziehen konnten; denn faßten sie irgend einen Haarschopf, so blieb er ihnen in der
Ein allgemeines Lebehoch und Bravoklatschen erhub sich, als die beiden Helden das Ufer betraten, und übertäubte den Donner der Brandungen; aber während sie den Geretteten nach und nach aussteigen halfen, huschten die Fröhlichsten und Gewandtesten der Zuschauer hurtig in den Palast und kamen bald mit Blumengewinden daher gerannt, welche sogleich ein ausnehmend zierlicher Plato in Empfang nahm, die Besieger der Wogen feierlich und anmuthig zu kränzen. Die Helden weigerten sich zuerst der Ehre; doch als die Menge mit Schreien und Bestürmungen nicht nachließ, mußten sie sich wohl in den allgemeinen Willen ergeben. Sie neigten die lockenarmen Scheitel, um sie stattlich geschmückt wieder zu erheben. Der zierliche Plato sprach mit einer sonderbaren Baßstimme ziemlich feierlich, welches ihn jedoch nicht hinderte, die beiden Herren während der Bekränzung schalkhaft am Ohre zu zupfen, worauf Don Carlo augenblicklich sagte: Mein lieber Plato, du bist — Donna Teresa, wollte er sagen; da hielt ihm die Maske den Mund zu. — Seht, ich hab' Euch erkannt an Eurem Necken, flüsterte Don Carlo, Ihr könnt es nicht lassen!
Verrathet mich nicht! flüsterte die Maske; denn es war wirklich Donna Teresa, welche die Bekränzung der Helden zu der griechischen Tracht so zierlich zu ordnen wußte, daß, wer irgend nahe stand, immer von Neuem Beifall rief und klatschte. Durch das allgemeine Zu-
Mit dieser fast heroischen Scene der Bekränzung wechselte nun augenblicklich eine, welche gerade das Gegentheil von heroisch war. Als nämlich die Geretteten, noch von Schreck zitternd und ernsthaft klappernd vor Kälte, sich um das hochlodernde Feuer sammelten und in den nassen Kleidern hell beleuchtet dastanden, erhub sich um sie her ein ganz unermeßliches Gelächter; denn es waren, zum Erstaunen Aller, sämmtlich Kahlköpfe, die, so durchnäßt gleich gebadeten Mäusen, recht erbärmliche Figuren abgaben. Als sich dieselben nun so verlacht sahen, wollten sie alle davon; aber man ließ sie nicht so bald hinweg. Man hielt sie und sah ihnen mit Gewalt genauer unter die Augen. Da ward einer nach dem andern erkannt und sein Name laut ausgeschrieen ohne alle Barmherzigkeit. Es waren jene heimlichen Kahlköpfe, welche so plötzlich Geschäfte halber nach Neapel abgereiset. Wie aber erstaunte jetzt Donna Teresa in ihrer Maske, da sie unter den verlachten Jammergestalten von ehemals heimlichen, nun öffentlichen
Da trat Don Antonio hinzu. Wie vor einem Könige ward Platz vor ihm, und er sprach zu den grausamen Lachern: Lieben Freunde, wie drollig es sich gefügt hat, daß auch diese Kahlköpfe zu uns gerathen müssen, lasset sie nun hinweg, sie bedürfen trockener Kleider; die aber lasset uns ihnen verschaffen! Das wird ihnen wohler thun als euer Lachen. Hiemit nahm Don Antonio den nächsten besten der Frierenden an den Händen, und die Menge wollte sie eben hindurch lassen und begleiten, da rief Don Carlo: Halt! noch wolle sie nicht entlassen, ihr liebwerthen Freunde; dahier bin ich Herr und werde mein Strandrecht zu gebrauchen wissen. Hört mich an, ihr unglückseligen Seefahrer, weß Standes und Amtes ihr sein möget. Der Himmel hat euch, mittelst der gewaltigen Seewogen, auf meinen
Diese Rede, gesprochen von dem Manne, der sie eben aus den wilden Wogen und den Zähnen der Haifische gerettet, verfehlte die Wirkung nicht: die Verspotteten überwanden sich und gaben Handschlag und Versprechen, an seinem Feste Theil zu nehmen. Der Spott der Umstehenden verlor sich nun in harmlosen Jubel. Einige Rechenmeister, welche die Gäste vorhin gezählt hatten, freuten sich, daß ihrer nun noch anderthalb Dutzend mehr geworden; die Klapperstörche selbst
Hoch lebe Don Antonio! scholl es in allen Sälen wie aus Einem Munde, keine Stimme blieb nach, und ein Tusch von Pauken und Trompeten mischte sich dreimal wiederholt in das dreimalige Klingen der unzähligen Gläser. Da nahm Don Antonio seinen vollen Pokal, stand empor und sprach, sich ehrerbietig verneigend:
Bei diesen letzten Worten umarmte Don Antonio seinen Carlo, und während das Lebehoch von allen Seiten wiedertönte, drängte sich die Erinnerung an manche Noth und manche Freude, welche die Freunde gemeinsam übertragen und genossen, vor ihre Seele, so daß in Beider Pokale Thränen inniger Rührung fielen, indem sie den duftenden Purpur des Weines schlürften.
Als sich nun Alles wieder gesetzt hatte, wurde die Unterhaltung bei dem so festlich besungenen Schwertfische, von dem Jeder zu essen bekam, und durch den feurigen Wein immer lebhafter, und lachende Scherze flogen her und hin.
Don Carlo hatte schon eher vergeblich den schönen Plato gesucht, welchem er einen Platz an Don Antonio's
Aber als der freundliche Wirth so durch die langen Säle ging, ward ihm von allen Seiten freundlich zugenickt und zugetrunken. Da saß mancher arme, alte, ehrliche Mann an dem Tische, dem es sein ganzes Leben lang noch nicht so gut geworden war, und letzte den alten Gaumen an den trefflichen Speisen, und der Duft des köstlichen Weines wob süße Träume um seine Sorgen, daß er wie mit fremden Backen in die Welt hineinlachte. Darüber freute sich der brave Don Carlo von Herzen. Auch war es wirklich schön, zu sehen, welche reine, heitere Fröhlichkeit überall verbreitet war. Selbst als die Lust etwas ausgelassener wurde, ward kein Scherz übelgedeutet. Die Tugend des Wirths hatte sich über die Gäste ergossen. Auf und ab in allen Sälen tanzten verschiedene Reimer, welche sich in neckenden Versen auf die Anwesenden zu übertreffen suchten. Besonders zeichnete sich ein rechter Kahlkopf, Namens Bennardo, aus, ein Schiffer, den man gern auf allen Barken wie einen Ruderer bezahlte; obwohl er sein Ruder nur obenhin einzutauchen pflegte, so verstand er doch so lustige Lieder zu singen, daß die Uebrigen ihrer Plage ganz vergaßen und um so schneller ruderten. Dieser war an jenem Abende so übermüthig mit Neckereien, daß ihn zuletzt etliche lustige Vögel, die er zu sehr geneckt, mit Gewalt ergriffen, und ihm die zwanzig dreißig Haare, die er noch haben
Immer lustiger und allgemeiner ward das Treiben. Endlich kamen auch die Frauen vieler Anwesenden, in Masken, zu sehen, was ihre Männer eigentlich vorhätten, und um sie tüchtig zu necken. Da gab es denn manche sehr drollige Scene, besonders wenn der Kahlkopfkönig sich mit seinem Spotte darein mischte, über welchen sich die Frauen todt lachen wollten. Don Antonio, dessen Nachbarn ebenfalls mit ihren Frauen scherzten, ward davon zuerst herzlich erfreut; er verlor sich aber darüber nach und nach in Gedanken an sich selbst und war fast ein wenig traurig, — als eine sehr natürlich nachgebildete Maske mit langem Stabe zu ihm herangewankt kam. Es war ein betagter Eremit mit langem weißem Barte, welchem die greisen Glieder so heftig erzitterten, daß Don Antonio ihm, als er sich auf den Stuhl ihm zur Seite niederließ, fast unwillkürlich beistehen mußte. Sobald der Alte sich, wie es schien, ein wenig erholt hatte, begann er mit tremulirender Stimme zu Don Antonio: Mein theurer Don Antonio, mich will es fast wundern, daß Ihr so ernsthaft darein sehet bei diesem fröhlichen Feste, da es doch selbst mich Abge-
letzte Frage war mit so natürlicher Innigkeit gesprochen, daß der Befragte bald versucht worden wäre, den Eremiten für einen wirklichen zu halten, wenn der Greis ihm nicht bei diesen Worten eine Hand gereicht hätte, welche sich zarter anfühlte wie Sammet. Verwundert streichelte Don Antonio die sanfte Hand, welche seinen Druck innig wiedergab, und sprach: Ehrwürdiger Vater, gern wollte ich Euch als einem welterfahrnen, betagten Manne mein ganzes Herz ausschütten; aber das zarte Frauenhändchen, welches Ihr mir so eben reichet, macht mich in meiner Aufrichtigkeit irre.
Nun so will ich meine Hand zurückziehen! sprach der Eremit.
Nein, laßt mir das Händchen, es gefällt mir. sprach Don Antonio streichelnd.
Ach, mein lieber Don Antonio, fuhr der Eremit da, wie erschrocken und sehr ernsthaft tremulirend, fort, wenn Euch, selbst bei dieser welken Hand eines greisen Mannes, Frauenhändchen in den Sinn kommen, so seid Ihr wahrlich sehr entfernt vom einsamen Leben, und ich glaube fast, daß in Eurem Herzen weltliche Liebe wohne mit ungestilltem Verlangen, welches Euch selbst bei diesem fröhlichen Gelage so traurig macht. O lasset fahren die falsche Sehnsucht, denn ein Weib, das eine Person wie die Eure verschmähen kann, muß eine sehr eitle weltliche Thörin sein, welche Locken an Euch suchet, wo sie Euch fehlen, welche die Annehmlichkeit Eurer Gespräche weder zu würdigen weiß, noch Euer wohlwollendes Herz zu ehren, welche blind ist für die Schönheit Eurer Gestalt und die Anmuth Eurer Geberden und das Ansehen, in welchem Ihr bei den Bewohnern dieses Eilandes stehet. Darum lasset sie vergehn in ihrem eitlen Dünkel und folget mir in meine Waldeinsamkeit, wo der, unschuldige Gesang der Vögelein erschallet; dort will ich Euer Herz von weltlichen Gedanken reinigen und Euch die Seele stärken mit dem Troste der Eremiten, bis Ihr den Himmel offen über Euch sehet, der Euch nunmehro von düstern Wolken des Grams verborgen ist.
Während der Eremit solches mit großer Salbung sprach, bemerkte Don Antonio den Ring Donna Teresa's
Damit, sprach der neugeworbene Schüler, damit, daß Ihr mir das weltliche Geschmeide lastet, welches Ihr eben traget. — Hiebei blickte Don Antonio ihm nach dem Halse. Der Eremit aber, seines Ringes vergessend und nur dem Blicke Don Antonio's folgend, sprach: Nehmt das Geschmeide hin, ich habe keines!
Doch, doch, sprach Don Antonio, und unverwandt nach dem Halse blickend, zog er den goldenen Ring von dem zarten Fingerchen. Seht da her! Mein ehrwürdiger Vater, dieser Ring ist viel zu weltlich für Einsiedler!
Gebt ihn mir zurück, sprach der Eremit etwas betroffen, es ist der Trauring meiner Mutter.
Das weiß ich, sprach Don Antonio neckhaft gestimmt, ich kenne ihn gar wohl und hatte schon lange Verlangen darnach. Es ist etwas Wunderbares um den
O, treibt den Scherz nicht zu weit, gebt mir den Ring wieder! sprach der Eremit — plötzlich mit Donna Teresa's Stimme.
Glaubt Ihr denn, ich scheue? sprach Don Antonio sehr ernsthaft; nein, mein ehrwürdiger Vater, es ist mein völliger Ernst, wenn ich sage: der Himmel ist über mir offen, seit ich Euren Ring besitze.
Ihr besitzt ihn nicht, Ihr habt ihn mir genommen, Don Antonio!
Ihr habt ihn mir gelassen, er ist mir, ehrwürdiger Vater; bedenkt, als ich um Euer Geschmeide bat, sagtet Ihr: nehmt es hin! — Wohl, aber ich sagte dazu: ich habe keines; woraus Ihr sehen könnt, daß ich nur unachtsam war.
Unachtsam? Ei, ei, sprach Don Antonio, wenn so fromme, betagte Lehrer noch unachtsam sind, wie sollen wir arme Schüler sein?
Gebt mir den Ring wieder, sprach Donna Teresa, und wollte ihn mit Gewalt von seinem Finger ziehen; aber Don Antonio hielt ihn fest und ihre Hand dazu und sprach: Ei, ei, mein ehrwürdiger Eremit, Ihr seid schlimmer, als ich, den weltlichen Dingen ergeben, wenn Ihr so heftig nach diesem Ringe verlanget, welcher
Gebt mir den Ring wieder! sprach Donna Teresa und rang noch heftiger darnach: als von dieser Bewegung die Maske, welche nicht allzuwohl befestigt war, plötzlich herabfiel, so daß der entzückte Don Antonio ihr schönes Gesicht von hellen Thränen der Rührung überströmt sah, welchen sie bisher unter der Maske nicht Einhalt gethan. Nun aber suchte sie, weil Don Antonio sie nicht fortließ, ihr verlegenes Erröthen in den Falten des Eremitengewandes zu bergen, als Don Carlo, welcher schon ein gut Theil der Scene mit angehört, ihr in die Augen sah und sprach: Wie? Ringe werden gewechselt? Masken fallen ab und Thränen fließen? Darüber muß ich meinen Mantel breiten, bis ich den Notar geholt! — Hiemit warf er seinen weiten Pythagorasmantel um die Liebenden und verschlang ihn so, daß ihn Beide nicht so bald entwirren konnten: ja das Entwirren ging so langsam, daß Einige meinten, Beide blieben gern so verborgen, der Philosoph sowohl als der Eremit.
Als sie endlich den purpurnen Vorhang, der sie umschloß, erhoben hatten, stand ein kleines Tischchen vor ihnen, woran Cicero saß und eine Feder schnitt. Es war der Notar des Ortes, welcher den beiden Willigen einen Ehecontract in zwei Worten zusammensetzte, den Beide mit zitternder Hand unterschrieben, während krystallne Thränen des Entzückens darauf hinab-